"Kein Hummer und kein Kaviar"

Von Interview: Christian Bernhard
Tobias Gebert (l.) ist seit Februar 2005 Manager beim SV Sandhausen
© Imago

Der SV Sandhausen liegt nach acht Spieltagen sensationell auf Platz eins. Hauptverantwortlich für den sportlichen Erfolg ist Manager Tobias Gebert. Im SPOX-Interview spricht der 33-Jährige über die Gründes des Aufschwungs, die Vorzüge Sandhausens und die Nähe zu Hoffenheim.

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SPOX: Der Sieg im Top-Spiel gegen Regensburg liegt erst wenige Tage zurück. Wo geht's hin mit Sandhausen?

Tobias Gebert: Wir haben uns für diese Saison Platz vier als Ziel gesetzt. Jetzt stehen wir nach dem 8. Spieltag auf Platz eins. Das ist natürlich eine tolle Momentaufnahme und wir genießen das, aber Ziel bleibt Platz vier.

SPOX: Woran machen Sie den Aufschwung in den letzten Jahren fest?

Gebert: Wir haben ein ganz klares Konzept in allen Bereichen. Der SVS ist authentisch und hat mit Jürgen Machmeier einen Präsidenten, der mit Herzblut und Leidenschaft vorangeht. Wir können hier in Ruhe arbeiten, haben Kontinuität und legen viel Wert auf das Familiäre. Das war ausschlaggebend für den Erfolg in den vergangenen drei Jahren. Nicht umsonst lautet unser Motto: "Wir sind ein Team". Das Motto ist nicht nur eine Worthülse, das wird gelebt - von den Spielern, vom Umfeld, von den Partnern. Wir fahren hier eine ganz klare Linie und haben Durchgängigkeit in allen Bereichen.

SPOX: Welchen Anteil haben Sie an diesem Erfolg?

Gebert: Da verweise ich gerne auf unser Motto. Jeder hat hier seine Aufgabe und trägt seinen Teil zum Gesamtwerk bei. Die momentane Tabellensituation ist ein Zeichen dafür, dass wir alle sehr gute Arbeit leisten.

SPOX: Sie sind als Manager verantwortlich für den sportlichen Bereich und gleichzeitig zuständig fürs Markting. Das ist ziemlich ungewöhnlich in Deutschland?

Gebert: Ich kenne die Strukturen anderer Vereine nicht. Wir haben hier ein sehr kleines Team, aber den Vorteil der kurzen Entscheidungswege. Ich glaube, dass das sehr wichtig ist. Wir haben uns in den letzten drei Jahren in allen Bereichen sehr gut entwickelt.

SPOX: Ist das vergleichbar mit der Rolle von Uli Hoeneß beim FC Bayern, bevor Christian Nerlinger kam?

Gebert: Solche Vergleiche sind absolut nicht angebracht. Wir sind hier in der 3. Liga. Die Dinge, die wir hier auf die Beine gestellt haben, funktionieren sehr gut. Aber wir können uns nicht mit anderen Vereinen oder Personen vergleichen. Das wäre nicht angemessen.

SPOX: War ihre Doppelrolle von Anfang an geplant?

Gebert: Das hat sich so entwickelt. Sicherlich auch, da im Verein noch keine Strukturen in diesem Bereich vorhanden waren. Im Bereich Marketing bin ich allerdings nicht alleine verantwortlich. Ich kümmere mich um den Vertrieb, die Kundenbindung, die Akquise und die Betreuung. Um die grafische Umsetzung, die Internetseite und die Stadionzeitung kümmert sich meine Frau.

SPOX: Der Verein ist also Teil ihres Familienlebens.

Gebert: Das ist klarerweise kein Job wie viele andere, wo um 16 Uhr Feierabend ist. Das ist eine Geschichte, die einen rund um die Uhr beschäftigt und das Schöne ist, dass man sich auch im Privaten darüber austauschen kann. Meine Frau lebt das auch zu hundert Prozent mit, daher bringt das auch im privaten keine Probleme mit sich.

SPOX: Es gibt dann auch das ein oder andere Sandhausen-Gespräch am Essenstisch...

Gebert: Nicht nur das ein oder andere. Wir leben das, insofern gehört das einfach dazu.

SPOX: Sie haben selbst für Sandhausen gespielt. Wie wichtig ist die Bindung zum Verein?

