Unter Dämonen

Pep Guardiola nahm die Verantwortung für die jüngsten Niederlagen auf sich
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Der 1. FC Kaiserslautern, der Halbfinal-Gegner des FC Bayern im DFB-Pokal(20.30 Uhr im LIVE-TICKER), lehrte Josep Guardiola einst nicht nur das Fürchten, sondern prägte den Bayern-Trainer in seiner Wahrnehmung der Deutschen. Diese hat sich seit Monaten nur noch gefestigt.

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Kaiserslauteeeeeern!

Kaiserslauteeeeeeern!

Kaiserslauteeeeeeeern!

Kaiserslauteeeeeeeeern!

Immer wieder Kaiserslauteeeeern!

Der Radioreporter des katalanischen Radiosenders "RAC1" konnte sich gar nicht mehr einkriegen. Immer wieder schrie er diesen einen Namen. "Kaiserslauteeeeern!"

Dabei war weder ein Kaiserslauterer in der Nähe, der dem guten Mann diese Glücksgefühle spenden konnte, noch spielte der 1. FC Kaiserslautern an diesem Abend des 8. Mai 2009. Und dennoch schlug in diesen Augenblicken nicht nur dem euphorischen Radioreporter der Klub aus der Pfalz wie ein Blitz in die Erinnerung.

Der Auslöser war Andres Iniesta. Im Champions-League-Halbfinalrückspiel erzielte Barcelonas Genie in der letzten Minute das 1:1 für den FC Barcelona. Barca zog mit dem Last-Minute-Tor bei Chelsea ins Finale ein und gewann wenige Wochen später die Champions League.

Es ist nicht übermittelt, aber dennoch sehr wahrscheinlich, dass es auch in Pep Guardiolas Kopf in diesen Sekunden des puren Glücksgefühls "Kaiserslauteeeern, Kaiserslauteeeern" hallte. Denn er war dabei, als der FC Barcelona schon einmal ein verloren geglaubtes Weiterkommen in letzter Minute sicherte. Der Gegner hieß Kaiserslautern.

Als Hotic und Goldbaek trafen

1991 trat Barcelona in der 2. Runde des Landesmeister-Cups mit der Sicherheit eines 2:0 aus dem Camp Nou auf dem Betzenberg an, lag aber dann plötzlich nach 76 Minuten 0:3 in Rückstand.

Doppelpacker Demir Hotic und Bjarne Goldbaek schossen den entfesselten FCK, der damals unter anderem mit Gerry Ehrmann im Tor, Marcel Witeczek und Stefan Kuntz im Sturm antrat und das Starensemble aus Barcelona, das mit Zubizaretta, Koeman, Guardiola, Witschge, Laudrup und Stoitschkow angereist war, an die Wand spielte.

Wie die Stimmung bei über 30.000 Zuschauern im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion war, kann man kaum in Worte fassen. Es war erst Jose Mari Bakeros Kopfball-Tor in der 90. Minute, das Barca vor dem frühzeitigen Aus rettete und Kaiserslautern die Sensation vermasselte.

"Man denkt, man hat sie im Griff..."

Auch wenn Barca später erstmals in der Geschichte den Pokal der Landesmeister gewann und dieses Tor und dieses Weiterkommen eine erfolgreiche Ära einleitete, blieb das Spiel in den Seelen der Katalanen für immer haften.

Besonders bei Guardiola, der sich bis dahin mit dem deutschen Fußball wohl eher weniger befasst hatte und bis zur Auslosung eine Stadt beziehungsweise einen Fußballklub namens Kaiserslautern mitnichten ansatzweise kannte.

Doch genau diese Unbekannte prägte das Bild Guardiolas vom deutschen Fußball. "Man denkt, man hat sie im Griff. Aber sie können immer zuschlagen", sagte Guardiola vor Jahren über die Deutschen.

Selbst als der FC Barcelona 2009 den FC Bayern 4:0 besiegte und zu dieser Zeit unantastbar die weltbeste Mannschaft war, war dem Katalanen vor dem Rückspiel in der Champions League merklich unwohl. "Ich war in Kaiserslautern", sagte er damals. "Wenn wir Bayern nicht ernst nehmen, überrollen sie uns." In München ließ er seine beste Elf ran, um keine Gefahr aufkommen zu lassen.

