EM

Wenn der Unsinn dem Sinn im Weg steht

Von Für SPOX in Netanja: Jochen Tittmar
Die U 21 schied durch Niederlagen gegen Spanien und die Niederlande vorzeitig aus
© getty

Im Vorfeld der U-21-EM deklarierte der DFB das Turnier zur Ausbildungsmaßnahme für die Talente des Jahrgangs. Die Kaderzusammenstellung der USA-Reise der A-Nationalmannschaft sowie das ernüchternde Abschneiden in Israel werfen kein gutes Licht auf den deutschen Verband. Auch Trainer Rainer Adrion agierte unglücklich.

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"Wir haben es ja 2009 bei Khedira, Neuer und Özil erlebt, wie wichtig ein U-21-Turnier für die Entwicklung eines Spielers ist. Es hilft uns für Brasilien mehr, wenn die Talente Turnierpraxis bekommen", sagte Bundestrainer Joachim Löw kurz vor der Reise in die USA. Dorthin schleifte der DFB eine B-Version der A-Nationalmannschaft am Ende einer für alle Nominierten intensiven Saison. Zwei Wochen dauerte der Trip an, für Löw bot sich angeblich "die Möglichkeit, neue Spieler über einen längeren Zeitraum zu sehen und zu testen".

In Zeiten, in denen sich dafür eingesetzt wird, entweder die Eckdaten einer Saison weiter nach hinten zu verschieben oder wenigstens den überanstrengten Spielern zwischen den Spielzeiten ausreichenden Urlaub zu gewähren, erscheint der Zeitpunkt des Besuchs in den Staaten höchst unsinnig.

Auch durch das vorzeitige Ausscheiden der U-21-Nationalmannschaft bei der EM findet die fragwürdige Planung des A-Teams einen Nachhall. Zwar haben in Israel einige Talente in der Tat Erfahrungen mit dem Modus eines Turniers sammeln können, doch die Vielzahl der Spieler, die Rainer Adrion zur Verfügung standen, werden diese in Brasilien nicht nutzen können. Weil sie in Löws Überlegungen schlicht und ergreifend kaum eine Rolle spielen werden.

Adrion und Löw haben im Vorfeld der U-21-EM darüber diskutiert, ob spielberechtigte Kicker wie Andre Schürrle, Julian Draxler oder Ilkay Gündogan in den Kader der wichtigsten Jugendmannschaft des DFB schlüpfen sollen, um das Team bei der Endrunde zu verstärken.

"Wir haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, dass die Spieler im A-Team aufgebaut werden, weil sie qualitativ dort schon längere Zeit angesiedelt sind. Wir waren überzeugt davon, dass unsere Talente beim Turnier ihre Qualität steigern können. Das hat funktioniert, weil ich glaube, dass jeder Spieler wichtige Erfahrungen bei dieser EM mitgenommen hat. Am Ende hat uns nur wenig gefehlt, dann hätten wir am Mittwoch ein entscheidendes Spiel gegen Russland", sagte Adrion im Anschluss an das ernüchternde Turnieraus gegen den übermächtigen Gegner aus Spanien.

Ausbildung des Einzelnen das Wichtigste

Doch irgendwie klang bei dieser doch auch etwas merkwürdigen Sichtweise mit, dass er sich darauf nicht ein weiteres Mal einlassen würde.

Das Credo, in den U-Mannschaften die Ausbildung des Einzelnen vor das Erreichen sportlicher Ziele zu verorten, ist an sich nicht verkehrt gedacht. Es sollte nun aber einer eingehenden Prüfung unterzogen werden, da die aktuelle Faktenlage die Herangehensweise des Verbandes nicht unbedingt untermauert.

Die drei genannten A-Spieler sollen 2014 im Kader der WM stehen, um in Brasilien Weltmeister zu werden. Doch das Trio wird mit einer Turniererfahrung von mickrigen 93 Minuten am Zuckerhut ankommen, die lediglich Schürrles zwei Einsätze bei der EM 2012 beinhaltet.

Deutschlands Konzeption isoliert

Da hätte es analog zu Löws Argumentation doch durchaus Sinn ergeben, Adrion zumindest diese drei Spieler zur Verfügung zu stellen. Auch, um dem postulierten Anspruch, im Gelobten Land um den Titel mitzuspielen, gerecht zu werden und die oft bemühte Siegermentalität weiter in die Persönlichkeiten der Spieler zu implementieren.

Nun steht jedoch ein klares Scheitern als Resultat, das Deutschlands Konzeption von den anderen teilnehmenden Verbänden isoliert erscheinen lässt. Holland und Spanien kamen mit der vollen Kapelle in Israel an, den Jahrgangsbesten dieser beiden Länder hatte das deutsche Team lediglich eine vernünftige Halbzeit entgegen zu setzen. Zumal im Falle der Spanier kein Spieler der aktuellen Stamm-A-Elf noch für die U 21 spielberechtigt gewesen wäre.