Gebert: Für mich eine Grundvoraussetzung. Das erwarten wir auch von unseren Spielern und vom Umfeld. Alle müssen sich zu hundert Prozent mit der Sache identifizieren. Mit dieser Leidenschaft kann man Dinge kompensieren, bei denen andere Vereine mehr Geld oder Manpower zur Verfügung haben. Wir müssen hier kreativ sein und den Verein anders positionieren, als das andere Klubs tun. Wenn man sich unseren Partnerbereich ansieht, zeigt sich, dass wir eine sehr gute Werbeplattform darstellen.

SPOX: Wie haben Sie Spieler wie Regis Dorn vom Projekt Sandhausen überzeugt?

Gebert: Wir wollten, dass vor dem ersten Training unser Kader steht und so Teambuilding und Integration im Mittelpunkt stehen. Alle Spieler sollten wissen, woran sie sind und wissen, hier kommt kurzfristig keiner mehr dazu. Nur einen Stürmer haben wir noch gesucht. Wir haben mit Regis zwei Gespräche geführt, er war in Sandhausen und hat sich ein Bild vom Verein gemacht. Das ist auch eine wichtige Geschichte: Wir verpflichten nur Spieler, die wir persönlich kennen und die die Situation hier kennen und sich einen Eindruck vor Ort verschaffen. Sandhausen hat 12.000 Einwohner und kein WM-Stadion.

SPOX: Was sprach dann für Sandhausen?

Gebert: Wir haben ihm klargemacht, wohin wir wollen und ich glaube es ist uns gelungen, ihn bereits beim ersten Gespräch von unserem Projekt zu begeistern. Erstens durch die Nähe zu seiner Familie und zweitens durch die Qualität des Kaders. Wir haben ihm nicht irgendwas vorgespielt, sondern ihm ganz klar unser Konzept aufzeigen können. So war er letztlich das letzte Mosaiksteinchen, das wir verpflichtet haben - einen Tag vor dem ersten Training. Klar ist aber auch: Regis Dorn ist wie jeder andere hier Teil des Teams.

SPOX: Dorn hat im SPOX-Interview von der Menschlichkeit und dem familiären Touch im Verein geschwärmt. Ist das Sandhausens Erfolgsrezept?

Gebert: Wir versuchen in allen Bereichen authentisch zu sein, dazu offen und ehrlich. Bei uns gibt es auch Kritik, aber eines ist klar: Wenn Gespräche unter vier Augen ablaufen, dann bleibt das auch unter vier Augen. Wenn es Probleme gibt, dann kann über alles gesprochen werden. Sonst kann sich was aufstauen, das dann womöglich nicht mehr überbrückbar ist.

SPOX: Zurück zu Ihnen: Was waren Sie für ein Spielertyp?

Gebert: Ich bin gelernter Manndecker. Später bin ich ins linke Mittelfeld gewechselt, mit 20 bin ich dann nach Sandhausen gekommen. Dort bin ich zum Mittelstürmer umgeschult worden.

SPOX: Daher also ihr Spitzname Katsche und ihr Vorbild Horst Hrubesch...

Gebert: Genau (lacht). Willi Entenmann, mein damaliger Trainer in Sandhausen, hat in meinem letzten Training zu mir gesagt: "Tobias, konzentriere du dich besser auf dein Studium". Das hab ich dann auch gemacht.

SPOX: Wie sind Sie im Marketing-Bereich gelandet?

Gebert: Ich habe eine Banklehre bei der Dresdner Bank gemacht und danach BWL in Mannheim mit Schwerpunkt Banken/Finanzierung, Wirtschaftsprüfung und internationalem Marketing studiert. Während des Studiums hab ich ein Praktikum in Marketingbereich des KSC gemacht, dazu war ich bei verschiedenen Unternehmensberatungen. Nach dem Studium habe ich mich mit einem Partner im Finanzbereich selbstständig gemacht. Der Kontakt zum SV ist in all dieser Zeit nie abgerissen und dann hat mich Präsident Jürgen Machmeier angesprochen.

SPOX: Ihr Lebensmotto lautet: "Die ersten Schritte sind wertlos, wenn der Weg nicht zu Ende gegangen wird..." Was bedeutet das für Sie auf Sandhausen übertragen?