Valverdes Erfahrungen

Doch Guardiola musste nicht einmal selbst beteiligt sein, um sich über die Jahre ein ganz spezielles Bild von den Deutschen zu machen. Ernesto Valverde, heute Trainer bei Athletic Bilbao und sehr enger Vertrauter Peps, verlor als Spieler 1988 mit Espanyol Barcelona gegen Bayer Leverkusen das UEFA-Pokal-Finale, obwohl Espanyol das Hinspiel 3:0 gewonnen hatte.

Im Rückspiel siegte Bayer im Elfmeterschießen, nachdem Leverkusen Espanyol 120 Minuten regelrecht niedergekämpft hatte. Ein Erlebnis, das Bestandteil vieler Gespräche zweier Herren wurde, die selbst bei gemeinsamen Urlaubsreisen, zu denen sich auch Freund Marcelo Bielsa gesellte, über Fußball, Taktik und Systeme sinnieren und das Gestern nie vergessen.

Wenn der FC Bayern am Mittwochabend (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) auf den 1. FC Kaiserslautern trifft, wird es für Guardiola auch ein Wiedersehen mit der Vergangenheit. Nicht mit irgendeiner, sondern einer Erfahrung, die ihn geprägt und womöglich auch indirekt in Deutschland landen ließ. Er trainiert die beste Mannschaft eines Landes, das ihn - den stolzen und erfolgsverwöhnten Katalanen - einst fürchten ließ wie nie. Jetzt ist er unter seinen Dämonen seiner Jugendjahre.

Gerland erklärt die Bundesliga

Daher ist auch nicht überraschend, dass Guardiola den Vierten der 2. Bundesliga eingehend studiert hat. "Sie haben drei große Stürmer, einen schnellen Stürmer", sagte Pep am Dienstag. "Ich habe Erfahrung mit Torrejon, ich kenne ihn. Sie spielen gute lange Bälle, gut in die Tiefe."

Nun gehört es zur Aufgabe eines Trainers einer Profi-Mannschaft, den nächsten Gegner zu kennen und zu analysieren und es sollte auch keine Auszeichnung verdienen, dass Guardiola die Stärken des Kontrahenten im Halbfinale des DFB-Pokals kennt.

Vor jedem neuen Gegner lässt sich Guardiola von Assistent Herrmann Gerland unterrichten. Nicht nur, welche Taktik sie spielen oder welche Spieler besonders stark sind. Nein, Guardiola geht es auch um Historie und Bedeutung der Begegnung für den FC Bayern und für den Gegner.

So hat Pep auch eine ganz besondere Bindung zu den Gegnern in Deutschland aufgebaut, denen er ehrlichen Respekt zollt, auch wenn das aufgrund der heftigen Rotation in den letzten Wochen angezweifelt wurde.

"Positiv überrascht"

Kürzlich outete er sich als großer Fan des FC Augsburg und von Trainer Markus Weinzierl - das war vor seiner ersten Niederlage in der Bundesliga: gegen den FC Augsburg. Vor Monaten schwärmte er bei einer Pressekonferenz von Lucien Favre und Borussia Mönchengladbach: "Sie verschieben perfekt. Lucien Favre ist ein Super-Taktiker. Es ist kaum möglich, zwischen ihre Linien zu kommen."

Die Beispiele lassen sich unendlich aufzählen, daher hat Guardiola zuletzt auch ein allgemeines Loblied auf die Bundesliga gesungen: "Nach sieben, acht Monaten in dieser Liga muss ich sagen, dass ich mehr und mehr überrascht bin - im positiven Sinne. Ich weiß, wie schwierig es hier ist."

Daher will er auch den 1. FC Kaiserslautern nicht auf die leichte Schulter nehmen. "Es ist eine große Herausforderung für sie, das Finale zu erreichen", sagt Guardiola über Kaiserslautern. "Für den FC Bayern aber auch." Er spricht aus Erfahrung...

FC Bayern - 1. FC Kaiserslautern, Daten und Fakten

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