Technischer Direktor von Galatasaray Istanbul sieht Jugendarbeit des FC Bayern München kritisch: "Hat sehr gelitten"

Von Tim Ursinus
Thomas Tuchel trifft heute mit dem FC Bayern München auf Galatasaray Istanbul.
© Getty Images

Der Technische Direktor von Galatasaray Istanbul, Marco Pezzaiuoli, sieht die Nachwuchsarbeit und Talentförderung des FC Bayern München kritisch. Das erklärte er vor dem Duell des türkischen mit dem deutschen Rekordmeister in der Champions League (18.45 Uhr) gegenüber Sport1.

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"Die Jugendarbeit beim FC Bayern hat sehr gelitten", sagte Pezzaiuoli, der vor seinem Engagement bei Gala unter anderem im Jugendbereich des DFB tätig war.

Es sei jedoch "auch wirklich nicht leicht für ein Talent, sich dort durchzusetzen. Der Anspruch ist dort extrem hoch. Es ist einer der besten Vereine in der Welt. Dort sich durchzusetzen, ist unheimlich schwer. Der letzte Spieler, der es geschafft hat, war Jamal Musiala. Davor waren es (Thomas) Müller, (Bastian) Schweinsteiger und (David) Alaba. Musiala war aber ein gekaufter Spieler", erklärte er.

Musiala war erst 2019 von der Jugend des FC Chelsea an die Säbener Straße gekommen, ehe er innerhalb eines Jahres zu den Profis aufstieg. "Nur die außergewöhnlichen Talente schaffen den direkten Weg nach oben. So wie es Musiala war oder auch bei Alaba", ergänzte Pezzaiuoli. Letzterer hatte in der Rückrunde der Saison 2010/11 per Leihe unter dem damaligen Trainer der TSG Hoffenheim gespielt.

"Es braucht manchmal diese Zwischenstation, wie auch bei Philipp Lahm, als er beim VfB Stuttgart spielte, bevor er dann wieder zum FC Bayern zurückkehrte. Von der Junioren-Bundesliga oder von der zweiten Mannschaft bei Bayern direkt den Sprung in die Champions League - das ist verdammt schwer", sagte Pezzaiuoli und nannte den derzeit an Bayer Leverkusen verliehenen Josip Stanisic als weiteres Beispiel: "Man muss Geduld haben. Auf dem höchsten Niveau packt es einer von 1000."

DFB "auf dem richtigen Weg" bei Jugendarbeit

Pezzaiuoli, der seit November 2022 bei Galatasaray Istanbul arbeitet, lobte dafür die Jugendarbeit des DFB. Dieser sei "auf dem richtigen Weg. Die neue Konzeption, dass Kinder mehr Ballkontakte, Kreativität, Zweikämpfe und Entscheidungen haben sollen und es kleinere Spielfelder geben soll, gefällt mir. Ich bin davon überzeugt. Das wird auf lange Sicht von Erfolg gekrönt sein."

Wichtig für eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit sei die "Trainerausbildung" und, dass "der Trainer sich nicht über den Erfolg des Teams definiert, sondern über seine Ausbildung. Dann müssen spielgerechte Felder geschaffen werden, das will der DFB jetzt hinbekommen. Kinder wollen gewinnen und Erfolg haben. Der Wettkampf-Charakter muss bestehen bleiben. Zum anderen ist der Übergangsbereich ein ganz wichtiger Faktor. Da bedarf es an professioneller Struktur. Es hilft nicht nur eine zweite Mannschaft zu haben und Spieler auszuleihen, wichtig ist individuell abgesteckte Betreuung, Begleitung und Optimierung in Form von Fußball, Video, Athletik und Psychologie. Das muss alles individuell auf den Spielern abgesteckt werden."

Die Kommunikation sei der Schlüssel. "Man benötigt zweierlei Trainer. Die einen, die eine Weiterentwicklung für sich selbst sehen, aber nicht auf Kosten von Jugendlichen", erklärte Pezzaiuoli und nannte "das größte Problem" im Nachwuchsbereich: "Die Bezahlung im Kinderbereich ist zu niedrig. Es wird einfach nicht honoriert. Man braucht auch in dieser Altersstufe Spezialisten. Leider sind die Trainer unter der U15 nicht qualifiziert genug. Jeder möchte ein (Julian) Nagelsmann sein. Da kann ich auch noch (Domenico) Tedesco nennen, der aus dem Nachwuchs kam."

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© getty

FC Bayern München? "Werden nicht in Demut verfallen"

Im Spiel gegen den FC Bayern am Dienstagabend sieht Pezzaiuoli die Hausherren aus Istanbul derweil nicht chancenlos. "Wir werden nicht in Demut verfallen", sagte er und verwies auf die besondere Atmosphäre im RAMS Park.

Dennoch sei der Respekt vor dem FC Bayern weiterhin groß. "Die Münchner sind in der Offensive überragend bestückt. Der aktuelle Tabellenplatz drei drückt nicht das aus, was in der Truppe steckt. In der Champions League stehen die Bayern auf dem ersten Platz in der Gruppe und die Spieler wachsen über sich hinaus und können ihre Leistung abrufen, wenn sie auf dem höchsten Niveau spielen und den Kitzel bei der Hymne spüren. Hoffentlich spüren die Bayern diesen Kitzel gegen uns nicht."

Champions League: Die Gruppe A im Überblick

RangTeamSpieleDifferenzPunkte
1Bayern München226
2Galatasaray214
3FC Kopenhagen2-11
4Manchester United2-20
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