"Werder ohne Europacup? Das wäre Stillstand"

Von Interview: Stefan Moser/Daniel Börlein
Klaus Allofs (r.) gewann 1992 als Spieler mit Werder Bremen den Europacup der Pokalsieger
© Getty

Exklusiv Werder Bremen kämpft im DFB-Pokal-Finale gegen Bayer Leverkusen (ab 19.45 Uhr im LIVE-TICKER und im Internet TV) um den letzten Titel der Saison. SPOX sprach mit Bremens Sportchef Klaus Allofs über mögliche Konsequenzen einer Achterbahnsaison und Werders Philosophie. Zudem klärte Allofs über wichtige Personalien auf. 

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SPOX: UEFA-Cup-Finale, Bundesliga-Finale und nun schon wieder ein Endspiel für Werder. Kribbelt es dennoch?

Klaus Allofs: Ja. Das richtige Kribbeln setzt aber erfahrungsgemäß immer erst ein, wenn man im Bus Richtung Stadion sitzt und die Atmosphäre mitbekommt, wenn man ins Stadion kommt.

SPOX: Es herrscht vor diesem Finale eine merkwürdige Atmosphäre. Es klingt manchmal fast so, als ginge es für beide weniger um die Chance auf einen Triumph, als um die letzte Rettung einer schwachen Saison...

Allofs: Vielleicht ist das tatsächlich die öffentliche Sichtweise. Aus meiner Sicht aber können wir die Saison noch krönen. Wir waren im UEFA-Cup-Endspiel, waren vorher in der Champions League, haben aber zugegebenermaßen keine gute Bundesliga-Saison gespielt. Dennoch muss man nicht davon reden, dass wir unsere Saison nur mit dem DFB-Pokal noch retten können.

SPOX: Da klingen Sie zufriedener als Ihre eigenen Fans...

Allofs: Natürlich wären alle enttäuscht, wenn wir zwei Gelegenheiten auf einen Titel ungenutzt verstreichen ließen und am Ende nicht für den internationalen Wettbewerb qualifiziert wären. Aber dass es nun um Schadensbegrenzung gehen soll, kann ich nicht nachvollziehen.

SPOX: Demnach ändert das Ergebnis am Samstag auch nichts an Ihrem persönlichen Saisonfazit?

Allofs: Nein. Es wird auch nach diesem Spiel nicht schwarz oder weiß sein. Wir wissen, dass wir in dieser Saison einige Dinge nicht besonders toll gemacht haben, vor allem in der Bundesliga. Wir hatten einfach keine Konstanz, und das wollen und können wir auch nicht wegwischen. Aber egal, ob wir nun gewinnen oder nicht: Wir haben uns in dieser Saison international sehr gut verkauft, wir mussten im Pokal immer auswärts antreten und sind trotzdem ins Endspiel gekommen. Das lasse ich mir auf keinen Fall schlecht reden.

SPOX: Das Endspiel ist für beide Klubs die letzte Chance auf die neue Europa League, die immerhin lukrativer sein soll als der alte UEFA-Cup. Ein wichtiger Planungsfaktor?

Allofs: Tatsächlich wird die Europa League interessanter werden als der UEFA-Cup. Aber rein wirtschaftlich ist der Unterschied nicht wirklich gravierend. Es gibt am Ende doch keine Garantie auf Einnahmen, die mit der Champions League auch nur vergleichbar wären.

SPOX: Und welche Rolle spielt der internationale Wettbewerb für die sportliche Perspektive?

Allofs: Für die Entwicklung unserer Mannschaft - und natürlich auch der von Leverkusen - wäre es sicher ein Rückschlag oder zumindest Stillstand, wenn man nicht international vertreten wäre. Unsere Zuschauer haben sich daran gewöhnt, unser Kader ist auch darauf ausgerichtet. Zudem ist es einfach die geeignete Plattform, um Spieler weiterzuentwickeln.

SPOX: Es heißt auch, Spielerverpflichtungen wären einfach, wenn man international spielt. Klischee oder Wirklichkeit?

Allofs: Tatsächlich kann das natürlich ein Argument sein. Aber wenn ein Spieler der Auffassung ist, dass Werder der richtige Klub für ihn ist, dann wird er es nicht davon abhängig machen, ob wir im nächsten Jahr in der Europa League dabei sind.

SPOX: Mit Bremen und Leverkusen treffen zwei Teams aufeinander, die für offensiven und attraktiven Fußball stehen. Unter dem Strich trifft aber auch der Bundesliga-Neunte auf den Zehnten. Was sagt das über offensiven Fußball aus?

