Löw pokert und fiebert "Ernstkampf" entgegen

SID
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© DPA

Ascona - Joachim Löw ist heiß auf den EM-Anpfiff, aber bei seiner Startelf gegen Polen pokert er eiskalt.

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Drei Tage vor dem vom Bundestrainer ersehnten "Ernstkampf" in Klagenfurt ließ er lediglich durchblicken, dass er ganz auf das erfahrene WM-Personal setzt, das schon vor zwei Jahren in Dortmund Polen 1:0 bezwungen und damit das Sommermärchen 2006 gestartet hatte.

Ein entspannt wirkender Löw verteilte in Tenero ein Extralob für die routinierten Stammkräfte Michael Ballack, Miroslav Klose, Christoph Metzelder und Torsten Frings. Nur einem der "Märchen-Helden" entzog der Leiter der "Bergtour 2008", die am 29. Juni in Wien mit dem vierten EM-Titel für die deutsche Nationalmannschaft enden soll, überraschend die Stammplatz-Garantie: Bastian Schweinsteiger dürfte gegen Polen plötzlich nur auf der Ersatzbank sitzen.

Applaus aus den eigenen Reihen

Der US-amerikanische Fitness-Spezialist Mark Verstegen machte das Team mit einem speziellen Programm nochmals besonders heiß auf das "Tag X". Unbeeindruckt von einigen Verbal-Attacken in der polnischen Boulevard-Presse, die deutlich unter die Gürtellinie zielten, konzentrierten sich die deutschen Akteure speziell auf Motivations- und Taktik-Schulungen, applaudierten sich immer wieder selbst.

"Ich glaube nicht, dass es repräsentativ ist, was eine Zeitung geschrieben hat", sagte Löw zu den geschmacklosen Berichten aus Polen und erinnerte an das Fest 2006 in Dortmund: "Da haben deutsche und polnische Fans zusammen die Spannung genossen."

Löw hat "hervorragenden Eindruck" 

Auch für die Neuauflage sagte der Bundestrainer 90 Minuten Spannung voraus: "Die polnische Mannschaft hat unter Trainer Leo Beenhakker Fortschritte gemacht und wird uns am Sonntag alles abverlangen." Doch der "hervorragende Eindruck", den die Mehrzahl seiner Spieler im Tessin hinterlässt, und der Reifeprozess der Mannschaft lassen Löws Optimismus von Tag zu Tag wachsen: "Ich spüre die Hartnäckigkeit der Spieler, etwas erreichen zu wollen."

Bei der WM vor zwei Jahren habe das Team noch viel von der Euphorie gelebt, danach aber mit mehr Ordnung gespielt: "Der Anschluss zur internationalen Spitze ist geringer geworden", meinte Verteidiger Philipp Lahm selbstbewusst. Aus der Startelf beim 1:0 während der WM 2006 gegen Polen werden höchstwahrscheinlich acht Spieler wieder auflaufen.

Training ohne Schweinsteiger im Mittelfeld 

Der 51-malige Nationalspieler Schweinsteiger vom FC Bayern dagegen muss sich wohl mit der für ihn - zumindest in der Nationalelf - ungewohnten Ersatzrolle anfreunden.

"Er hat bislang nicht seine allerbeste Form erreicht", erklärte Löw bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im Tessin. Schweinsteiger habe in der bisherigen EM-Vorbereitung zwar "gute Ansätze" gezeigt, sei im Training auch sehr fleißig und würde im Verlauf des Turniers "noch wichtig für uns werden", berichtete Löw. Doch schon beim 8:0 im geheimen Testspiel gegen eine U-18-Auswahl des Tessin probte der Bundestrainer Varianten ohne den Münchner in der ersten Mannschaft.

Fritz und Borowski können sich Hoffnungen machen

Damit könnte tatsächlich der gelernte Stürmer Lukas Podolski als zusätzliche Angriffs-Option im linken Mittelfeld zum Zuge kommen. Auf der rechten Seite wird neben dem Bremer Clemens Fritz auch wieder der Neu-Münchner Tim Borowski zur Alternative. Lahm verriet zumindest einige Trainingstests mit Fritz, Borowski und dem Einswechsler David Odonkor hinter den blicksicheren Zäunen des Trainings-Geländes.

Vorn kann sich Mario Gomez Hoffnungen auf den Platz neben Klose machen. Doch auch da pokert Löw, der sich noch nicht einmal auf seine Nummer 2 im Tor hinter Jens Lehmann festlegen wollte, weiter: "Die Entscheidung wird erst am Samstagabend fallen."

Löw lobt Klose

Schon jetzt können Löw und seine Spieler den Anpfiff im Wörtherseestadion kaum noch erwarten. "Wir freuen uns, dass es losgeht. Jeder gibt Gas", sagte Lahm. "Nach drei Wochen Vorbereitung möchten alle den Wettkampf, den Ernstkampf endlich erleben", beschrieb der Bundestrainer die Anspannung im DFB-Lager. Alle 23 Spieler hätten das Trainingsprogramm "vollumfänglich durchgezogen", berichtete Löw und signalisierte bei seinen bisherigen Problemfällen Metzelder, Klose und Gomez mehr als Entspannung.

"Miroslav Klose ist in einer hervorragenden körperlichen Verfassung, man spürt die Dynamik und Zielstrebigkeit", schwärmte der Chefcoach. Und auch bei Metzelder, der nach seiner Fuß-Operation besonders viel aufholen muss, beruhigte Löw: "Die zwei letzten Spiele hat Christoph gebraucht, um aus dem körperlichen Tal herauszukommen. Da sehe ich keine Probleme."

Ballack fordert Stabilität

Der Trainer weiß aber um die Bedeutung eines erfolgreichen Turnierstarts: "Es gibt keine Anlaufzeit."

Kapitän Ballack warnte bei allen positiven Nachrichten vor verfrühter Euphorie im Lager des DFB-Teams. "Die öffentliche Begeisterung darf uns nicht den Blick für die Realitäten nehmen", erklärte der 31-Jährige im "Kicker" und ergänzte: "Um überhaupt Mitfavorit zu sein, bedarf es einer unglaublichen Stabilität der Mannschaft. Da müssen alle Spieler an ihre Leistungsgrenze gehen."

Die voraussichtliche Aufstellung:

Lehmann - Lahm, Mertesacker, Metzelder, Jansen - Fritz, Frings, Ballack, Podolski - Klose, Gomez