Dresden lässt Gang zum Schiedsgericht offen

SID
Dynamo Dresden möchte das Urteil des DFB noch nicht akzeptieren
© getty

Dynamo Dresden will sich bei der Entscheidung über einen möglichen Gang vor das Ständige Schiedsgericht des DFB Zeit lassen und setzt auf den Austausch mit den Fans. Der renommierte Sportrechtsexperte Michael Lehner rät Zweitligisten zu weiteren rechtlichen Schritten gegen den Ausschluss vom kommenden DFB-Pokal. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßt dagegen den Pokalausschluss.

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"Der Gang vor das Ständige Schiedsgericht ist nicht im Vorhinein aussichtslos", sagte Lehner dem Sport-Informations-Dienst (SID): "Dort haben sie die Gelegenheit, den Fall mit ein bisschen weniger Emotionalität aufzuarbeiten."

Dresden war am Donnerstag auch vom Bundesgericht des DFB wegen wiederholter Ausschreitungen seiner Fans aus dem Pokal 2013/14 ausgeschlossen worden, zuvor hatte Dynamo gegen das Urteil des erstinstanzlichen Sportgerichts Berufung eingelegt. Das Schiedsgericht als dann dritte Instanz sei zwar auch "nicht wirklich unabhängig", sagte Lehner, "aber da sitzen hochkompetente Juristen drin". Das Sportgericht und das Bundesgericht setze sich aus "Leuten zusammen, die tief im Verband verwurzelt sind" und "ergebnisorientiert" entschieden hätten.

Grundsatzdebatte wird ausgelöst

Der Sportrechtler befürchtet hinter der ausgesprochenen Höchststrafe "ein Exempel", welches aber das Problem nicht löst. "Wenn Borussia Dortmund da gestanden hätte, hätte man vielleicht anders entschieden", sagte er: "Auf Dresden draufzuhauen, ist einfach, aber man vernebelt sich selbst die Gedankenschärfe auf die wirklichen Probleme."

Die Verhandlung gegen die Sachsen entwickelte sich in Frankfurt/Main zur Grundsatzdebatte darüber, ob Fußballvereine für Handlungen ihrer Fans in Haftung genommen werden können. Bislang berief sich der DFB immer auf Paragraf 9a der eigenen Rechts- und Verfahrensordnung, die eine verschuldensunabhängige Haftung der Vereine vorsieht.

"Ich habe allergrößte Bedenken, ob die Gefährdungshaftung der Vereine für alle, die ins Stadion gehen, zu halten ist", sagte Lehner: "Die Verbandsautonomie in allen Ehren, aber in dem Bereich, wo es brachial um großwirtschaftliche Dinge geht, wird man bei staatlichen Gerichten immer besser aufgehoben sein. Über die Verfassung, das Grund- oder die Persönlichkeitsrechte kann sich der Sport nicht so einfach hinwegsetzen."

Polizei begrüßt Ausschluss

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßt dagegen den Pokalausschluss des Fußball-Zweitligisten. Das Urteil sei ein "deutliche Signal an gewaltbereite Sport-Straftäter", schrieb die GdP in einer Presseerklärung.

"Die Entscheidung unterstützt die jahrelange Arbeit von Verbänden, Vereinen, Fanprojekten und Polizei, Sport-Straftäter aus den Stadien zu verbannen", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut. "Radikale Ultragruppierungen und gewaltsuchende Hooligans wendeten sich mit ihrem unsportlichen Verhalten gegen die große Mehrheit der friedlichen Fußballanhänger."

Allerdings bedauere es die GdP, dass "mit diesem richtungsweisenden Urteil Zehntausende unschuldige Dynamo-Fans mit bestraft werden und auf den spannenden und prestigeträchtigen Pokal-Wettbewerb verzichten müssen". Für den Liga-Spielbetrieb fordere die GdP seit langem "Punktabzüge als Sanktion nach massiver Fußballgewalt in den Stadien. Gewaltsuchende Fußballrowdys müssten wissen, dass sie ihrem Verein unmittelbar schweren Schaden zufügen."

Dynamo lässt sich Zeit

Doch Dynamo Dresden will sich bei der Entscheidung über einen möglichen Gang vor das Ständige Schiedsgericht des DFB Zeit lassen und setzt auf den Austausch mit den Fans. "Wir sortieren uns jetzt und warten darauf, dass wir das schriftliche Urteil zugeschickt bekommen", sagte Dresdens Geschäftsführer Christian Müller am Freitag.

Am Freitagabend wollte der Klub ein Treffen der Dresdner Ultras im eigenen Stadion mit weiteren Fanklubs dazu nutzen, die Stimmung zur möglichen Fortsetzung des juristischen Kampfes auszuloten. Anschließend soll der Fall in den Gremien des Vereins besprochen werden, ehe eventuell das Schiedsgericht angerufen wird.

"Für uns als Mannschaft ist das traurig. Wir sind ja hier, um Leistungen zu bringen und werden nun daran gehindert. Wir fühlen uns in einer gewissen Weise hilflos", sagte Dresdens Abwehrspieler Sebastian Schuppan über das Urteil. Man müsse jetzt im Sachsenduell am Sonntag bei Erzgebirge Aue (13.30 Uhr) mit den Fans gemeinsam ein gutes Bild abgeben: "Der Verein ist zu kultig und schön, als dass wir so einen negativen Eindruck aufrecht erhalten sollten."

Obwohl Dresden für das Spiel in Aue das Kartenkontingent nicht abgerufen hatte, werden viele Dresdner Fans im Stadion sein. Gastgeber Aue hatte über einen Sponsor der Dynamo-Anhängerschaft Tickets zukommen lassen. "Das ist auch extrem wichtig, dass wir bei diesem wichtigen Spiel von unseren Fans unterstützt werden. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie die Stimmung sein soll, wenn der Gästeblock leer ist", meinte Dresdens Trainer Peter Pacult vor dem Kellerduell.

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