EM

"Für mich ist das ein trauriger Tag"

Von Für SPOX in Netanja: Jochen Tittmar
Tony Jantschke (r., gegen den Niederländer Wijnaldum) absolvierte alle 270 EM-Minuten
© getty

Tony Jantschke von Borussia Mönchengladbach hat bei der U-21-EM in Israel alle drei Partien für Deutschland über 90 Minuten absolviert. Nach dem abschließenden 2:1-Sieg gegen Russland spricht der 23-Jährige über seinen Abschied aus der U 21, die aufgekommene Kritik nach dem Ausscheiden der Mannschaft und erklärt, weshalb er vor den Spielern des FC Bayern München den Hut zieht.

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Frage: Herr Jantschke, Deutschland hat die EM mit einem 2:1-Sieg gegen Russland beendet. Wie wichtig ist die nackte Tatsache, dass am Ende doch noch Punkte eingefahren wurden?

Tony Jantschke: Enorm wichtig, auch für die Reputation jedes Einzelnen. Keiner wollte nach Hause fahren und alle drei Spiele bei der EM verloren haben. Das wäre extrem bitter gewesen.

Frage: Wie groß war deshalb trotz des Ausscheidens der Druck für die Mannschaft?

Jantschke: Der Druck hat gar keine Rolle gespielt. Eher noch die Temperaturen, da es schon ein krasser Unterschied ist, wenn man bei diesem Wetter um 19 oder um 21.30 Uhr auflaufen muss. Das hat uns ehrlich gesagt vor der Partie mehr beschäftigt, als die Frage, wie groß der Druck von außen denn nun wirklich sei.

Frage: Lag es also auch ein bisschen an den Temperaturen, dass die Russen trotz Unterzahl Phasen hatten, in denen sie hätten treffen können?

Jantschke: Nein, die haben halt auch eine richtig gute Mannschaft. Die Russen haben besonders zu Beginn sehr aggressiv gespielt und uns ein wenig den Schneid abgekauft. Man hat bei ihnen auch schon gegen Holland gesehen, als sie zurücklagen und die Rote Karte bekommen haben, dass sie selbst in Unterzahl in der Lage sind, sich große Tormöglichkeiten herauszuspielen. Das Team ist mit einigen A-Nationalspielern gespickt, Alan Dzagoev hat ja beispielsweise bereits 27 Länderspiele bei den Senioren absolviert. Wir wussten schon sehr lange, dass es in dieser Gruppe keinen leichten Gegner gibt. Das haben alle drei Mannschaften auch bewiesen. Daher: Auch wenn es am Ende noch den Pfostenschuss gab, denke ich, dass wir das Spiel in Überzahl letztlich verdient gewonnen haben.

Frage: Waren Sie froh, dass Sie wieder auf Ihrer angestammten Position rechts in der Viererkette spielen durften?

Jantschke: Ich werde das häufig gefragt, aber das macht letztlich wirklich nicht den ganz großen Unterschied. Klar, ich bin gegen Spanien auf links weit unter meinen Möglichkeiten geblieben und habe beileibe kein gutes Spiel gemacht. Auf rechts fällt es mir vielleicht einen Tick leichter, weil ich dann mit meinem starken Fuß flanken kann. Dafür besteht auf der anderen Seite die Möglichkeit, öfter in die Mitte zu ziehen.

Frage: Es war für Sie und 13 andere Spieler die letzte Partie in der U 21. War da heute schon Wehmut dabei oder kommt das erst noch?

Jantschke: Nein, das war definitiv bereits der Fall, dieses Gefühl hatte ich schon vor der Partie. Man weiß schließlich nie, ob es das letzte Länderspiel war. Vor allem war die U 21 für mich so etwas wie meine zweite Mannschaft nach der im Verein, weil ich eben auch lange Zeit dabei war. Deshalb ist das heute auch ein trauriger Tag für mich. Ich denke, dass ich das Ausmaß aber erst in ein paar Tagen richtig spüren und dann verarbeiten werde. Es war eine sehr schöne Zeit.

Frage: Die damit endet, dass es in den letzten Tagen viel Kritik am DFB hagelte. Zu Recht aus Ihrer Sicht?

Jantschke: Davon habe ich kein Stück gelesen. Und damit ist ja auch etwas dazu gesagt.

Frage: Aber die Kritik am Abschneiden der U 21 dürften Sie mitbekommen haben?

Jantschke: Ja, aber sie ist doch auch ganz normal. Wenn eine deutsche U-21-Nationalmannschaft bei einer EM-Endrunde ihre ersten beiden Spiele verliert, dann muss man mit Kritik leben und vor allem auch umgehen können. Wir wissen alle, auch ohne die Zeitungen zu studieren, dass wir nicht das Optimum herausgeholt haben. Es gilt jetzt, aus dieser Erfahrung zu lernen, selbst wenn sie nicht besonders schön für uns war. Ich denke, dass aufgrund dessen und der Tatsache, bei diesem Turnier überhaupt teilgenommen zu haben, viele Spieler daraus lernen werden.

Frage: Für Sie bedeutet es, dass es in Zukunft keine Länderspielabstellungen mehr gibt. Auch wenn es sich vielleicht komisch anhören mag: Aber kann sich das für Sie persönlich auch positiv auswirken?

Jantschke: Es gibt bei einem Länderspiel immer positive und negative Dinge. Ich denke, man hat in dieser Saison bei mir gesehen, dass ich aufgrund der vielen Spiele auch das eine oder andere Tief durchlaufen musste. Das war andererseits aber auch ein guter Erfahrungswert. Die Europa League und die Länderspiele fallen nun für mich weg. Nächste Saison kann ich mich dann zu 100 Prozent wieder auf die Bundesliga konzentrieren - auch wenn es dort alles andere als ruhig zugehen wird (lacht).

Frage: Was haben Sie aus dieser intensiven Saison für die Zukunft mitgenommen?

Jantschke: Man lernt seinen Körper wirklich besser kennen und weiß, wie man mit den Regenerationsphasen zwischen den Partien umzugehen hat. Ich achte gezielter auf den Schlaf und meine Ernährung. Wenn man nur jeden Samstag spielt, hat man einen anderen Wochenablauf und ist die eine oder andere Nacht auch einmal ein bisschen länger wach.

Frage: Wie lange dürfen Sie denn jetzt Ihren Urlaub genießen?

Jantschke: Knapp dreieinhalb Wochen. Deswegen muss ich auch einmal sagen: Hut ab vor den Bayern-Spielern, die jedes Jahr über 50 Spiele abreißen.

Frage: Wie wird der restliche Abend für die Mannschaft heute noch aussehen?

Jantschke: Wir werden ihn schön ausklingen lassen, weil es für viele ja eben auch Abschied vom Team bedeutet und man sich noch einmal bei allen, die uns die letzten drei Jahre zur Seite standen, gebührend bedanken möchte.

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