Klinsmann hat die Schnauze voll

Von Thomas Gaber
Jürgen Klinsmann kassierte in seiner ersten Saison als Bayern-Trainer schon sieben Niederlagen
© Getty

Der Trainer des FC Bayern greift erstmals öffentlich seine Spieler an und droht sogar mit Kündigungen. Während die spanische Presse die Bayern verhöhnt, gefällt Barca-Coach Guardiola das 1:5 in Wolfsburg überhaupt nicht.

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An Niederlagen hat sich Jürgen Klinsmann als Bayern-Trainer mittlerweile gewöhnt. Sieben Pflichtspiele haben die Münchner in dieser Saison bereits verloren, im Jahr 2009 alleine fünf. Und bisweilen gab es ordentlich was auf die Finger: 2:5 gegen Bremen, 2:4 gegen Leverkusen, 1:5 gegen Wolfsburg.

"Jeder Spieler muss sich hinterfragen"

Egal wie heftig die Kritik ausfiel und egal wie nachdrücklich die Fans den Kopf des Trainers forderten, stellte sich Klinsmann nach Niederlagen stets vor die Mannschaft und übernahm die alleinige Verantwortung.

Doch der Kuschelkurs mit den Spielern ist seit Sonntag Geschichte. Nach der Schande von Wolfsburg attackierte Klinsmann erstmals sein kickendes Personal und wählte bei der Generalabrechnung ungewöhnlich scharfe Worte.   

"Ich habe zehn Monate den Kopf hingehalten. Jeder Spieler muss jetzt mit sich selbst ins Gericht gehen und sich hinterfragen, ob er alles für den FC Bayern gegeben hat. Es wird Zeit, dass die Spieler Verantwortung übernehmen", sagte Klinsmann.

Seine Profis habe er mit einer "klaren Botschaft" für das Champions-League-Spiel am kommenden Mittwoch beim FC Barcelona nach Hause geschickt. "Mir ist wichtig, dass jeder begreift, was auf dem Spiel steht: das Jahr 2009 des FC Bayern, die Zukunft des FC Bayern."

Klinsmann droht mit Rauswürfen

Es geht aber auch um die Zukunft jedes Einzelnen. Klinsmann schließt Kündigungen am Saisonende nicht aus.

"Die Spieler müssen wissen, dass es irgendwann mal Konsequenzen geben kann. Wir werden uns nach der Saison genau anschauen, welcher Spieler was für den FC Bayern gebracht hat und dann entscheiden, auf welche Spieler wir bauen. Und das geschieht unabhängig von bestehenden Verträgen."

Klinsmanns Tiraden erinnern stark an die Saison 2006/07. Nach der 1:2-Heimniederlage im April 2007 gegen den Hamburger SV hatte Manager Uli Hoeneß die Spieler öffentlich abgewatscht und einen radikalen Schnitt angekündigt.

Ganz so dramatisch wie damals ist die Situation jetzt (noch) nicht. Die Bayern können nach wie vor viel gewinnen in dieser Saison. Doch selbst Klinsmann zieht Parallelen. "Als 2006 das Double gewonnen wurde, hat man gemeint, alles ist ein Selbstläufer. Das hat Felix Magath seinen Job gekostet und Ottmar Hitzfeld wurde Vierter und musste UEFA-Cup spielen."

Rechnet Klinsmann mit seiner Entlassung, sollten die Bayern sämtliche Saisonziele verfehlen? Zumindest käme ein Rauswurf für den Coach dann wohl nicht mehr überraschend.

"Ich muss auch quälen können"

Klinsmann kümmert sich aber weniger um mögliche Zukunftsszenarien, als viel mehr intensiv um die Gegenwart. Und die macht dem Coach schwer zu schaffen. Am Debakel in Wolfsburg seien weder taktische noch spielerische Fehler schuld gewesen, sondern zum wiederholten Mal Bayerns unsägliche Laissez-faire-Einstellung.

