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Vom Krieger zum Häuptling

Von Daniel Börlein
Arturo Vidal hat in dieser Bundesliga-Saison bereits vier Treffer erzielt
© Getty

Arturo Vidal spielt derzeit seine beste Saison, seit er in Leverkusen ist. Dennoch ist der Chilene öffentlich nur eine Randfigur. In seiner Heimat ist das ganz anders, dort ist der 23-Jährige ein Star - auch, weil er eine bewegte Vergangenheit hat.

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Vor ein paar Tagen bekam Mario Gomez Post von Arturo Vidal. Der Leverkusener hatte ein kleines Päckchen zurechtgemacht, ein handsigniertes Trikot hineingelegt, dazu eine kurze Grußbotschaft formuliert und an Gomez adressiert.

An Mario Gomez, den Bergarbeiter aus Chile, der nach einem Grubenunglück wochenlang in 700 Meter Tiefe gefangen war, Mitte Oktober aber schließlich zusammen mit seinen 32 Kollegen in einer spektakulären Aktion gerettet werden konnte.

Vidal : "Wir sind ein starkes Volk"

"Ich war sehr gerührt. Als der erste Bergmann wieder an die Oberfläche kam, hatte ich ein paar Freudentränen in den Augen", sagte Vidal, der täglich mit seinen Landsleuten mitfühlte und allen Geretteten ein unterschriebenes Trikot als Zeichen der Anteilnahme und Freude schickte.

"Die Rettung grenzt an ein Wunder, aber wir sind ein starkes Volk. Unsere Lebensfreude zeichnet uns aus", sagte Vidal. Der 23-Jährige ist stolz auf sein Heimatland und pflegt noch immer einen ganz engen Kontakt nach Chile, auch wenn er mittlerweile seit über drei Jahren in Deutschland lebt.

Keine Anlaufzeit

Im Sommer 2007 wechselte Vidal für 5,6 Millionen Euro von CSD Colo-Colo zu Bayer Leverkusen, in ein fremdes Land, mit gerade mal 20 Jahren und ohne auch nur ansatzweise die Sprache zu beherrschen.

Anlaufzeit benötigte Vidal dennoch nicht. Schon am zweiten Spieltag stand er in der Startelf, 32 weitere Pflichtspieleinsätze in seiner ersten Saison folgten. Schnell hatte er sich zurechtgefunden, integriert, einen Stammplatz erobert und ihn seitdem nicht mehr hergegeben.

Ob Michael Skibbe, Bruno Labbadia oder Jupp Heynckes - alle setzten auf Vidal, teilweise als Außenverteidiger, meist jedoch als Sechser im defensiven Mittelfeld. Genau für diese Position holte Bayer vor der Saison allerdings Michael Ballack, hinzu kam die Rückkehr des lange verletzten Kapitäns Simon Rolfes und Konkurrenz durch talentierte Spieler wie Lars Bender oder Stefan Reinartz. Für Vidal schien plötzlich kein Platz mehr zu sein.

Beste Saison bislang

Doch während Ballack mittlerweile erneut verletzt ausfällt, Rolfes noch Spielpraxis fehlt und Bender und Reinartz die Erwartungen nicht immer erfüllen konnten, spielt Vidal bislang die beste Saison seit er in Leverkusen ist.

Mit einer Ausnahme stand er in allen Bundesliga-Spielen in der Startelf, erzielte bereits vier Treffer und lieferte zwei Assists. Hinzu kommen zwei Tore im DFB-Pokal und einer in der Europa League. Beim "Kicker" ist Vidal aktuell mit Abstand notenbester Bayer-Feldspieler.

In Leverkusen nimmt man diese Fakten erfreut zur Kenntnis. In den kommenden Tagen soll Vidals Vertrag bis 2015 verlängert werden. "Wir sind uns einig", sagt Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser. "Arturo hat sich sehr positiv entwickelt."

Öffentlich nur Randfigur

Dabei hat sich Vidal nicht nur als Spieler entwickelt, sondern auch als Typ. Mittlerweile ist er einer der Anführer im Team, gibt auf dem Platz die Richtung vor und übernimmt - zum Beispiel als Elfmeterschütze - Verantwortung. Aus dem Krieger, wie sie ihn in Chile nennen, ist ein Häuptling geworden.

In der Öffentlichkeit ist Vidal dennoch nur eher eine Randfigur. Neben Leuten wie Ballack, Rolfes, Patrick Helmes, Sami Hyypiä oder Rene Adler geht er bisweilen unter - vielleicht auch, weil er noch immer kaum Deutsch spricht und deshalb nur selten in den Medien stattfindet.

In Chile ein Star

In Chile ist das ganz anders. Dort ist Vidal einer der Stars. 2007 war er maßgeblich am Gewinn der Bronzemedaille bei der U-20-Weltmeisterschaft beteiligt, im Sommer schaffte er mit der A-Nationalmannschaft in Südafrika immerhin den Einzug ins WM-Achtelfinale.

Vor einiger Zeit war er sogar eine der Hauptfiguren einer TV-Doku-Soap, in der sein Lebens- und Erfolgsweg nachgezeichnet wurde. Eine Geschichte, die viele Menschen bewegte: Als eines von sechs Kinder wächst Vidal in einem Slum in Santiago de Chile. An den Vater hat er keine Erinnerungen mehr. Die Mutter, eine Haushälterin, muss die Familie alleine ernähren.

Ein Jahr ohne Fußball

Der kleine Arturo kann vor allem eines richtig gut: Fußball spielen. Mit 13 holt ihn Colo-Colo ins Jugendinternat. Doch wegen Problemen mit seinem Spielerpass darf er zunächst ein Jahr lang nicht eingesetzt werden.

Nach der schier endlosen Zwangspause folgt dann der Durchbruch. Vidal zählt landesweit zu den Besten seines Jahrgangs. Mit 18 gibt er für Colo-Colo sein Erstliga-Debüt, holt mit dem Klub zweimal in Folge die chilenische Apertura-Meisterschaft und wechselt anschließend nach Deutschland.

Längst ist es Vidal, der die Familie ernährt. Seiner Mutter und den Geschwistern hat er durch seine Karriere ein besseres Leben ermöglicht. Er, der Krieger, der also auch abseits des Platzes zum Häuptling geworden ist.

Bayer und Vidal über Vertrag bis 2015 einig