Doller Berba, doofer Shearer

Von Oliver Wittenburg / Haruka Gruber
Dimitar, Berbatow, Reading, Tottenham
© Getty

München - Diese Schnoddrigkeit, diese offen zur Schau gestellte Hängeschultrigkeit.

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Dimitar Berbatow erzielte vier Tore. In einem Spiel. Gegen den FC Reading. Das 1:0. Das 2:2. Das 3:3. Den Endstand zum 6:4.

"Seine Leistung war grandios", sagte Tottenhams Coach Juande Ramos. Co-Trainer Gustavo Poyet meinte: "Er war in einer anderen Liga. Ich kenne keinen anderen Spieler, der so etwas kann."

Wäre da nur nicht diese Schnoddrigkeit. Diese povokant-phlegmatische Teilnahmslosigkeit, die phasenweise von Berbatow Besitz ergreift. Klaus Augenthaler, sein Ex-Coach bei Bayer, erklärte früher einmal: "Er sagt selbst, er braucht ab und an Tritte in den Hintern. Die kriegt er von mir kostenlos."

Seit seinem Wechsel von Leverkusen an die White Hart Lane wurde er in England mit einem bunten Strauß an Attributen beschrieben. Brillant sei er, genial - aber auch faul und nachlässig.

ManU und Arsenal heiß auf Berba

"Dimitar ist in der Lage, alles, wirklich alles auf dem Platz anzustellen. Aber das zeigt er nicht immer", so Ramos. Dessen Version des Hinterntretens: Drei Tage vor dem Schützenfest gegen Reading wurde er beim 5:1 gegen Fulham torlos nach 63 Minuten ausgewechselt. "Wir erwarten, dass er an jedem Spieltag vier Tore schießt", sagte Ramos.

Aber Gemach, Senor. Der 26-Jährige mag noch immer nicht sein volles Potenzial ausschöpfen, ein Treffer-Quartett in 90 Minuten ist aller Ehren wert. Finden offenbar auch Manchester United und der FC Arsenal, die für den Bulgaren bereits im Januar allzu gerne 20, 25 oder 30 Millionen Euro ausgeben wollen.

"Ich kann die Tottenham-Fans nicht beruhigen. Ich weiß nicht, ob er bleibt", so Ramos. "Der Besitzer weiß, dass ich ihn behalten will, aber die Entscheidung liegt bei ihm."

Die weiteren Schlaglichter vom 20. Spieltag:

Shearer ist doof: Okay, Alan Shearer ist eine Legende. Okay, Alan Shearer hat 260 Premier-League-Tore geschossen, war Meister, dreimal Torschützenkönig und bester Goalgetter der EM 1996. Aber auch Alan Shearer ist nicht unfehlbar.

Nach dem 0:0 von Arsenal in Portsmouth am Boxing Day meinte der 37-Jährige sinngemäß, die Gunners könnten mit ihrem "beautiful football" keinen Blumentopf gewinnen. Damit zog er sich nicht nur den heiligen Zorn von Arsenal-Mastermind Arsene Wenger zu, sondern er lag auch jämmerlich daneben.

Wie die Gunners am Samstag zeigten, können sie nämlich auch fürchterlich hässlich spielen, trotzdem gewinnen und das sogar hoch. Vier Torschüsse reichten zu einem 4:1 beim FC Everton. Arsenal bolzte hinten die Bälle raus, hoffte vorne auf den lieben Gott, spielte kein bisschen beautiful und nutzte kaltblütig die Fehler der Toffees-Defense.

Wenger dazu: "Das Problem ist doch folgendes: Da kommt einer daher mit einer dummen Idee und alle glauben ihm, obwohl die Fakten eine andere Sprache sprechen." Die Fakten lauten: Arsenal ist Tabellenführer mit nur einer Niederlage aus 20 Spielen, hat die zweitmeisten Tore geschossen (40) und die drittwenigsten kassiert (16).

Schreckliche Weihnachten: Es gab nur ein Thema nach dem 2:1-Sieg von Chelsea über Newcastle: das Siegtor für die Blues. Matchwinner Salomon Kalou stand zwei Meter im Abseits, als John Obi Mikel aus dem Hintergrund abzog und der Ball leicht abgefälscht von Claudio Pizarro vor seine Füße fiel. Seine privilegierte Stellung nutzte Kalou optimal aus und schoss den Ball aus kurzer Distanz ins Tor.

Was Newcastle-Coach Sam Allardyce davon hielt: "Wir hatten schreckliche Weihnachten. Ich hätte keine Probleme, mir richtig Ärger einzufangen, wegen der Niederlage." Oder: "Keine Frage, das war die schlechteste Schiedsrichterentscheidung gegen uns in dieser Saison." Aber auch:  "Ich kann mir die Leistung vom Schiri-Assi nur mit Angst erklären. Blinde Angst, dass er vielleicht eine folgenschwere Entscheidung im Stadion von Chelsea treffen könnte. Dagegen können wir aber leider nichts machen."

Allardyces Wut war verständlich, die Fehlentscheidung haarsträubend. Chelsea wird's wurscht sein, bleibt man doch dran an den großen Zwei, auch wenn geschätzte 26 Weltstars wegen Verletzungen und Sperren nicht zur Verfügung standen.

Tore und Highlights des Spiels Chelsea - Newcastle in SPOX.TV

Übrigens: Michael Ballack spielte bei seinem Startelf-Comeback ordentlich, setzte den einen oder anderen spielerischen Akzent und hätte mit etwas Glück in der 63. Minute das 2:1 erzielen können, als Shaun Wright-Phillips von rechts querlegte und er an der 16er-Linie stehend freie Schussbahn hatte, aber genau in die Arme von Shay Given zielte. Ballack hätte Big Sam eine Menge Ärger erspart.

Nicht perfekte Party-People: Udo Jürgens sang einst fröhlich-beschwipst "Mit 66 Jahren fängt das Leben erst an". Alex Ferguson jedoch nimmt seinen 66. Geburtstag an Silvester zum Anlass für einen melancholischen Blick zurück.

"Der Fußball hat sich verändert. Früher hatten sich die Spieler im Griff, aber heute?", so der Coach von Manchester United, ohne jedoch die außer Kontrolle geratene ManU-Weihnachtsfeier explizit anzusprechen. "Mittlerweile betteln die Fußballer um Aufmerksamkeit. Deswegen die Ohrringe, Tattoos und Auftritte in riesigen Restaurants, wo dich jeder sehen kann. Die Zeiten haben sich definitiv geändert."

Vielleicht lag es an der für ihn wenig erbaulichen Erkenntnis, dass der sonst so impulsive Ferguson die überraschende 1:2-Niederlage bei West Ham und den damit verbundenen Verlust der Tabellenspitze derart emotionslos hinnahm.

"Worüber soll ich mich beschweren? Dass wir nicht in Topform waren? Dass Cristiano Ronaldo einen Elfmeter verschoss? Wir wurden vom besseren Team besiegt", sagte der Schotte. "Meine Spieler können nicht immer perfekt sein. Sie sind auch nur Menschen." Zumindest das hat sich im Laufe der Jahre nicht geändert.