EM

"Sie zerstören ihre Gegner"

Von Für SPOX in Petach Tikwa: Jochen Tittmar
Kevin Strootman (l.) im Halbfinalduell mit Italien Marco Verratti
© getty

Kevin Strootman und die niederländische U-21-Nationalmannschaft sind bei der EM im Halbfinale an Italien gescheitert. Der Kapitän von Jong Oranje erklärt im SPOX-Interview, warum typisch italienischer Fußball irritieren kann. Dazu spricht der 23-Jährige über das entscheidende Manko im holländischen Spiel und Unglücksrabe Mike van der Hoorn.

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SPOX: Herr Strootman, die Niederlande haben trotz einer ordentlichen Leistung gegen Italien den Kürzeren gezogen und müssen nun aus Israel abreisen. Wie sind Ihre Gedanken zum Spiel?

Kevin Strootman: Ich fühle eine riesige Enttäuschung. Wir hatten unglaublich viel Ballbesitz und hätten den Sieg verdient gehabt. In der ersten Halbzeit konnten wir genügend Chancen kreieren, um einen Treffer zu erzielen.

SPOX: Der aber auch im zweiten Durchgang nicht fallen wollte.

Strootman: Ja, leider. Ich weiß im Moment nicht, woran das genau lag. Wir haben drei Tore gegen Deutschland und fünf gegen Russland geschossen - und da haben wir jetzt nicht deutlich besser gespielt. Es lief eigentlich wie in diesen Spielen, nur dass wir vorne nicht so kaltschnäuzig waren und weniger ganz klare Abschlussmöglichkeiten hatten. Dennoch hätte das, was wir vorne abgeliefert haben, für ein Tor reichen müssen.

SPOX: Holland ging besonders zu Beginn sehr aggressiv zu Werke. War das der Plan, um die Italiener auch ein wenig zu überrumpeln?

Strootman: Ich finde auch, dass uns der Start in die Partie sehr gelungen ist. Da hätten wir im Nachhinein gesehen schon zwingend ein Tor schießen müssen. Dann hätten sie etwas aufmachen und kommen müssen. Dadurch wären für uns wiederum mehr Räume entstanden, was unserem Spiel entgegen gekommen wäre. Es wäre wirklich sehr wichtig gewesen, in Führung zu gehen. Der Zeitpunkt hätte letztlich weniger interessiert, aber wenn wir das erste Tor geschossen hätten, wäre Italien dazu gezwungen gewesen, seine Herangehensweise zu lockern.

SPOX: Im zweiten Durchgang ist aber auch die holländische Offensive nicht so effektiv im letzten Angriffsdrittel gewesen.

Strootman: Ja, die zweite Halbzeit war auch schwierig, Italien stand sehr gut. Wir hatten aber auch da im Mittelfeld oft eine Überzahl, waren drei Mann gegen zwei. Damit hatten die Italiener Probleme. Bis zum Strafraum haben wir sehr gut kombiniert. Unser Fehler war jedoch, dass wir den letzten Ball nicht an den Mann bekommen haben. Daher sprangen aus dem vielen Ballbesitz auch nur wenige hochkarätige Chancen heraus. Und dann kennt man ja die Italiener: Eine Chance, ein Tor.

SPOX: Italien hat deutlich zurückgezogener agiert als noch in ersten drei Partien. Kam das auch etwas überraschend für Ihr Team?

Strootman: Nein, aber sie haben in den Gruppenspielen schon viel mehr angegriffen. Ich denke, dass sie aufgrund unserer Klasse diesmal einen defensiveren Ansatz verfolgt haben. Wir haben ja auch die meisten Tore des Turniers geschossen. Für uns war es letztlich egal, ob sie zurückhaltender gespielt haben als zuvor. Wir wollten sie über den Ballbesitz knacken und das ist leider nicht gelungen.

SPOX: Es ist ja aber nicht das erste Mal, dass ein italienisches Nationalteam auf eine solche Art und Weise ein Spiel gewinnt.

Strootman: Das ist irgendwie die typisch italienische Art Fußball zu spielen. Sie zerstören ihre Gegner. Wenn du dann wenige Minuten vor Schluss das 0:1 kassierst, wird es gegen sie noch schwerer - und irgendwie auch irritierend.

SPOX: Inwiefern?

Strootman: Es ist nicht so, dass sie dann besser verteidigen würden als zuvor. Aber wenn du während des gesamten Spiels kein Tor erzielst und sie dir mit einer Chance einen reinlegen, dann macht es das nicht unbedingt leichter.

SPOX: Der entscheidende Fehler unterlief dem eingewechselten Mike van der Hoorn, der sich vor dem Gegentor von Fabio Borini austanzen ließ. Als er nach dem Spiel zur Presse sprechen wollte, sind ihm die Tränen gekommen und er ist wortlos in den Bus verschwunden.

Strootman: Man sollte jetzt nicht mit dem Finger auf eine einzelne Person zeigen, das führt ja zu nichts. Wir haben 22 Spieler im Kader und wenn jemand eingewechselt wird, schlägt keiner der Spieler auf dem Feld die Hände über dem Kopf zusammen. Wir standen in dieser Szene einfach etwas unsortiert und daraus ist eben das Tor entstanden. Das war ein Fehler des gesamten Teams und nicht der von Mike.

SPOX: Fühlt es sich unter dem Strich für Sie so an, als ob der Bessere verloren hat?

Strootman: Natürlich. Aber es ist das Spiel der Italiener: Sie warten auf die Fehler des Gegners und nutzen die dann gnadenlos aus. Das können sie wirklich sehr gut und haben dazu ja auch starke Leute im Abschlussbereich. Das muss nicht immer funktionieren, aber heute war es so. Ich bin daher auf das Finale gespannt und ob das gegen Spanien gut geht. Ich schließe es jedenfalls nicht aus.

SPOX: Für Sie steht nun Urlaub an. Was passiert danach mit Ihnen, Sie werden derzeit mit sehr vielen Vereinen in Verbindung gebracht, allen voran Manchester United?

Strootman: Ich möchte mich nicht zu meiner Zukunft äußern. Ich möchte Titel gewinnen. Das habe ich im Verein in dieser Saison nicht geschafft und jetzt hier auch nicht. Andere Gedanken haben in meinem Kopf derzeit keinen Platz. Das ist einfach sehr bitter.

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