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GESPONSERT VON

Ohne Panik vorbei am Gesindel

Von Thomas Gaber
Diego Forlan schoss Atletico Madrid mit wichtigen Toren ins Euroap-League-Finale
© Getty

Atletico Madrid spielte zuletzt vor 24 Jahren ein Europacup-Finale. Mit einem Sieg gegen den FC Fulham (20.30 Uhr im LIVE-TICKER, auf SAT.1 und SKY) können die Rojiblancos ein Jahrzehnte andauerndes Trauma besiegen - und einer gewagten Prophezeihung ein klein wenig gerecht werden.

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Es gibt Anekdoten en masse von Jesus Gil y Gil. Einiges ist unwahr, anderes schwer recherchierbar. Zum Beispiel der Vorwurf, der allmächtige Exzentriker habe als Bürgermeister des Nobel-Badeorts Marbella öffentliche Gelder veruntreut und sie in die Mannschaft von Atletico Madrid gepumpt.

Manche Anekdote stimmt aber. In der Pause eines Ligaspiels hat Gil y Gil einem Radioreporter leicht angetrunken ins Mikrophon gerülpst. Er hat wie Diego Maradona auf Journalisten mit dem Luftgewehr geschossen. Und er hat sich einen Flugzeugträger gekauft, schlicht und ergreifend deswegen, weil er noch keinen hatte.

Vorbei am Franco-Gesindel

16 Jahre lang war Gil y Gil Präsident von Atletico Madrid. 16 Jahre lang hat er versucht, das verhasste Real Madrid einzuschüchtern und den Königlichen den Rang in der Stadt abzulaufen.

1996 war Atletico mit dem Gewinn des Doubles in Spanien auf einem guten Weg. Für Gil y Gil stand fest, wer in Zukunft den Ton in Madrid angeben wird: "Es wird der Tag kommen, an dem Atletico de Madrid dieses Franco-Gesindel als Nummer eins ablöst." Die Parole eines Halbstarken. Was die sportlichen Erfolge angeht, ist Gil y Gils Prophezeiung keineswegs eingetreten. 2002 stiegen die Rojiblancos sogar in die Segunda Division ab.

Nach 16 Jahren an der Spitze des Vereins trat Gil y Gil 2003 mit der Begründung zurück, er habe es in seinem Leben mit so vielen Dilettanten zu tun gehabt und sei müde geworden, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Cerezo wirft mit Geld um sich

Sein Nachfolger Enrique Cerezo, ein Filmunternehmer und guter Freund von Gil y Gil, versuchte den Erfolg mit Millionentransfers zu erzwingen. Ein Minus von über 150 Millionen Euro steht seit 2003 in den Scheckbüchern von Atletico. 2007 wurde Fernando Torres für 38 Millionen Euro an den FC Liverpool veräußert. Das Geld wurde umgehend reinvestiert und 32 Millionen oben draufgelegt.

Champions League haben sie in dieser Saison endlich mal gespielt, die Rojiblancos. Mit Diego Forlan und Sergio Agüero haben sie zwei heiß begehrte Stürmer. Mit dem Vicente Calderon ein Kultstadion und die Fans zählen zu den besten in Spanien. Aber sie mussten viel leiden. Leiden gehört zum Leben eines Rojiblanco.

Acht Tage im Mai können vieles verändern. Atletico spielt am Abend im Europa-League-Finale in Hamburg gegen den FC Fulham und am 19. Mai in Barcelona das Finale des spanischen Königspokals gegen den FC Sevilla.

"Wir können Historisches schaffen", weiß Linksverteidiger Antonio Lopez. Seit 24 Jahren hat Atletico kein Europacup-Endspiel mehr erreicht. 1986 unterlag man im Pokalsiegerwettbewerb Dynamo Kiew mit 0:3. Cerezo erinnert sich mit Schrecken: "Ich habe das damals im Fernsehen gesehen. Atletico war die technisch bessere Mannschaft, aber Kiew hat die Jungs einfach in Grund und Boden gelaufen."

Drama auf dem Weg zum Finale

Das eigentliche Drama liegt aber noch ein paar Jahre mehr zurück. Am 15. Mai 1974 erzielte Luis Aragones in der 114. Minute das 1:0 im Landesmeistercup-Finale gegen Bayern München. Katsche Schwarzenbecks Strich über die Grasnarbe ins linke untere Eck Sekunden vor Abpfiff hat der Verein  nie überwunden. Unabhängig von der 0:4-Klatsche im Wiederholungsspiel zwei Tage später.

"Man wird ständig daran erinnert. Ich habe erst kürzlich mit Miguel Reina (damaliger Torwart von Atletico, d. Red.) gesprochen. Er hat mir alles Gute für das Finale gegen Fulham gewünscht. Wenn wir in Hamburg gewinnen, können wir vielleicht 1974 ein Stück weit vergessen machen. Am besten, wir gewinnen mit viel Dramatik", sagt Cerezo.

Damit kennt sich Atletico bestens aus in dieser Europa-League-Saison. Nach dem Aus in der Champions League wurde Galatasaray durch ein Last-Minute-Tor von Forlan im Rückspiel ausgeschaltet. Gegen Sporting Lissabon und Valencia kam man jeweils über die Auswärtstorregel weiter und in Liverpool war es erneut Forlan, der die Rojiblancos mit seinem Tor in der 103. Minute ins Finale schoss.

Flores: "Dürfen keine verrückten Dinge tun"

Trainer Quique Sanchez Flores will, dass seine Spieler "dieses Erlebnis genießen". "Wir müssen unserer Verantwortung gerecht werden und einen guten Job machen. Wir wissen, wie wichtig dieses Spiel für die Geschichte dieses Vereins ist. Aber wir werden keine verrückten Dinge tun, nur weil es ein Finale ist. Wir dürfen nicht in Panik geraten", sagte Flores.

Agüero hat wenig Bedenken, dass der Pott mit nach Madrid genommen wird. "Wenn wir so spielen, wie wir es an guten Tagen können, sollten wir keine Probleme bekommen. Wir müssen den gleichen Spirit an den Tag legen, der uns in dieses Finale gebracht hat", sagte der Argentinier.

Verzichten muss Atletico auf Stammtorhüter Sergio Asenjo, der sich im letzten Ligaspiel in Gijon einen Kreuzbandriss zuzog. "Wir werden beide Pokale für Sergio holen", versprach Flores.

Ganz nebenbei kann Atletico der Prophezeiung von Übervater Jesus Gil y Gil ein klein wenig gerecht werden. Real Madrid wird in dieser Saison aller Voraussicht keinen Titel gewinnen.

Atletico de Madrid 2, Real Madrid CF 0 - der Traum lebt.

Die voraussichtlichen Aufstellungen

Madrid: De Gea - Valera, Perea, Dominguez, Lopez - Raul Garcia, Assuncao, Reyes, Simao - Agüero, Forlan

Fulham: Schwarzer - Pantsil, Hangeland, Hughes, Konchesky - Duff, Etuhu, Murphy, Davies - Gera - Zamora (Dempsey)

Der Kader von Atletico Madrid