Khedira: Ende der Diplomatie

Sami Khedira saß gegen die USA 90 Minuten auf der Bank
© getty

Das Mittelfelddreieck überzeugte gegen die USA und wird wohl auch die Premiumlösung für die K.o-Runde sein. Für Sami Khedira ist dann kein Platz mehr. Der ist nicht begeistert und stichelt dezent. Bundestrainer Joachim Löw hat sich selbst in eine Zwickmühle manövriert.

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Mats Hummels kommt aus einer sportbegeisterten Familie. Sein Vater war jahrelang Jugendtrainer beim FC Bayern München, seine Mutter ist Sportjournalistin. Hummels kennt die Abläufe des Geschäfts, er kann die Wünsche der Journalisten und ihre Denkweise verstehen, er kennt aber auch die Tücken.

Als er nach dem Spiel gegen die USA zur Leistung von Bastian Schweinsteiger befragt wurde, dachte er schon einen Schritt weiter. Er versetzte sich in die Rolle des Reporters und witterte Gefahr.

Deshalb sagte er: "Wenn ich jetzt etwas pro den einen sage, dann kann das contra dem anderen ausgelegt werden." Fußballdiplomatie vom Feinsten.

Khedira wechselt den Modus

Auch Sami Khedira kennt sich bestens aus in der Branche, er ist lange genug dabei und macht in Spanien täglich mit der hyperventilierenden Sportpresse Madrids und Barcelonas Bekanntschaft.

Eigentlich besitzt auch er in Interviews den Diplomatenpass. Recht vorsichtig und die Worte genau abwägend tritt er auf, seine Sprache gleitet dann manchmal auch ins Floskelhafte ab.

Seine Wortwahl in der Mixed Zone der Arena Pernambuco darf deshalb durchaus mit einem erstaunten Hoppla registriert werden. Khedira hatte nämlich seine eigene Sichtweise in der Bewertung des Spiels, in der seine direkten Konkurrenten im Mittelfeld nicht ganz so gut weg kamen wie beim Rest der Belegschaft.

Zu langsam, zu wenig Zug zum Tor

Er war clever genug auch das Ghana-Spiel in die Anfangsphase seiner Kritik einzubauen, da stand er noch selbst auf dem Platz, aber konkret wurde er in seinen Ausführungen in Bezug auf das Spiel gegen die USA.

"Wir haben zu langsam gespielt, die Amerikaner hatten es relativ leicht", sagte der 27-Jährige. Die Mannschaft habe zwar in Teilen clever gespielt, "aber um im Turnier weit zu kommen, müssen wir unser Spiel noch schneller machen und vorne die Box besetzen."

Es wäre übertrieben, von einer Kampfansage zu sprechen - aber ohne Klang und Widerhall sind diese Aussagen nicht. Zumindest war es eine kleine Stichelei gegen das vom FC Bayern geprägte Mittelfeldspiel.

Mehr Kontrolle, bessere Balance

Denn nur ein paar Meter weiter standen Philipp Lahm und Toni Kroos, die die bessere Kontrolle und Balance im Spiel priesen. Außerdem habe die Mannschaft im Kollektiv wieder besser verteidigt. Im Spiel nach vorne habe nur der letzte Pass gefehlt. Von mangelndem Tempo war da nicht die Rede.

Dass Khedira auch das fehlende Nachrücken in den Strafraum bemängelte, zeigt, dass der Real-Madrid-Profi mit diesen Aussagen auch für seine Rolle im Team kämpft. Er war es, der gegen Portugal immer wieder die Läufe in die Tiefe machte und die offensivste Position im Dreiermittelfeld bekleidete.

Es waren Ansätze, die Erinnerungen an den kraftvollen, offensiven Khedira aus Stuttgarter Tagen hervorriefen. Aber waren es auch Aktionen, die sich Löw und der Rest der Mannschaft auf dieser Position wünschen?

Vom FC Bayern beeinflusst

Mit der Versetzung von Lahm ins Mittelfeld hat Löw die Umstellung auf das 4-3-3 vollzogen. Er hat den Kapitän auf die zentrale Position vor der Abwehr gestellt und damit Khediras Kernressort weggenommen. Auf der Halbposition wirkte er schon beim ersten Test gegen Armenien desorientiert.

Er passt nicht so recht ins dominierende Passspiel von Kroos und Lahm, die dies aus München gewohnt sind und mit Schweinsteiger an ihrer Seite auch so gespielt haben wie beim FC Bayern. Und Löw hat sich in seiner Amtszeit schon mehrfach von Strömungen beim Rekordmeister beeinflussen lassen. Auch in diesem Turnier ist der Bayern-Block mit sechs Spielern in der Startelf sehr stark.

Khedira fällt im Passspiel ab

Dass Lahms Fehlpass vor dem zweiten Treffer der Ghanaer eine derart heftige Debatte in der Öffentlichkeit nach sich zog, dürfte ihm nicht geschmeckt haben. Zumal er nicht der Alleinschuldige war. Khedira machte eine Bewegung in die falsche Richtung, er machte Platz für seinen Gegenspieler anstatt dem Ball entgegenzugehen und den sicheren Pass weiter zu spielen.

Deutschland hat im Turnier bisher die meisten Pässe gespielt. Kroos und Lahm belegen in den Rubriken "gespielte Pässe" und "Passquote" zwei der ersten drei Plätze (Kroos: 289 Pässe/ 93,1 Prozent angekommen, Lahm: 279 Pässe, 92,5 Prozent angekommen).

Khedira fällt mit 84,9 Prozent angekommener Pässe deutlich ab und ist vor allem in der gegnerischen Hälfte, wenn der Raum knapper wird, nicht mehr so passsicher (79,7 Prozent).

Löw in der Zwickmühle

Wenn Löw weiterhin im 4-3-3 spielen lässt - und nichts deutet auf einen Wechsel hin -, ist die bayerische Besetzung die bessere Lösung. Die Aussagen der Bayern Lahm, Kroos, Manuel Neuer und Jerome Boateng lassen sich in diese Richtung deuten.

Auch Löw meinte nach dem USA-Spiel: "Im Mittelfeld waren wir heute sehr, sehr stark, das Mittelfeld hat das Spiel beherrscht."

Löw hat Khedira vor dem Turnier einen Freifahrtsschein ausgestellt und ihm aufgrund seiner Persönlichkeit einen Sonderstatus gegeben. Einen wirklichen Platz hat er für ihn auf dem Platz allerdings nicht mehr. Er wird diesen Konflikt in den nächsten Tagen vorsichtig und diplomatisch moderieren müssen.

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