Chancenlos bei BVB und Bochum, nun als Tor-Garant Harry Kane auf den Fersen: Die irre Geschichte des "perfekten van-Gaal-Stürmers" Vangelis Pavlidis

Von Constantin Eckner
28 Tore in dieser Saison bislang für AZ Alkmaar: Evangelis Pavlidis.
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Vangelis Pavlidis führt kurz vor Saisonende die Torjägerliste der Eredivisie an. Im Ruhrpott ist der griechische Angreifer kein Unbekannter, wenngleich ihm der große Sprung in Bochum einst verwehrt blieb. Im Alter von 25 Jahren winkt dem Griechen, dessen Karriereweg ein wenig an den von Deniz Undav erinnert, nun jedoch ein lukrativer Transfer.

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Die Transferperiode rückt näher und wie in jedem Jahr werden natürlich reihenweise Namen durchs Fußballdorf getrieben. Manch einer ist komplett überhypt, bei anderen entbrennt ein skurriles Wettbieten zwischen den zahlungskräftigen Clubs aus der Premier League. All diese Stereotypen müssen jedoch nicht zwangsläufig auf Vangelis Pavlidis zutreffen. Wer im Ruhrpott-Fußball verwurzelt ist, wird den Namen bestimmt schon mal vor ein paar Jahren gehört haben.

Pavlidis kam nämlich als 16-Jähriger in die Jugend des VfL Bochum, kickte zwischendurch für das Regionalliga-Team von Borussia Dortmund und durfte später ganze vier Einsätze für den VfL in der 2. Bundesliga absolvieren. Ein Tor gelang ihm nicht, eine weitere Zukunft im Ruhrstadion wurde ihm verwehrt. Deshalb wählte Pavlidis, der gebürtig aus Thessaloniki stammt, wie so manche Profis im Westen der Bundesrepublik den Weg in die Niederlande. Dort stürmt Pavlidis mittlerweile seit 2019, zunächst für Willem II und ab 2021 für AZ.

Obwohl der griechische Nationalspieler bereits in der vergangenen Saison eine gute Quote verbuchen konnte und generell ansprechende Leistungen zeigte, lief er gerade außerhalb der Eredivisie weiterhin unterm Radar. Das hat sich mittlerweile geändert, denn der beidfüßig veranlage Stürmer hat es in dieser Saison bereits auf 32 Tore und vier Vorlagen in 44 Pflichtspielen gebracht.

Würde er in einer Top-5-Liga spielen, würden seine 28 Ligatore im Kampf um den Goldenen Schuh für den erfolgreichsten Torjäger Europas für Platz zwei hinter Bayerns Superstürmer Harry Kane reichen. So liegt er immerhin auf Platz sieben - als bester Spieler aus einer kleineren Liga.

Vangelis Pavlidis
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Vangelis Pavlidis: Ein Torjäger alter Schule

Kein Wunder, dass er schon mit größeren Klubs in Verbindung gebracht wird. Im Gespräch soll er etwa bei Borussia Mönchenglabdach, Eintracht Frankfurt und West Ham United sein. Und in den nächsten Wochen kommen sicherlich noch andere Kandidaten hinzu (das obligatorische Manchester-United-Gerücht ist in diesen Tagen nur eine Frage der Zeit.)

Von seiner Spielweise her ist Pavlidis auf den ersten Blick eher ein Torjäger alter Schule, dessen Brot-und-Butter-Geschäft darin besteht, die optimalen Positionen am und im Strafraum zu finden, um zu Torabschlüssen zu gelangen. Gerade die Positionierung für Flanken des Old School Knipsers führt des Öfteren dazu, dass er in die Lücken zwischen den zentralen Verteidigern des Gegners gelangt. Pavlidis ist im besten Sinne ein opportunistischer Stürmer, der vor allem erst einmal darauf schaut, dass er eine Chance erhält, den Ball aufs Tor zu bringen.

Allerdings betätigt er sich ähnlich wie zum Beispiel ein Niclas Füllkrug in dem, was die Engländer "Link-up Play" nennen - sprich, er fordert Pässe und hält den Ball im Mittelfeld, damit seine Mitspieler nachrücken können.

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Vangelis Pavlidis: Von Louis van Gaal geadelt

Trotz gewisser technischer Schwächen kann Pavlidis durchaus mehr als nur Tore zu machen. Als Trainerlegende Louis van Gaal 2022, damals noch Bondscoach, seinen ehemaligen Klub Alkmaar besuchte, adelte er den heute 25-jährigen Griechen zum "echten Louis-van-Gaal-Stürmer". Pavlidis könne dribbeln, flanken, annehmen, passen. Und: "Wenn ihr ihm den Ball gebt, dann trifft er", so Van Gaal.

