Ronaldinho traute ihm den Ballon d'Or zu: Wie der ehemals teuerste Spieler der Welt sein Talent verschleuderte

Von Mark Doyle und Falko Blöding
Paul Pogba verdient künftig nur noch 2.000 Euro im Monat.
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Schlagzeilen hat Paul Pogba häufig produziert, mit seinen fußballerischen Leistungen hatte das aber immer weniger zu tun. Nun wird er wegen Dopings für vier Jahre gesperrt. Der frühere Weltmeister steht vor einem Scherbenhaufen.

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Im Hollywood-Meisterwerk "In den Straßen der Bronx" mit Superstar Robert De Niro kommt der junge Protagonist Calogero 'C' Anello irgendwann zu einer wichtigen Erkenntnis. Sie lautet: "Die traurigste Sache im Leben ist verschwendetes Talent. Und die Entscheidungen, die du triffst, werden dein Leben für immer prägen."

Paul Pogba und seine Karriere sind die perfekte Fallstudie für Anellos Ausspruch. Der Franzose war einst der teuerste Fußballer der Welt. Er hätte auch der beste werden sollen. Italiens Ikone Gianluigi Buffon meinte einmal, dieser Mittelfeldspieler hätte ihn mit seiner Mischung aus imposantem Körperbau und unverschämt guter Technik "mit offenem Mund" zurückgelassen. Ronaldinho nannte ihn als möglichen Nachfolger beim Ballon d'Or.

Stattdessen steht Pogba im Alter von 30 Jahren vor einem Scherbenhaufen. Seine Karriere war durch Verletzungen und Disziplinlosigkeiten ohnehin ins Stocken geraten, nun dürfte sie angesichts seiner heftigen Dopingsperre beendet sein.

Paul Pogba, Juventus Turin
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Paul Pogbas Zeit an der Spitze ist vorbei

Die Nachricht von den vier Jahren Sperre Pogbas am Donnerstag bringt vor allem ein Gefühl der Traurigkeit bei denen mit sich, die seinen Weg in den letzten Jahren verfolgt haben.

Einer der begabtesten Spieler des Fußballs wird vielleicht nie wieder auf höchstem Niveau spielen - und selbst wenn er es tut, wird er ziemlich sicher kaum mehr das Level erreichen, auf dem er in seinen ersten Jahren bei Juventus und regelmäßig in der französischen Nationalmannschaft auftrumpfte.

Für seinen Noch-Arbeitgeber bringt das Urteil Gewissheit und auch Erleichterung. Bei den Bianconeri gab es schon vor der positiven Dopingprobe aus dem vergangenen Herbst erhebliche Zweifel an dem Superstar, nun lässt sich sein Vertrag bequem auflösen und eine Menge Gehalt dauerhaft einsparen.

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Paul Pogba: Der Anfang vom Ende

Im Sommer 2022 sah das noch ganz anders aus. Juventus feierte Pogbas Rückkehr. Zum zweiten Mal wechselte der Stratege ablösefrei nach Turin, mit ihm sollte der Titel in der Champions League angegriffen werden. Pogba sah den Wechsel nach zähen Jahren bei Manchester United als Homecoming und Neuanfang.

In die Euphorie nach dem vermeintlichen Coup mischten sich aber immer mehr Zweifel. Pogba hatte Verletzungsprobleme, die ihn hartnäckig behinderten. Nicht wenige Experten sind der Meinung, Pogba habe sich seine Blessuren zu einem erheblichen Grad selbst zuzuschreiben.

In einem verzweifelten - und vergeblichen - Versuch, es trotz eines langen Ausfalls noch in Frankreichs Kader für die Weltmeisterschaft 2022 zu schaffen, entschied er sich Anfang August 2022 gegen eine Knieoperation. Eine verheerende Entscheidung! Die "konservative Therapie", die er stattdessen wählte, fruchtete nicht und bewirkte am Ende nichts anderes als eine Hinauszögerung der erforderlichen OP - und eine Verlängerung seiner Genesungszeit.