Gebert: Wir sind auf einem sehr guten Weg. Wichtig ist, dass wir uns ehrgeizige Ziele setzen, die aber auch realistisch sind. Entscheidend ist aber auch, dass es hier ein Konzept gibt, das sich nicht nur auf den sportlichen Bereich bezieht. Die Nachhaltigkeit steht im Vordergrund, nicht um jeden Preis etwas erreichen zu wollen, das womöglich später verheerende Konsequenzen hat. Die Beispiele gab es ja auch schon.

SPOX: Sie suchen Unternehmen, die an individuellen Werbekonzepten interessiert sind. Was bedeutet das?

Gebert: Wir haben in Sandhausen eine ganz spezielle Situation. Wenn man versucht, ein Unternehmen anhand Kriterien wie Mediadaten, Zuschauerschnitt usw. für uns zu gewinnen, dann wird es in Sandhausen sicherlich schwierig. Wir müssen uns schließlich mit Vereinen wie Dynamo Dresden mit viel Tradition, Erfahrung und großen Stadien messen. Wenn ein Sponsor ausschließlich auf solche Dinge Wert legt, dann ist Sandhausen sicherlich nicht der idealste Partner.

SPOX: Mit was kann Sandhausen punkten?

Gebert: Wir müssen dem Partner durch zusätzliche Werbemaßnahmen einen Mehrwert schaffen. Dafür führen wir auf die Bedürfnisse der Partner individuelle zugeschnittene Werbemaßnahmen durch. Darüber hinaus haben wir in den letzten drei Jahren ein sehr attraktives Netzwerk um den SV Sandhausen ausgebaut, das für Sponsoren und Partner interessante Möglichkeiten bietet. Wir organisieren Fußball- und Golfturniere, wo man die Geschäftspartner auf sportlicher Ebene zusammenbringt. Fußball verbindet, Emotion verbindet und das ist das, was wir verkaufen. Und das alles in einem authentischen Rahmen: Bei uns gibt es keinen Hummer, Kaviar und Marmorboden im VIP-Bereich.

SPOX: Die Konzentration liegt also auf den eigenen Stärken.

Gebert: Wir dürfen uns nicht mit Vereinen und Möglichkeiten messen, die wir nicht haben. Wir wollen unsere Stärken zeigen, da müssen wir auch nicht hinter dem Berg halten. Das müssen wir vorleben und ich glaube, dass das auch nachhaltig Erfolg bringt.

SPOX: Hoffenheim liegt nur 15 Kilometer von Sandhausen entfernt. Beneiden Sie die TSG in gewissen Bereichen?

Gebert: Neid ist der falsche Ausdruck. Die Situation in Hoffenheim ist für unsere Region einmalig. Auch wir können davon profitieren. Fußball ist in unserer Region absolut nach vorne gebracht worden. Ich finde es toll, was in Hoffenheim gemacht wird. Wir können und dürfen uns nicht damit vergleichen. Wir müssen unseren eigenen Weg finden, unsere Nische besetzen. Die heißt: Ein familiärer, sympathischer Verein, der einen großen Wert auf Identifikation legt. Die macht sich auch in unserer Personalpolitik bemerkbar. Wir haben ausschließlich Spieler, die die deutsche Sprache sprechen und zum größten Teil auch regional verwurzelt sind.

SPOX: Kann daraus auch eine Symbiose entstehen?

Gebert: Es gibt Ansatzpunkte, das muss sich aber alles erst entwickeln. Die TSG wird mit ihrem Jugendkonzept in absehbarer Zeit sehr viele Talente hervorbringen, die wohl nicht alle den Sprung in die Bundesliga schaffen, die aber für die 3. Liga sicherlich perspektivisch reizvoll sind. Die haben wir vor der Haustür und davon werden wir sicherlich profitieren. Wir haben zuletzt sehr viele Spieler von 1860 München II, Dortmund II, Leverkusen II oder vom KSC II geholt.

SPOX: Wie lauten Ihre persönlichen Ziele?

Gebert: Wir möchten hier diesen Weg weitergehen und den nächsten Schritt machen. Vielleicht schon diese Saison, vielleicht nächste.

SPOX: Können Sie sich vorstellen, eine Aufgabe bei einem anderen Verein anzunehmen?

Gebert: Die Frage stellt sich mir momentan nicht. Ich bin zu hundert Prozent auf Sandhausen konzentriert. Die Arbeit macht sehr viel Spaß und wir haben hier ein tolles Projekt auf den Weg gebracht. Wir haben hier noch viel vor und ich möchte diese Ziele mit dem SVS verwirklichen.

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