Allofs: Es ist richtig, dass es zwei Mannschaften sind, die offensiv spielen. Aber es sind eben auch zwei Mannschaften, die nicht in der Lage waren, das konstant auf hohem Niveau zu tun. Man hat es ja an den Leistungen von Leverkusen gesehen, die teilweise eines Champions-League-Teilnehmers würdig waren. Und genauso hat man das von Werder Bremen gesehen. Nur eben zu selten.

SPOX: Werder Bremen wird also seiner offensiven Philosophie treu bleiben?

Allofs: Warum auch nicht? Das beste Beispiel ist doch der FC Barcelona. Die haben sich das auf die Fahnen geschrieben, aber da beginnt die Verteidigung bei den Stürmern - und das 35 Meter vor dem eigenen Tor. Offensiv orientiert sein darf nicht heißen, dass man defensiv nicht arbeitet. Wir wollen diese offensive Philosophie auch weiterverfolgen. Nur müssen wir sie sicher auch wieder besser umsetzen.

SPOX: Neben Frank Baumann verlassen mit Diego und vielleicht Claudio Pizarro allerdings wichtige Säulen die Mannschaft, die diese Philosophie entscheidend mitgetragen haben. Stehen Sie vor der vielleicht kniffligsten Sommerpause Ihrer Karriere in Bremen?

Allofs: Ich sehe das nicht ganz so dramatisch. Dass Frank Baumann seine Karriere beendet, war ebenso irgendwo abzusehen, wie der Abschied von Diego, wo sich ja schon seit Monaten die Tendenz abgezeichnet hat, dass Klubs bereit sind, sehr viel Geld für ihn zu bezahlen. Und bei Pizarro ist die Situation im Moment völlig offen. Außerdem haben wir ja in jedem Jahr Abgänge zu verkraften, das müssen wir nun wieder tun - und da sind wir auch schon dabei. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir auch im nächsten Jahr wieder eine sehr gute Mannschaft haben.

SPOX: Viele wünschen sich, dass Sie das Geld aus dem Diego-Deal direkt wieder investieren...

Allofs: Wir werden ja auch sicher neue Spieler verpflichten. Aber es muss sinnvoll sein. Vor allem muss es vom Gehaltsgefüge her passen. Und es müssen Spieler sein, die mit großer Motivation hier in Bremen auftreten. Aber nach dem Abgang von Johan Micoud ist uns das mit Diego ja schon einmal sehr gut gelungen.

SPOX: Mit Micoud und Diego hatten Sie zuletzt jeweils zwei starke Zehner, wodurch sich das System mit der Raute im Mittelfeld etabliert hat. Wollen Sie konzeptuell nun weiter bei der Raute bleiben?

Allofs: Nicht zwangsläufig. Die Situation ist viel einfacher: Wir suchen Spieler, die gut sind. Und gute Spieler können in verschiedenen taktischen Formationen auflaufen. Außerdem ist Thomas Schaaf auch flexibel genug, die Fähigkeiten der einzelnen Spieler adäquat einzusetzen.

SPOX: Sie sagten im Frühjahr: "Der Kader steht insgesamt auf dem Prüfstand." Wie ist die Prüfung denn nun ausgefallen?

Allofs: Eine Mannschaft, die fünf Jahre in Folge Champions League spielt, steht immer auf dem Prüfstand. Wir haben natürlich die Erwartung, dass die Spieler ihr Potenzial abrufen, und wenn das nicht geschieht, muss man sehen, ob man Veränderungen vornimmt.

SPOX: Aber einige Spieler haben Ihr Potenzial eben nicht, wie gefordert, abgerufen. Die "zweite Reihe" hat sogar eher enttäuscht. Vor allem auf der Außenverteidigerposition und im Sturm.

Allofs: Ich rede nicht öffentlich über Namen oder einzelne Positionen. Außerdem gilt es ganz allgemein: Alle Positionen werden überprüft - immer.

SPOX: Über einige Personalien muss man dennoch ganz konkret sprechen. Naldo soll bei Olympique Marseille im Gespräch sein...

Allofs: Also uns liegen für Naldo keine Angebote vor.

SPOX: Bleibt noch Thomas Schaaf, der zum ersten Mal in dieser Saison selbst in der Kritik stand. Nach Wolfsburg sucht jetzt der HSV einen neuen Trainer.

Allofs: Thomas Schaaf wird auch im nächsten Jahr Trainer von Werder Bremen sein. So einfach ist das.

Bayer Leverkusen - Werder Bremen: Die Bilanz gegeneinander