Juve-Trainer Massimiliano Allegri unterstützte Pogba in der Öffentlichkeit weiterhin, doch seine Frustration war offensichtlich. Auch die Fans waren kaum zufrieden. Bis Weihnachten hatte Pogba immer noch nicht sein "zweites Debüt" für Juventus gegeben und fühlte sich dennoch genötigt, über die Feiertage ein Bild von sich auf einer Skipiste zu posten.

Das war bestenfalls unklug, schlimmstenfalls dreist. In den Augen der Fans schrie es jedoch nach mangelndem Respekt - eines der dominierenden Themen in Pogbas Karriere.

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Sir Alex Ferguson über Paul Pogba: "Ich glaube, er hat uns keinen Respekt entgegengebracht"

2012 zog sich Pogba mit seinem Abgang von Manchester United und seinem Verhalten rund um den Transfer den Unmut von Trainerlegende Sir Alex Ferguson zu.

Fairerweise muss man konstatieren: Das lag zum Teil auch an Pogbas mittlerweile verstorbenem Berater Mino Raiola, den Ferguson verachtete. Der Schotte gab zu, dass die beiden wie "Wasser und Öl" waren und sich auf Anhieb nicht leiden konnten. In diesem Sinne war eine Trennung vielleicht unvermeidlich.

Ferguson war dafür bekannt, dass er einen väterlichen Einfluss auf seine Spieler ausübte, was bei Raiola, der über ein großes Talent mit einem auslaufenden Vertrag verfügte, nie funktionieren würde. Es gab mehr Geld zu verdienen, wenn er einen neuen Verein für seinen begehrten Klienten fand.

Ferguson schimpfte später über das damalige Supertalent: "Ich glaube, er hat uns überhaupt keinen Respekt entgegengebracht, um ehrlich zu sein."

Pogba war damals erst 19 Jahre alt, aber solche Anschuldigungen bedeuteten nichts Neues. Bereits bei seinen Ex-Klubs Torcy und Le Havre war er im Unfrieden gegangen.

Paul Pogba, Ole-Gunnar Solskjaer, Manchester United FC
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Paul Pogba: Probleme mit José Mourinho, Verständnis von Ole Gunnar Solskjaer

Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein junger Spieler für einen anderen Verein auflaufen möchte. Es mag sein, dass weitere Jahre unter Ferguson Pogba zumindest nicht geschadet hätten. Aber so prächtig, wie er sich zwischen 2012 und 2016 bei Juventus entwickelte, war der Wechsel gewiss kein Fehler. Der Fehler passierte erst, als er nach der EM in seiner Heimat für die damalige Weltrekordablöse von 105 Millionen Euro ins Old Trafford zurückkehrte.

In Pogbas Augen mag es der richtige Schritt gewesen sein, aber es war der falsche Zeitpunkt.

Erstens war Juve immer noch auf dem Vormarsch. Die Alte Dame erreichte das Champions-League-Finale 2017 auch ohne ihn. Wer weiß, ob das Finale in Cardiff gegen Real Madrid (1:4) mit einem Pogba in der Zentrale erfolgreicher verlaufen wäre?

Zweitens kehrte Pogba nicht zu Fergusons United zurück, sondern zu einem Klub, dessen Profis nun von José Mourinho trainiert wurden. Obwohl der Portugiese Pogba während ihrer ersten gemeinsamen Saison öffentlich unterstützte, verschlechterte sich die Beziehung der beiden 2018 rapide und trug schließlich zur Entlassung von The Special One im Dezember desselben Jahres bei.

Unter Mourinhos weit weniger autoritärem Nachfolger Ole Gunnar Solskjaer sah es für kurze Zeit so aus, als ob Pogba sein Potenzial mit etwas Verspätung doch noch ausschöpfen würde. Der Norweger behauptete sogar: "Es gibt eine Kampagne gegen Paul, aber er ist ein ganz, ganz toller Kerl. Er ist ein großer Profi, es hat nie Probleme gegeben und er hat ein Herz aus Gold."

