"Ich finde es schade für die Spieler"

Von Daniel Reimann
Marcus Sorg trainiert seit vergangenem Sommer die U-19-Nationalmannschaft
© getty

Marcus Sorg wurde beim SC Freiburg als Robin Dutts Nachfolger Cheftrainer. Nach einem Intermezzo in der Bayern-Jugend wurde Sorg U-19-Nationaltrainer. Vor dem Auftaktspiel gegen Bulgarien (Sa., 20.15 Uhr im LIVE-TICKER) spricht er im SPOX-Interview über den Druck beim FC Bayern, die Chancen bei der EM und die zu Hause gebliebenen Top-Talente.

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SPOX: Ihre Profikarriere begann 2011 in Freiburg. Hat es Sie damals überrascht, dass es innerhalb von drei Jahren so steil bergauf ging?

Marcus Sorg: Damit konnte ich nicht rechnen. Es geht im Fußball so schnell in die eine oder andere Richtung. Ich habe einfach nur meine Aufgabe so gut wie möglich gemacht.

SPOX: Sie übernahmen das schwere Erbe von Robin Dutt und wurden nach einem halben Jahr entlassen. Kam der Schritt in den Profibereich zu früh?

Sorg: Nein, überhaupt nicht. Aber man wird am Schluss immer an den nackten Ergebnissen gemessen. Wer im Profifußball arbeitet, weiß, dass es sehr schnell gehen kann.

SPOX: Im Anschluss ging es für sie zur U 17 des FC Bayern. Wie kam es zu diesem Engagement?

Sorg: Ich habe von Hans-Jörg Butt einen Anruf erhalten. Damals habe ich mir mehrere Sachen angehört. Die Gespräche mit dem FC Bayern waren sehr positiv, deshalb habe ich mich dafür entschieden.

SPOX: Bayern ist das Nonplusultra im Weltfußball. Wie gehen die Jugendspieler damit um? Spüren sie großen Druck oder sind sie einfach nur ehrgeizig?

Sorg: Es ist schon eine besondere Bürde beim FC Bayern. Wie bei jedem Verein gibt es Vor- und Nachteile. Die Spieler fühlen sich oft sehr früh unter Druck gesetzt, sie stehen früh im Fokus. Schon alleine aufgrund der besonderen öffentlichen Wahrnehmung.

SPOX: Beim DFB trainieren Sie die U 19. Was unternehmen Sie als Coach, um die Spieler auf dem Boden zu halten?

Sorg: Größtenteils übernehmen das die Vereine und das persönliche Umfeld der Spieler. Aber die Jungs aus dem aktuellen Team sind alle komplett bodenständig, die sind alle geerdet. Sonst wären sie auch nicht dort, wo sie jetzt sind. Die, bei denen man vermutet, dass sie abheben, die sind hier nicht dabei.

SPOX: Wenn Sie Ihre Arbeit im Jugendarbeit mit der als Cheftrainer vergleichen: Welche Vorteile hat die Jugendarbeit?

Sorg: In der Jugend sind die Spieler noch nicht völlig ausgebildet, man kann sie noch formen. Internationale Turniere sind unbezahlbar für die sportliche und persönliche Entwicklung der jungen Spieler. Auch wenn die Spieler, die ich aktuell betreue, zwar noch in jugendlichem Alter sind, aber von ihnen keiner mehr in der Jugend spielt. Die meisten spielen ja schon Bundesliga.

SPOX: Mit ihrer Truppe treten Sie zur U-19-EM an. Das Lineup - Ungarn, Ukraine, Bulgarien, Israel und Österreich - klingt nicht gerade nach der Creme de la Creme von Europas Fußball. Deutschland wird um die Favoritenrolle nur schwer herum kommen, oder?

Sorg: Diese Teams haben die - wie Sie es beschrieben haben - "Creme de la Creme" ausgeschaltet, deshalb sind sie hier. Und da muss man jeden Gegner sehr ernst nehmen. Ob wir Favorit sind oder nicht, spielt für mich keine Rolle. Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Und ganz am Schluss das Ding mit nach Hause nehmen.

SPOX: Aufgrund des etwas unglücklichen Termins verzichten Sie komplett auf eine Vorbereitung. Inwiefern erschwert es das Einspielen und das Üben von Automatismen?

Sorg: Wir arbeiten immerhin schon ein Jahr mit dieser Mannschaft zusammen. Aber es wäre mit Sicherheit besser gewesen, wenn wir ein paar Tage mehr gehabt hätten, um die Automatismen und Vorgehensweisen wieder aufzufrischen. Aber wir haben entschieden, die Vorbereitung lieber kürzer zu halten und die Spieler überwiegend dabei zu haben, die bei der Endrunde dabei waren.

SPOX: Allerdings fehlen viele Top-Spieler wie Max Meyer und Timo Werner im Aufgebot, weil ihre Vereine sie nicht freigeben wollten. Ärgert Sie das oder haben Sie Verständnis für die Vereine?

Sorg: Weder noch. Das muss man akzeptieren. Aber ich finde es schade für die Spieler selbst, dass sie dieses Turnier nicht bestreiten können. Die Wichtigkeit solch eines Turniers haben wir betont. Leider sehen das diese beiden Vereine anders.

SPOX: 2008 wurde Deutschland letztmals U-19-Europameister. Damals spielten Leute wie Ron-Robert Zieler und die Bender-Zwillinge mit. Hat das heutige Team auch solch eine Qualität?

Sorg: Ich habe das Team von 2008 nicht trainiert, deshalb fällt mir ein Vergleich schwer. Aber die jetzige Auswahl hat eine sehr hohe Qualität. Ich hoffe sehr, dass sie gut abschneiden, denn sie werden schlicht und ergreifend anders bewertet, wenn sie einen Titel holen. Das ist einfach so. Das ist ein Grund mehr, warum diese großen internationalen Turniere so wichtig sind. Und das ist ein Grund mehr, diese Spieler mitzunehmen.

SPOX: Die U 19 von 2008 hat große Stars hervorgebracht. Wer könnte aus der aktuellen Auswahl der nächste sein? Wer ist am Weitesten?

Sorg: Das ist individuell nur schwer zu bewerten. Viele Spieler spielen bei Bundesliga-Vereinen schon eine wichtige Rolle und sind im Blickfeld der ersten Elf. Es ist schwer zu prognostizieren, dass es der eine eher aber der andere nichts schaffen könnte. Aber ich hoffe, dass so viele wie möglich den großen Sprung packen.

SPOX: Was ist denn mit Ihnen persönlich? Ihr Vertrag läuft aus...

Sorg: Da mache ich mir überhaupt keine Gedanken drum. Das kommt dann von alleine.

SPOX: Beim DFB wird bald eine ziemlich prominente Stelle frei - die neben Joachim Löw. Auch Sie wurden schon als Kandidat gehandelt.

Sorg: Das ist für mich kein Thema. Ich befasse mich nur mit der EM, nicht mit ungelegten Eiern. Am Ende muss Joachim Löw die für sich richtige Lösung finden.

Marcus Sorg im Steckbrief