Wie ein auf der Flucht erschossener Ausbrecher

Von SPOX
Ein Meister der Theatralik: Liverpools Luis Suarez
© Getty

Luis Suarez wird wohl nie wieder einen Elfer bekommen - aus gutem Grund. Außerdem: Juve-Fans wünschen Zeman den Tod, Jose Mourinho sogar (fast) ganz Katalonien. Außerdem: Neue Enthüllungen zu Liverpools Toilettenbrillen-Dieb. Die Blitzlichter aus Europa, zusammengetragen von unseren Korrespondenten vor Ort.

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Serie A

von Oliver Birkner

Spiel des Spieltags: Und weiter geht's in die 45. Runde auf dem jauchzenden Juve-Karussell. Beim beeindruckenden 4:1 über die Roma gelangen den Turinern drei Treffer in acht Minuten, kurz darauf folgten noch zwei Lattenschüsse, die gesamte Viererkette der Gäste hatte schon Gelb gesehen, bevor eine halbe Stunde rum war, Alessandro Matri avancierte zum bereits neunten Torschützen im unberechenbaren Kader (in der Vorsaison bilanzierte der Klub deren 20!) und wenn sich wie beim letzten Tor nun auch noch Andrea Barzagli zu einem Assist erdreistet, wird es für die Konkurrenz in der Tat eng. 45 Ligaspiele in Serie ungeschlagen - die Turiner müssen national derzeit kaum Gegner fürchten. Freilich wurde der Abend für die Tifosi abgerundet, Juve-Kritiker und persona non grata Zdenek Zeman eine Lektion erteilt zu haben. Der gebürtige Prager steht bekanntlich für sein Offensiv-Opus "Zemanlandia", erlebte jedoch einen bitteren Ausflug ins Juveland. Aber ihm von den Rängen den Tod zu wünschen, seine Mutter als Prostituierte und ihn als Zigeuner zu titulieren, naja. Da hätte man sich eventuell etwas Süffisanteres einfallen lassen können. Davon habe er nichts mitbekommen, blieb Zeman gelassen, wollte aber zumindest auf die Kritik aus dem Hause Juventus eingehen, er sei für diesen Job mittlerweile zu alt: "Staatspräsident Napolitano und der Papst sind älter als ich und erledigen trotzdem ihre Arbeit." Die müssen zu ihrem Glück allerdings auch nicht gegen Juve spielen.

Spieler des Spieltags: Wenn schon den ersten Saisonsieg, dann aber bitte mit Champagner. Dachte sich Fabrizio Miccoli und steuerte zum ersten Hurra von Palermo (4:1 gegen Chievo) eine Vorlage und drei Tore bei. Eines davon per Volleyschuss aus 41,2 Metern. Langweilig und Miccoli gibt es ja ohnehin nicht. Wegen Statur (1,68 und 73kg) und reichlich Toren erhielt er den Beinamen Romario aus Salento, Stiefelabsatz Italiens und Miccolis Geburtsregion. Einen seiner Treffer für Palermo feierte er einmal mit der Maske seines Lieblings-Wrestlers Rey Mysterio. Sänger Shaggy widmete ihm den Song "Fly High", der Stürmer ist zudem Mitglied der Kommunistischen Arbeiterpartei, Designer eines Citroen DS3 und Ehrenbürger des sizilianischen Städtchens Corleone - dafür ließ er sich einen Revolver auf den Arm tätowieren. Für 25.000 Euro löste er 2010 den vom Fiskus konfiszierten Maradona-Ohrring aus und will ihn seinem Idol demnächst persönlich zurückgeben. Schöner als Miccoli am Sonntag hätte es Diego wohl auch nicht gemacht.

Und sonst? Das zugegebene Handspiel von Miroslav Klose beim daraufhin annullierten Treffer in Neapel fand nicht überall Zustimmung in Italien. "Diese Seligsprechung ging mir ein wenig auf den Geist", sagte Siena-Coach Serse Cosmi nach der 1:2-Niederlage bei Lazio. "Eigentlich hätte Klose Gelb-Rot sehen müssen, denn beim Elfer gegen uns hat er sich gerissen fallenlassen - auch darin ist er ein absoluter Champion." Als Champion des Rückpasses outete sich zudem Sienas Simone Vergassola, der die Szene zum übrigens berechtigten Strafstoß in völliger Umnachtung einleitete. Doch das ging an Cosmi offenbar vorbei.

 

Premier League

von Raphael Honigstein

Spiel des Spieltags: Manchester United - Tottenham 2:3. Für die Spurs war es der erste Sieg seit Dezember 1989, für United eine Heimniederlage, die Zweifel am Mittelfeld aufkommen lässt. In der ersten Hälfte ließen Paul Scholes und Michael Carrick so viele Löcher, dass Moussa Dembele und Co mit einem Güterzug hätten durchfahren können. Killer-Statistik: Ryan Giggs gelangen in 45 Minuten fünf - fünf! - Pässe. Ein Sturmlauf der Hausherren nach dem Wechsel hätte fast noch ein Unentschieden gebracht. Robin van Persie vergab eine Riesenchance, Alex Ferguson schob die Schuld, welch Überraschung, aber an die Schiedsrichter weiter. "Das ist die größte Beleidigung überhaupt, dass nur vier Minuten nachgespielt wurden", beschwerte sich Sir Alex. Gut, dass er nicht in der "Wir pfeifen pünktlich ab, koste es, was es wolle"-Bundesliga antreten muss.

