"Stoitschkow hat mich schwindelig gespielt"

Von Interview: Kevin Bublitz / Mark Heinemann
Thomas Wolter ist seit 25 Jahren bei Werder Bremen angestellt
© Getty

Thomas Wolter ist mit seinen 46 Jahren bereits eine Institution bei Werder Bremen. Denn für die Norddeutschen ist er nun schon seit 25 Jahren aktiv, 14 davon als Profi. Zurzeit trainiert er die zweite Mannschaft in der 3. Liga. Im SPOX-Interview spricht der gebürtige Hamburger über die Bremer Nachwuchstalente, sein bitterstes Duell und stärkt Torsten Frings den Rücken.

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SPOX: Trotz Abstiegskampf im letzten Jahr und dem durchwachsenen Start in die aktuelle Saison standen Sie nie in der Kritik. Warum?

Thomas Wolter: Die Stadt Bremen ist insgesamt ruhiger. Auch das Medienaufkommen ist nicht so groß wie zum Beispiel in München. Nach dem Umbruch im letzten Jahr wusste hier jeder, wie die Saison zu bewerten ist. Es geht in erster Linie nicht um den Tabellenstand, sondern um die Entwicklung der Spieler.

SPOX: Ihr Talent Philipp Bargfrede gehört fest zum Profikader, Torsten Oehrl ist auf dem Weg dahin. Was trauen Sie beiden zu?

Wolter: Philipp hat den ersten Sprung geschafft. Er ist immer dabei, hat sich einen Namen gemacht und war in den ersten Spielen fast schon Stammspieler. Torsten traue ich noch viel mehr zu. Seit er bei uns ist, hat er einen unheimlich guten Weg genommen, ist gereift und hat im Abstiegskampf Verantwortung übernommen. Er hat das Zeug, sich durchzusetzen.

SPOX: Wie läuft bei Ihnen der Sprung in den Profibereich?

Wolter: Wir lassen talentierte Spieler aus der A-Jugend bei uns mittrainieren. Wenn wir dann merken, die sind soweit, setzen wir die Jungs auch bei uns ein. Der Sprung zum Profikader läuft genauso. Entweder setzt man sich dann durch, oder er geht in die zweite Mannschaft zurück beziehungsweise wechselt zu einem anderen Verein. Es ist uns klar, dass wir nicht nur für Werder Bremen, sondern für sämtliche deutsche Ligen ausbilden.

SPOX: Arbeiten Sie auch am Charakter der Spieler?

Wolter: Das ist schwierig, da jeder einen Grundcharakter mitbringt. Es zeigt sich aber immer mehr, dass sich ein guter Charakter am Ende behauptet. Wir haben die positive Erfahrung gemacht, dass sich oft Spieler durchsetzen, die auch den schulischen Bildungsweg problemlos schaffen, während Schulabbrecher viel öfter scheitern.

SPOX: An welchen der zahlreichen Ausbildungsmethoden orientieren Sie sich?

Wolter: Wir versuchen von allem etwas einzubringen. Koordination, Schnelligkeit, Spieltechnik und Taktik, das sind alles Bereiche, in denen wir uns immer wieder fortbilden. Um das aber auch noch mal zu betonen: Wir brauchen nicht nach Holland, Spanien oder sonst wohin gucken. Ich denke, wir haben sehr gut ausgebildete Trainer in Deutschland.

SPOX: Ist es für Sie als Ex-Profi leichter, an Ihre Spieler heranzukommen?

Wolter: Man hat sicher einen Bonus, der ist aber schnell aufgebraucht, wenn die Jungs merken, da steckt nichts dahinter. Die heutigen Spieler hinterfragen alles. Ich muss mich auch als Trainer jeden Tag neu beweisen.

SPOX: Wie würden Sie sich im Umgang mit dem Nachwuchs charakterisieren?

Wolter: Ich bin sicherlich ein kommunikativer Trainer, finde es aber trotzdem wichtig, einen gewissen Abstand zur Mannschaft zu halten. Die Mischung aus Distanz und Nähe ist sehr wichtig. Ich bin sicher auch nicht immer gerecht, aber das kann man als Trainer auch nicht, wenn man mit 25 Spielern arbeitet.

SPOX: Ihre eigene Karriere stand stark unter dem Einfluss von Otto Rehhagel. Wie haben Sie die Zeit erlebt?

Wolter: Wir waren nie der Verein, der die absoluten Weltstars hervorgebracht hat. Aber wir hatten Erfolg, weil wir als Team funktioniert und Fußball auch verstanden hatten. Eine sehr erwachsene Mannschaft, wenn man bedenkt, wer alles Trainer oder Manager geworden ist. Das ist sicher auch ein Verdienst von Otto Rehhagel, der sehr viel Wert auf Selbstverantwortung gelegt hat.

SPOX: Hat Rehhagel eine Trainergeneration geprägt?