Während Pogbas Leistungen eine zeitlang okay waren, brodelte ständig die Gerüchteküche. Spekulationen um Transfers, das Gerede von der Suche nach neuen Herausforderungen, grenzwertige Posts bei Social Media und vieles mehr ... Wirklich Ruhe kehrte um den Rechtsfuß nicht ein, eher wirkte er wie der Hauptdarsteller seiner eigenen Soap.

Paul Pogba
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Ronaldinho lag bei Paul Pogba falsch

Mit dem heutigen Wissen dürften es Uniteds Offizielle bereuen, dass sie ihren wertvollsten Spieler 2019 nicht verkauften. Denn von da an sank dessen Marktwert stetig.

Pogba mag in den sozialen Medien ein Superstar geblieben sein, aber auf dem Spielfeld entwickelte er sich zum Flop. Selbst wenn er fit war - was selten lange der Fall war - war er ein billiger Abklatsch des Spielers, der so oft im französischen Trikot aufblühte. Premier-League-Legenden wie Roy Keane und Patrick Vieira wunderten sich mehr als einmal über die Diskrepanz in Pogbas Leistungen für Verein und Équipe tricolore. Damit widersprach er auch Ronaldinhos Prognose, Pogba sei so gut, dass er "überall" spielen könne.

Wie schon bei Juventus lief Pogba für Frankreich in der Regel auf der linken Seite des zentralen Mittelfelds auf, wo ihm Abräumer wie N'Golo Kanté zur Seite standen. In Old Trafford hatte er nicht annähernd die gleiche Unterstützung und zeigte sich völlig unfähig, seine Mitspieler zu inspirieren. Es war offensichtlich, dass er kein Anführer war.

Man kann argumentieren, dass er unter dem ständigen Chaos, das nach Fergusons Rücktritt in Old Trafford herrschte, stärker litt als die meisten anderen. So wurde Pogba zum Sinnbild für die Probleme der Red Devils: Er war die größte Geldverschwendung, der Instagram-Influencer, der nur Stil und null Substanz hatte. Entsprechend war er am Ende bei den Fans eine Persona non grata.

Paul Pogba verdient künftig nur noch 2.000 Euro im Monat.
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Pogbas Botschaft an seine Kritiker: "Sie sollen ihre Worte fressen"

Als sein Vertrag bei United auslief, blieb das Wettbieten der europäischen Schwergewichte aus, was ja auch Bände spricht. Also ging es zurück zu Juve, inklusive großer Versprechungen und erwähnter Verletzungsprobleme.

Schon im Dezember 2022 war die Rede davon, dass Juve Pogbas Vertrag wegen dessen langen Ausfalls gerne neu verhandeln würde. Nach einer kurzen Phase der Verfügbarkeit wurde er von Allegri für das Europa-League-Spiel gegen Freiburg aus dem Kader gestrichen, weil er zu spät zu einer Mannschaftssitzung erschienen war.

Zu diesem Zeitpunkt wich das Mitleid bereits der Verzweiflung. Pogba schien weder körperlich noch geistig den Anforderungen des Profifußballs gewachsen zu sein - eine Erkenntnis, die ihn verständlicherweise verärgerte.

"Ich möchte die Kritiker dazu bringen. Sie sollen ihre Worte fressen", sagte er im September gegenüber Al Jazeera. "Sie können schlecht über mich reden, aber ich werde niemals aufgeben. Ich will ihnen zeigen, dass ich nicht schwach bin."

Weiter meinte der Weltmeister von 2018: "Fußball ist sehr schön, aber er ist gleichzeitig auch grausam. Die Leute können dich vergessen. Du kannst etwas Großartiges leisten - am nächsten Tag bist du ein Niemand."

Pogba wird jedoch nie ein 'Niemand' sein. Nicht zuletzt, weil am Tag nach der Ausstrahlung dieses Interviews bekannt wurde, dass er einen Dopingtest nicht bestanden hat.

Schon aus diesem Grund wird Pogba nicht in Vergessenheit geraten. Er ist nun endgültig dazu bestimmt, als eine der traurigsten Figuren des Fußballs in die Geschichte einzugehen. Als warnendes Beispiel für die Folgen schlechter Entscheidungen und verschleudertes Talent.