EM-Gastgeber zahlen Lehrgeld

SID
österreich, Niederlande, Testspiel
© Imago

Wien - Abfuhr für die Schweiz, bittere Lektion für Österreich - den Gastgebern droht bei der Europameisterschaft die Rolle der Prügelknaben.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"International können wir mit dem Niveau und Tempo über 90 Minuten nicht mithalten", stellte Österreichs Teamchef Josef Hickersberger nach dem 3:4 gegen die Niederlande resignierend fest. Nach einer euphorischen 3:0-Führung hagelte es am Ende gellende Pfiffe im Wiener Ernst-Happel-Stadion.

Auch in der Schweiz ist die Stimmung im Keller. Nationaltrainer Köbi Kuhn war nach dem 0:4-Debakel gegen Deutschland in Basel bedient: "Das war wirklich happig. Gewollt hätten wir, aber wir haben nicht gekonnt."

Aus Helden wurden Prügelknaben

Erst Deutschland, jetzt die Niederlande - zwei Lehrstunden gegen die Meister von einst haben Österreichs Fußballern 72 Tage vor dem EM-Start die Grenzen aufgezeigt.

"Eine Halbzeit Euro-reif, nach der Pause nur noch peinlich", schrieb das Wiener Boulevardblatt "Österreich". Die 3:0-Führung durch Tore von Andreas Ivanschitz und des Neu-Bremers Sebastian Prödl (2), begünstigt durch katastrophale Patzer von Hollands Ersatzkeeper Henk Timmer, machten die Fans im Stadion und vor den Fernsehschirmen ganz narrisch, doch am Ende des "schrägen Spiels" ("Der Standard") waren die Enttäuschung riesengroß.

"Aus Helden wurden Prügelknaben", fasste der "Kurier" das erneute Fiasko der Österreicher zusammen, die im letzten EM- Vorrundenspiel am 16. Juni in Wien die deutsche Mannschaft empfangen.

Van Basten von Österreich überrascht

Wie beim 0:3 gegen Deutschland an gleicher Stelle bot Österreich in den ersten 45 Minuten eine vielversprechende und anders als am 6. Februar auch sehr effektive Vorstellung gegen den anfangs überheblich wirkenden Europameister von 1988.

Bondscoach Marco van Basten war regelrecht überrascht, "dass Österreich so schnell und aggressiv gespielt hat." Aber nach der Pause übte das "Oranje"-Team einen derartigen Druck aus, dass der Gastgeber völlig auseinanderbrach, haarsträubende Abwehrfehler produzierte und vier Minuten vor Spielende durch Jan Klaas Huntelaar noch um einen Prestigeerfolg gebracht wurde.

Kraft und Klasse fehlen

"Wir haben durch individuelle Patzer verloren, das darf auf dem Niveau nicht passieren", sagte Kapitän Ivanschitz, "gegen Deutschland und Holland haben wir sensationelle 55 Minuten gespielt. Aber wenn wir trotzdem nichts holen, ist das schlecht fürs Selbstvertrauen."

Hickersberger hofft, dass sein Team aus den Lektionen "gegen die Besten" und den Fehlern lernt: "Uns fehlen Kraft und Klasse. Die Konzentration ließ nach, wir haben nur noch verteidigt, anstatt den Gegner zu beschäftigen. Holland hat Ball und Gegner laufen lassen und dabei viel weniger Energie verbraucht als wir", hielt er in seiner ernüchternden Analyse fest, "aber ich hoffe, dass es uns gelingt, bei der EM körperlich in Topform zu sein."

Bis dahin will der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) Klarheit über Hickersbergers Zukunft haben. Dessen Vertrag läuft am Jahresende aus. Der 59-Jährige deckt seine Karten nicht auf, doch der Verband möchte, dass der Teamchef für die im September beginnende WM-Qualifikation unmittelbar nach der EURO feststeht. ÖFB-Präsident Alfred Ludwig schließt nicht aus, "dass es schon Ende Mai einen Hickersberger-Nachfolger geben wird."

Kuhn desillusioniert

Die Schweiz hat solche Sorgen nicht. Kuhn hört nach der EM auf. Womöglich sogar früher, denn ein Vorstoß ins Viertelfinale scheint nach der deprimierenden Pleite gegen Deutschland illusorisch.

"Die Blamage - und ihr wollt Europameister werden?", verspottete die Boulevardzeitung "Blick" die seit 51 Jahren gegen den Nachbarn sieglosen Eidgenossen. "Wir waren in fast allen Belangen schwächer", klagte der sichtlich angeschlagene Kuhn nach der vierten Niederlage nacheinander.