Wolter: Wenn man sieht, was aus Thomas Schaaf oder Rune Bratseth als Manager geworden ist, um jetzt nur zwei zu nennen, zeigt sich ganz klar, dass uns diese Selbstverantwortung nicht nur als Spieler, sondern auch für die Zeit danach sehr geholfen hat. Das hat Otto ausgemacht, und das war für uns ungemein wichtig.

SPOX: Sie haben mit Thomas Schaaf und Klaus Allofs zusammengespielt. Wie sehr erleichtert das die tägliche Arbeit?

Wolter: Ich habe dadurch sicher kürzere Wege. Das ist entscheidend und wichtig für unsere Arbeit. Mit Thomas telefoniere ich drei, vier Mal die Woche. Das läuft hier alles reibungslos ab und ist ein großer Vorteil für Werder.

SPOX: Was macht Klaus Allofs als Mensch aber auch in seiner Vereinsfunktion aus?

Wolter: Dass er sehr unaufgeregt ist. Klaus und Thomas ergänzen sich eins zu eins. Es wird nicht alles nach außen geplaudert, sondern mit Bedacht erörtert und erarbeitet. Das zeichnet aber alle Verantwortlichen im Verein aus. Deshalb ist es angenehm, hier zu arbeiten.

SPOX: Sie immerhin schon seit 25 Jahren. Warum sind Sie nie gewechselt?

Wolter: Es hat gepasst. Ich habe meinen Vertrag eigentlich immer frühzeitig verlängert, weil wir Erfolg hatten. Dadurch habe ich sicherlich auf Geld verzichtet, das ich bei einem Wechsel mehr verdient hätte, aber ich war immer zufrieden und habe mich sehr wohl gefühlt. Das ist entscheidend. Denn fühle ich mich wohl, kann ich auch die optimale Leistung bringen.

SPOX: Bereuen Sie es denn gar nicht, dass Sie als Spieler nie den Schritt zu einem anderen Klub...

Wolter: Nein! Ich bereue gar nichts. Ich habe aus dem Bauch heraus immer das Richtige gemacht. Ich habe mir hier in Bremen einen Namen machen können und hatte immer Spaß.

SPOX: Und das als gebürtiger Hamburger...

Wolter: Werder war damals sehr aufstrebend, der HSV gerade Landesmeister geworden. Da wäre es als junger Spieler schwer gewesen, zum Zug zu kommen. Mein Umfeld hat mir gesagt, das ist der richtige Weg, den du einschlägst, mach das Beste daraus. Ich fühle mich mittlerweile in Bremen sehr heimisch.

SPOX: Welches Duell ist bei Ihnen nach 14 Jahren im Profigeschäft hängen geblieben?

Wolter: Ich habe mal in Barcelona gegen Christo Stoitschkow sehr schlecht ausgesehen. Der hat mich schwindelig gespielt. Damals ist Oliver Reck vom Platz geflogen und wir mussten einen Feldspieler auswechseln - es traf übrigens Thomas Schaaf. (lacht) Ich musste dann alleine gegen Stoitschkow und Laudrup spielen, und die beiden haben mit mir gemacht, was sie wollten. Das ist sicherlich haften geblieben. Aber ein halbes Jahr später wurden wir deutscher Meister, das war gut für mich. (lacht)

SPOX: 1992 haben Sie im Freundschaftskick gegen Brasilien Ihr einziges Länderspiel für Deutschland bestritten. Warum kam danach nichts mehr?

Wolter: Ich hatte als Spieler einen gewissen Standard erreicht, für die Nationalmannschaft reichte meine Qualität halt nicht. Das konnte ich selbst gut einschätzen.

SPOX: Apropos Qualität: Torsten Frings hat derzeit Probleme in der Nationalelf. Können Sie sich erklären, woran das liegt?

Wolter: Jeder Trainer hat seine eigene Philosophie, deswegen ist das schwer zu sagen. Ich habe trotzdem nicht verstanden, warum er nicht dabei ist. Als es bei Michael Ballack gegen Russland so aussah, als müsse er verletzt vom Platz, habe ich mich erschrocken und gedacht, jetzt braucht er den Torsten. Ich hätte einen Spieler wie Frings immer dabei. Es steht mir aber auch nicht zu, den Bundestrainer zu kritisieren.

SPOX: Dafür ist mit Mesut Özil ein anderer Bremer im Fokus.

Wolter: Mesut ist nicht nur bei uns zum Shooting Star geworden, er hat auch in der Nationalmannschaft bereits eine wichtige Rolle übernommen, die man ihm in dem Alter sicherlich noch nicht zugetraut hätte. Mir imponiert es, wie er es schafft, in so jungen Jahren schon ein Spiel an sich zu ziehen.

SPOX: Um noch einmal auf die 3. Liga zu sprechen zu kommen, wie wichtig ist der Klassenerhalt für Werder?

Wolter: Wir haben uns vor der Gründung der 3. Liga dafür eingesetzt, dass zweite Mannschaften in dieser Liga mitspielen dürfen. Ganz einfach weil wir unseren Spielern die höchstmögliche Liga zur Ausbildung bieten möchten. Der Klassenerhalt ist sehr wichtig.

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