Spieler des Spieltags: Luis Suarez erzielte beim 5:2-Auswärtssieg in Norwich einen feinen Hattrick. Liverpool-Trainer Brendan Rodgers war trotzdem nicht glücklich: Suarez wurde schon wieder ein glasklarer Elfmeter verweigert. "Ich habe Angst, dass er nie mehr einen Strafstoß bekommt", sagte der Nordire, etwas überdramatisch. Vielleicht würde es helfen, wenn der Urugayer beim nächsten Foul im Sechzehner ganz einfach hinfällt, ohne den Hals zu verdrehen und die Arme wie ein auf der Flucht erschossener Ausbrecher in die Luft zu werfen.

Und sonst? Arsenal bekam beim 1:2 gegen Chelseas Flachpass-Truppe ironischerweise zwei billige Freistoßtore. Hinterher ließ sich John Terry feiern, einen Treffer konnten die Nord-Londoner nur vor dem Anpfiff landen: Gunnersaurus, das Maskottchen, verweigerte dem Kapitän der Blauen demonstrativ den Handschlag. Bessere Nachrichten gab es in Newcastle, wo Alan Pardew einen weltrekordverdächtigen Acht-Jahres-Vertrag als Trainer unterschreiben durfte. Was sich Klubchef Mike Ashley dabei bloß wieder dachte? Abschließend lohnt sich noch ein Blick an die Mersey. Die Fernsehdokumentation "Being Liverpool" förderte Erstaunlinches zu Tage. "Glen Johnson spielt gerne Streiche", erzählte Teamdoc Zafar Iqbal. "Er klopft an Türen und läuft dann weg. Ich fand das auch lustig, als ich acht Jahre alt war." Spaßvogel Johnson, wir erinnern uns, ist 28. Und der Mann, der vor ein paar Jahren in einem Baumarkt einen Toilettenbrille mitgehen ließ.

Primera Division

von Paula Villamarin Temperan

Spiel des Spieltags: Mit den spanischen Medien hat man es nicht leicht. Wer sich über die Schiedsrichter-Schelte hiesiger Journalisten ärgert, der sollte sich mal durch den iberischen Blätterwald wühlen. Dort werden noch während des Spiels in einzelnen Artikeln die Leistungen der Referees zerpflückt und auf jeden größeren Fehler hingewiesen - selbstverständlich mit der jeweiligen Vereins-Brille auf der Nase. Die Partie Sevilla gegen Barca lieferte dafür ordentlich Stoff. Beispiel gefällig? Gary Medel neigte seine Stirn in der 72. Minute ein bisschen zu steil ins Gesicht von Cesc Fabregas, der fiel und Referee Mateu Lahoz schickte den Sevillaner vom Platz. Ein Unding, findet die Real-freundliche Sportzeitung "AS" und kramte in den Archiven. Da, anno 2010, im April, da war doch was! Damals hatte Yaya Toure einem gewissen Javi Martinez einen ähnlich halbgaren Kopfstoß verpasst, doch da gab es nur Gelb - für beide! Und das ist übrigens nur einer von drei Artikeln auf der Startseite der"AS", die die Schiedsrichter-Leistung von Lahoz thematisieren...

Spieler des Spieltags: Barcelonas Last-Minute-Sieg war spektakulär, zugegeben. CR7 hat seine Scorer-Bilanz mal wieder frech aufpoliert, mag sein. Aber was Aufsteiger Real Valladolid mit Rayo Vallecano veranstaltet hat, war noch beeindruckender. Real lag nach fünf Minuten bereits mit 0:1 hinten - doch dre Weckruf verfehlte seine Wirkung nicht. Noch in der ersten Halbzeit war die Partie gelaufen, 4:1, Vallecano lag am Boden. Am Ende schenkte Valladolid den Gästen ein halbes Dutzend ein, in der gesamten bisherigen Liga-Saison hatte es gerade einmal für die Hälfte davon gereicht. Den Titel "Spieler des Spieltags" verdient sich in diesem Fall allerdings der Coach von Vallecano. Denn während andere Trainer ihrem Team nach einer solch desolaten Vorstellung ein Armutszeugnis ausstellen, nahm Paco Jemez alle Schuld auf sich: "Die Spieler gehen auf dem Platz, um das zu machen, was ich ihnen sage. Sie tragen keinerlei Verantwortung. Ich habe mich schwerwiegend verschätzt. Es tut mir Leid für sie." Hintergrund: Jemez hatte sein Team erstmals in dieser Saison mit Dreierkette auflaufen lassen. Experiment fehlgeschlagen.

Und sonst? Sie nannten ihn "El Pistolero", in den 90ern war Christo Stoitschkow eine Institution beim FC Barcelona. Sieben Spielzeiten knipste der Bulgare für Barca, in 177 Liga-Partien insgesamt 83 Mal. In seinen letzten zwei Jahren bei der Blaugrana saß auf der Trainerbank ein Mann, der sich heutzutage nur selten positiv über Barcelona äußert: Jose Mourinho, damaliger Co-Trainer unter Louis van Gaal. Seit den gemeinsamen Jahren pflegen Mourinho und Stoitschkow eine gute Beziehung, nun plauderte Letzterer aus dem Nähkästchen. "Sport.es" zitiert ihn mit den Worten: "Mou hat mir einmal gesagt, ich wäre der einzige in Katalonien, den er nicht tot sehen wollen würde." Eine charmante Steilvorlage für die Psychospielchen zum anstehenden Clasico...

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