"Wir hätten uns natürlich gefreut, wenn diese Spieler hier gewesen wären. Der DFB hat sich so entschieden, das ist für mich in Ordnung", sagte der Gladbacher Tony Jantschke am Sonntagabend.

Klare Worte von Hrubesch

Selbst DFB-Stützpunktkoordinator Horst Hrubesch schlug in einer Kolumne im "Kicker" deutliche Worte an: "Ich denke, es ist immerhin die zweitwichtigste Mannschaft des DFB. Und auch für diese Spieler (Schürrle, Draxler, Gündogan, Anm. d. Red.) wäre eine EM auf diesem Niveau sicherlich eine sehr gute Erfahrung. Auch Jerome Boateng, Benedikt Höwedes, Manuel Neuer und all die anderen heutigen A-Nationalspieler, die mit mir 2009 den U-21-Titel in Schweden holten, haben davon für ihre spätere Karriere profitiert. Und wenn man beide nun absolvierten Spiele zugrunde legt und sieht, auf welchem Level dieses Turnier gespielt und organisiert wird, wäre das für jeden jungen Spieler eine Bereicherung."

So blieb Adrion ein Kader, dem durch die Vorgehensweise des DFB zwar eine große Loyalität gegengebracht wurde, weil er eben auch den Großteil der Qualifikation erfolgreich bestritt. Doch gegen die Wucht der internationalen Erfahrung der bisherigen zwei Gegner erinnerte Deutschlands Truppe in Phasen eher an eine A-Jugend.

Kaum internationale Erfahrung

Zur Verdeutlichung: Lediglich Kapitän Lewis Holtby (15 Partien in der EL) kommt auf einen zweistelligen Wert, wenn es um Einsätze in Champions- oder Europa League geht. Insgesamt steht der gesamte Kader bei bescheidenen 77 Europacup-Partien. Bei Spanien und Holland prangen da die Zahlen 186 beziehungsweise 222.

Doch auch Adrion selbst muss sich Kritik gefallen lassen. Zunächst dafür, dass er diesen Kompromiss mit Löw überhaupt einging und nicht schon nach dem letzten Test im März gegen Israel, bei dem in letzter Minute ein wenig überzeugender 2:1-Erfolg heraussprang, die Alarmglocken läutete.

Hinzu agierte der Coach, dem zu seiner Verteidigung kurz vor der EM noch drei Spieler verletzungsbedingt webbrachen, bei seinen Personalentscheidungen unglücklich. Zunächst die Nichtnominierung von Dortmunds Moritz Leitner, dazu Kevin Vollands Bankplatz im ersten Spiel, Tony Jantschke ausschließlich in der U 21 Linksverteidiger spielen zu lassen oder Antonio Rüdiger ohne Not in den Restminuten gegen Spanien plötzlich rechts hinten zu bringen - er wurde von Siegtorschütze Alvaro Morata prompt überrannt - und dafür einen defensiven Mittelfeldspieler zu opfern.

Adrions Position wohl nicht gefährdet

Es blieb ihm eine Innenverteidigung, in der Matthias Ginter seine beiden ersten U-21-Länderspiele überhaupt absolvierte und mit Stefan Thesker ein Mann anreiste, der in der abgelaufenen Bundesligasaison ganze 386 Minuten auflief.

Adrion dürfte die Aufarbeitung des enttäuschenden Israel-Besuchs aber nicht den Kopf kosten. Wie schon 2010, als er mit seiner Elf in Island EM-Quali und Olympia verpasste, wird der DFB wohl mit ihm weitermachen. "Ich habe gerade meinen Vertrag um ein Jahr verlängert und werde nun ab August die neue U 21 für die EM 2015 in der Tschechischen Republik aufbauen", ließ Adrion wissen.

DFB in keinem guten Licht

Als der ehemalige Sportdirektor Robin Dutt vergangenen Januar sein "EsA" (Erfolg sind Alle) getauftes Konzept vorlegte, um durch eine strategische Ausrichtung Kontinuität auf allen Ebenen des Verbandes zu gewährleisten, warnte er davor, nicht erst bei Rückschlägen Mut zu Veränderungen einzubringen.

"Die anderen Nationen werden aufholen. Wenn wir jetzt nichts tun, werden es eines Tages zehn, zwölf Nationen sein, die sich um die Plätze in den Halbfinals bewerben", sagte Dutt.

Doch der ist gar nicht mehr im Amt. Diese Tatsache zusammen mit der offenen Frage, wie man zukünftig mit der Problematik, die nun die U 21 betraf, umgehen wird, lässt den DFB derzeit in keinem guten Licht dastehen.

Der komplette Spielplan der U-21-EM