Christian Ziege im Interview: "Ich habe den Hörer gleich meinem Vater gegeben"

Von Jonas Rütten
Christian Ziege spielte in seiner Karriere für den FC Bayern, Tottenham Hotspur, den FC Liverpool und den AC Mailand
© getty

Von München über Mailand auf die Insel und zurück: Mehr als 15 Jahre tourte Christian Ziege durch die Metropolen Fußball-Europas. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere ist er nun Fußballehrer und seit kurzem neuer Trainer in Thailand. Im Interview spricht Ziege über Telefonstreiche, seine spektakuläre WM-Frisur, die schönste Zeit seiner Karriere und die Verletzung, die ihn fast das Leben gekostet hätte.

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SPOX: Herr Ziege, eine kleine Quiz-Frage zum Einstieg: Wie nennt man eine halbhohe Flanke ins Nichts?

Ziege: Keine Ahnung.

SPOX: 11Freunde gab einer solchen Hereingabe den Beinamen "Christian-Ziege-Gedächtnisflanke" und hat gerätselt, ob Sie wüssten, dass Sie dadurch auf Fußballplätzen in Deutschland immer noch präsent seien.

Ziege (lacht): Nein, das wusste ich nicht. Aber so ist das, wenn du als Profi in der Öffentlichkeit gestanden hast. Wenn den Leuten das Spaß macht, sollen sie es weiterhin so nennen. Ich habe damit kein Problem.

SPOX: In der Öffentlichkeit standen Sie zum ersten Mal, als Sie 17 Jahre alt waren und noch bei Hertha Zehlendorf spielten. Ein Anruf von Uli Hoeneß und Ihr Leben änderte sich schlagartig. Stimmt es eigentlich, dass Sie sich am Telefon als jemand anderes ausgegeben haben?

Ziege (lacht): Ja.

SPOX: Wie haben Sie sich Hoeneß vorgestellt?

Ziege: Zu der Zeit habe ich mich entweder als Carl Lewis oder Ben Johnson gemeldet. Bei diesem Anruf war es Carl Lewis.

SPOX: Warum gerade diese beiden Namen?

Ziege: Einfach so, das hatte keinen bestimmten Hintergrund. Ich fand das damals einfach witzig. Aber dann war eben Uli Hoeneß auf der anderen Seite.

SPOX: Und das war dann nicht mehr ganz so witzig?

Ziege: Ich habe den Hörer gleich meinem Vater gegeben, weil ich nicht mehr reden konnte. Ich war einfach völlig perplex.

SPOX: Aus einem Gespräch, das mit einem Telefonstreich begann, wurde eine ziemlich erfolgreiche Zusammenarbeit: Stammspieler, 46 Tore in 227 Spielen, UEFA-Cup-Sieger, Europameister. Waren die sieben Jahre beim FC Bayern Ihre beste Zeit?

Ziege: Es war schon eine super Zeit. Bei Bayern München zu spielen schaffen nicht viele. Ich habe aber gerade die Zeit in England sehr genossen, auch wenn es da nicht so einfach für mich war. Nehmen wir zum Beispiel mein Engagement beim FC Liverpool: Da habe ich wenig gespielt, es war aber trotzdem richtig schön.

SPOX: Denken Sie da vor allem an die Stimmung?

Ziege: Nicht unbedingt. Die Stimmung in europäischen Stadien ist komplett unterschiedlich. Englische Stadien sind immer voll, da ist immer Stimmung. Aber du hast halt nicht die Ultras wie in Italien oder Deutschland, die zum Teil eine ganz andere Atmosphäre verbreiten. Zu meiner Zeit in Italien waren die Stadien zwar noch besser gefüllt, aber da war es stimmungsmäßig entweder ganz oder gar nicht.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Ziege: Wenn du gewonnen hast, warst du der Beste und wenn du verloren hast, warst du der Schlechteste. Dazwischen gab es nichts. Das hatte alles seinen Reiz, aber ich muss schon zugegeben: In der Premier League, da hast du Spaß.

SPOX: Im Rückblick auf Ihre Karriere haben Sie über Hoeneß einmal gesagt, dass er Sie in Ihrem Leben nach Ihrer Mutter am meisten geprägt habe. Inwiefern?

Ziege: Das lag an seiner Art und wie er mit vielen Dingen umgegangen ist. Er hat sich immer vor uns Spieler gestellt und man musste sich vor ihm nicht verstellen. Man konnte offen seine Meinung vertreten und mit ihm diskutieren. Er war nie nachtragend. Wenn man ein Problem hatte, konnte man immer zu ihm kommen. Sowohl als Spieler, als auch in der Zeit danach. Das hat mich unglaublich geprägt.

SPOX: Wieso ging Ihre Zeit beim Rekordmeister dann so plötzlich vorbei, wenn es persönlich und sportlich doch so gut gepasst hat?

Ziege: Ich habe mir immer gesagt, wenn ich mal gut genug bin, will ich ins Ausland gehen. Die Möglichkeit kam dann durch den AC Milan. Das war bestimmt keine leichte Entscheidung, aber ich wollte diese Herausforderung. Unter dem Strich wollte ich ein anderes Leben und auch Dinge über mich selbst herausfinden.

SPOX: Welche Dinge?

Ziege: Im Nachhinein wollte ich wohl herausfinden, ob ich das alles hinbekomme oder nicht. Eine neue Liga, eine neue Sprache und alles, was damit zusammenhängt.

SPOX: Was mit Ihrer Karriere oft in Zusammenhang gebracht wird, ist der Europameister-Titel 1996. Sie standen aber auch im UEFA-Cup-Finale 1996 und im WM-Endspiel 2002. Welches war für Sie das größte Spiel?

Ziege: Mit Sicherheit das EM-Finale.

SPOX: Warum?

Ziege: Ganz einfach: Weil wir es gewonnen haben. Bei der Europameisterschaft hast du dieses Happy End dabei, an das du dich gerne zurückerinnerst und sagst: Wow! Was für ein Turnier, was für ein Sieg! Dass du bei einer Weltmeisterschaft im Finale stehen darfst, ist natürlich auch etwas ganz Großes. Aber ich habe einfach noch den negativen Eindruck, dass wir es verloren haben. Das bleibt haften.

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