"Es war ein Deja-vu-Erlebnis. Einmal mehr hat der letzte Wille gefehlt. Was mich wütend gemacht hat, war, dass die Mannschaft nach dem 1:3 aufgegeben hat. Ich muss mich quälen und zerreißen können, auch wenn mal ein schlechter Tag da ist", so Klinsmann.

Der Coach unterstellte seinen Spielern, mit den Gedanken schon in Barcelona gewesen zu sein. "In dem einen oder anderen Spielerkopf hat die Champions League Priorität. Das ist fahrlässig. Ich habe Sorge, dass der allerletzte immer noch nicht begriffen hat, dass wir deutscher Meister werden müssen."

Van Bommel versteht Klinsmann

Starker Tobak. Immerhin traf Klinsmann den Nerv der Spieler. "Der Trainer hat recht, dass wir uns hinterfragen müssen. Wer im Kopf schwach ist, gehört nicht zum FC Bayern", sagte Kapitän Mark van Bommel.

Und wer im Kopf schwach ist, der sollte das Camp Nou am kommenden Mittwoch besser meiden. Diese Befürchtung hat Klinsmann aber keineswegs.

"Ich habe vor Barcelona weniger Bammel als vor  Frankfurt und Karlsruhe. Die Spieler wissen, dass die ganze Welt auf sie schaut. Da wollen sie sich beweisen und zeigen, was sie drauf haben. Aber es geht natürlich nur mit Willenskraft, Aufopferungsbereitschaft und mit Laufen, Springen, Rennen."

Guardiola erwartet starke Bayern

Das Fußball-ABC funktionierte beim nächsten Gegner in letzter Zeit recht ordentlich, wenngleich der 1:0-Sieg des FC Barcelona bei der Generalprobe in Valladolid eher nüchtern herausgespielt wurde.

Trainer Pep Guardiola ließ mit Lionel Messi, Thierry Henry und Dani Alves drei Stammspieler auf der Bank. Die drei werden gegen die Bayern von Beginn an dabei sein.

Das Ergebnis der Bayern in Wolfsburg hat Guardiola natürlich mitbekommen. Gefallen hat es ihm nicht. "Man kann Liga und Champions League nicht vergleichen. Für uns ist das Ergebnis der Bayern das schlechteste, was passieren konnte. Sie sind jetzt angeschlagen, aber genau das macht sie so gefährlich. Alle Bayern-Spieler haben eine hohe Qualität und sind gewillt, das Ergebnis von Wolfsburg zu korrigieren", sagte der Barca-Coach.

Lucio fällt wohl aus

Die Presse schert sich wenig um Bayerns angeknackstes Selbstbewusstsein und etwaige daraus resultierende Heldentaten. Die Barca-nahe Zeitung "Sport" verteilt lieber Häme. "Die Abwehr der Münchner war durchlässig wie ein Sieb. Solche Niederlagen können Wunden hinterlassen, vor allem wenn man bedenkt, dass es am Mittwoch gegen Angreifer wie Lionel Messi, Samuel Eto'o oder Thierry Henry geht."

In Anbetracht der Wucht der Barca-Angreifer bereitet die Verletzung von Lucio den Bayern zusätzlich Sorgen. Der Innenverteidiger fällt wegen einer Adduktorenzerrung für unbestimmte Zeit aus. Ein Ausfall für Mittwoch gilt als sicher.

Ob Daniel van Buyten mit nach Spanien kommt, ist weiter fraglich. Der Belgier weilt aus familiären Gründen noch in seiner Heimat. "Er ist freigestellt, solange er es für richtig hält. Die Familie genießt Priorität vor dem Fußball", sagte Klinsmann.

Dagegen werden die angeschlagenen Franck Ribery (Schlag auf den Fuß) und Philipp Lahm (Wadenprellung) wohl spielen können.

Bayern - Barcelona: Die Bilanz gegeneinander