In der Tat: Selbst wenn nicht jeder Kontakt astrein sein mag und er kein Hüne ist, schirmt Pavlidis gegen die Verteidiger in der Eredivisie oder Conference League den Ball meist sehr gut ab und hält so gerade das Umschaltspiel von AZ auf Trab. Übrigens sollte sich solch eine Fähigkeit auf die höherklassige Bundesliga übertragen lassen, wo Verteidiger im Rücken der Stürmer sowieso vorrangig den Raum blocken, als dass sie unbedingt einen Ballgewinn forcieren würden.

Es hat Pavlidis zuletzt sicherlich nicht unbedingt geholfen, dass AZ einen etwas unausgegorenen Fußball in dieser Saison spielte. Im Januar musste Pascal Jansen nach über drei Jahren Amtszeit den Cheftrainerposten räumen und er wurde von seinem kurzzeitigen Assistenten Maarten Martens ersetzt.

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Vangelis Pavlidis: Wechsel im Sommer wahrscheinlich

Da das Offensivspiel nicht immer ausgereift wirkt und deshalb das Team aus Alkmaar einen etwas trägen Ballbesitzfußball praktiziert, hängt viel am Instinkt von Dani de Wit und anderen Offensivspielern ab. Zwei Spieltage vor Schluss ist der vierte Platz der Eredivisie, der zur Europa-League-Quali berechtigt. jedoch bereits sicher. Platz drei, der zur Qualifikation für die neue Champions League berechtigen würde, ist noch machbar.

Ein Wechsel von Pavlidis ist jedoch angesichts der dennoch eher begrenzten Perspektive bei AZ das wahrscheinlichste Szenario im Sommer. Dabei ist eine Rückkehr nach Deutschland gewiss denkbar, zumal er bereits als jüngerer Spieler insgesamt vier Jahre hierzulande verbrachte. Zwar stellt sich in dem Kontext automatisch die Frage, weshalb es Pavlidis nicht direkt in Bochum oder anderswo schaffte.

Jedoch: Karrierewege wie jener von Deniz Undav, der 2020 noch beim SV Meppen in der dritten Liga spielte und sich über Stationen in der belgischen zweiten Liga und Brighton bis zum VfB Stuttgart und in die deutsche Nationalmannschaft spielte, sollten Spielern nicht negativ angelastet werden. Denn sie zeigen mehr als lineare Erfolgsstorys, dass ein Spieler an sich und seine Fähigkeiten glaubte und bereit war, eine mögliche Komfortzone zu verlassen. Das fällt nicht jedem Nachwuchskicker aus einer etablierten Jugendakademie leicht.

Vangelis Pavlidis
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Vangelis Pavlidis in Bochum "unter Gegnerdruck noch nicht so weit"

Pavlidis wurde, so zum Beispiel die Meinung des Ex-Bochum-Coaches Thomas Reis, während seiner Zeit in Deutschland die mangelnde Perspektive und damit verbundene Spielpraxis im Männerbereich zum Verhängnis. Bochum besaß damals keine zweite Mannschaft mehr, in der sich Pavlidis hätte anbieten und im ersten Schritt nach der U19 weiterentwickeln können. Der Sprung direkt aus der A-Junioren-Bundesliga ist andernfalls enorm und führt zu einem teils radikalen Aussieben.

Teilweise fallen einige Spieler auf verschwenderische Weise durch das Sieb - oder es mangelt an gewissen Kleinigkeiten, um die sportlich Verantwortlichen zu überzeugen. "Körperlich war er in Bochum schon sehr weit", sagte Jan Siewert, Pavlidis' einstiger Trainer bei der U19 von Bochum und der zweiten Mannschaft des BVB dem Fußballportal 90PLUS. "Vielleicht war er jedoch technisch unter Gegnerdruck noch nicht so weit, um im Profifußball sofort Fuß zu fassen. Im Hinblick auf die Anwendung der Technik unter Druck, die Ruhe und Präzision im Abschluss sowie die torgefährlichen Laufwege hat er in Holland einen weiteren Schritt gemacht."

Gewiss war der Gang in die Eredivisie ein richtiger - auch weil es das niederländische Oberhaus Stürmern etwas leichter macht, an kleineren technischen Schwächen zu arbeiten. Das Mittelfeld- und Abwehrpressing der Mehrheit der Teams ist meist nicht so intensiv, als dass ein Stürmer aufgrund eines schwächeren ersten Kontakts stets direkt den Ball verlieren würde.

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