Bundestrainer Julian Nagelsmann spricht über Job seines verstorbenen Vaters beim Geheimdienst: "Selbst mein Opa glaubte, sein Sohn sei Soldat"

Von SID / Oliver Maywurm
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Julian Nagelsmann hat von seinem früh verstorbenen Vater viel fürs Leben und seinen Beruf gelernt. "Den Mut für Entscheidungen, den habe ich definitiv von meinem Papa", sagte der Bundestrainer dem Spiegel.

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Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin sprach Nagelsmann erneut sehr offen über den Suizid seines Vaters, den er im Alter von 20 Jahren verloren hat. "Diese Zeit hat mich geprägt", sagte er. Obwohl er noch so jung gewesen sei, habe er sich "auf einmal um die Familie kümmern" und "schwerwiegende Entscheidungen" treffen müssen, "auch um meine Mutter zu entlasten".

Diese Lebensphase helfe ihm bei der Einordnung aktueller sportlicher Belange, erzählte der Bundestrainer. "Wenn man dann entscheiden muss, ob man das Elternhaus verkauft oder nicht, damit es der Mama wieder besser geht, dann hat das eine andere Dimension als die Frage, ob nun der eine oder der andere Stürmer von Beginn an spielt."

Sein Vater, der für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet habe, "musste im Beruf immer wieder Entscheidungen treffen in dem Bewusstsein, dass der ganze Plan auch in die Hose gehen konnte", meinte Nagelsmann. Daraus habe er gelernt: "Das Schlimmste im Leben ist, wenn man keine Entscheidungen trifft." Das vermittle er auch seinen Spielern. "Ich glaube, dass ich in solchen Momenten authentisch auftreten kann, weil ich in meinem Leben einiges erlebt habe."

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Julian Nagelsmann erfuhr vom Job seines Vaters, als er "15 oder 16 Jahre alt" war

Dabei habe Nagelsmann senior aus "väterlicher Sorge" nicht gewollt, dass sein Sohn den Trainerberuf ergreife. "Er wollte lieber, dass ich mein Wirtschaftsstudium abschließe. Aber ich wusste früh, dass das nicht meine Welt ist."

Dass sein Vater beim Geheimdienst arbeitete, erfuhr Nagelsmann indes, als er "15 oder 16 Jahre alt" war. Er wisse "gar nicht genau, was er gemacht hat. Er war jedenfalls nicht in der Verwaltung."

Nachdem sein Vater ihm von seinem Job erzählt hatte, sei er derjenige gewesen, "mit dem er sich am meisten darüber ausgetauscht hat", sagte Nagelsmann. "Häufig auf den Fahrten zum Training von Landsberg, wo wir gewohnt haben, nach München. Ich habe damals in der Jugend beim TSV 1860 gespielt. Dann hat er ein wenig erzählt, aber das bewegte sich eher im Mikroprozentbereich. Er durfte über seinen Job nicht sprechen."

Wenn er beispielsweise in der Schule gefragt wurde, was sein Vater beruflich mache, habe er gesagt, "was ich früher auch immer geglaubt habe, was er war: Berufssoldat. Selbst mein Opa glaubte, sein Sohn sei Soldat."

Julian Nagelsmann übernahm viele Eigenschaften seines verstorbenen Vaters

Er habe viele Eigenschaften von seinem Vater übernommen, was sich nun auch in seinem Beruf widerspiegele, führte Nagelsmann aus: "Als Trainer mache ich mir nicht so viele Gedanken darüber, was die Leute von mir oder von meinen Entscheidungen halten. Gerade zu Beginn meiner Karriere habe ich einfach Dinge gemacht, ohne Rücksicht darauf, wie sie wirken."

Zum Beispiel stellte er, als er bei der TSG Hoffenheim erstmals in der Bundesliga an der Seitenlinie stand, einfach mal vier Stürmer auf. "Da dachten alle, ich sei bekloppt, doch wir haben einen wichtigen Punkt geholt. Inzwischen wäge ich mehr ab."

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