S04: Probleme im Kartenhaus

Von SPOX
Schalkes Spieler schleichen nach der Abreibung in Wolfsburg vom Platz der Volkswagen-Arena
© Getty

Glück gegen einen Fünftligisten, sieben Gegentore nach zwei Bundesligaspielen, Konzentrationsdefizite bei Standardsituationen - der FC Schalke 04 weist zu Saisonbeginn ein veritables Defensivproblem auf.

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Reaktionen:

Jens Keller (Trainer Schalke): "Das 0:4 ist ein deutliches Ergebnis, das mir natürlich gar nicht gefällt. In den Minuten nach der Pause haben wir es zunächst ordentlich gemacht, dann aber die Wolfsburger zu den Toren eingeladen. Das muss man leider so sagen. Ob Klaas-Jan Huntelaar gegen PAOK Saloniki wieder spielen kann, weiß ich noch nicht. Er hat ein Stechen im Knie gespürt, weshalb ich ihn in der Pause ausgewechselt habe. Wir müssen abwarten, wie sich die Verletzung bis Mittwoch entwickelt."

Dieter Hecking (Trainer Wolfsburg): Für uns war es ein perfekter Nachmittag. Nicht nur wegen des Ergebnisses, sondern auch, weil wir nach der Auftaktniederlage in Hannover sehr überzeugend aufgetreten sind. In der ersten Hälfte war das Spiel ausgeglichen. Wir hatten zwar etwas mehr Möglichkeiten, aber die beste Chance hatte Schalke durch Klaas-Jan Huntelaar. Da hatten wir Glück. In der Kabine haben wir uns dann für die zweiten 45 Minuten viel vorgenommen. Wir wollten den Gegner zu Fehlern zwingen, das ist uns gelungen. Dass wir bei ruhenden Bällen nur ganz schwer zu verteidigen sind, ist uns bewusst. Das war bereits in der vergangenen Rückrunde so."

Luiz Gustavo (Wolfsburg): "Ich habe sehr schwierige und komplizierte Monate hinter mir. Ich komme direkt von der Nationalmannschaft und habe nicht so viel geschlafen. Aber ich muss immer bereit sein und ich war bereit."

Nachbetrachtung:

Es ist immer so eine Sache, wenn die Pflichtspielsaison mit einer Partie im DFB-Pokal startet. Gerade gegen einen unterklassigen und deshalb hochmotivierten Gegner. Die Profiteams wissen nicht, wo sie nach einer langen Vorbereitungsphase stehen und tun sich dann mitunter reichlich schwer, Lösungen gegen die tiefstehenden Amateurteams heraus zu kombinieren.

So erging es auch dem FC Schalke 04, als er vor zwei Wochen in Karlsruhe gegen den Fünftligisten FC Nöttingen antrat und am Ende zwar der Sieg, aber vor allem eine enttäuschende Leistung herauskam. Mit etwas mehr Glück im Abschluss hätte Nöttingen den S04 deutlich mehr strampeln lassen können.

"Das einzig Positive" sei der nackte 2:0-Erfolg gewesen, meinte Chefcoach Jens Keller damals. "Uns ist in keiner Sekunde das gelungen, was wir uns vorgenommen hatten. Unter dem Strich müssen wir froh sein, dass wir weitergekommen sind", so Keller.

Ein in dieser Phase nicht untypischer Ausreißer nach unten, lautet die allgemeine Sprachregelung in solchen Fällen. Doch das, was im Wildparkstadion auffällig war, konnte S04 auch beim Start in die Bundesligasaison nicht abstellen.

Schalke offenbart gravierende Mängel im Defensivspiel. Das Hauptproblem: Die Knappen verteidigen nur in Phasen gemeinsam. Viel zu häufig stimmt bislang die Kompaktheit beim Verschieben gegen den Ball nicht. Abstimmungsprobleme bei Standardsituationen, letztlich immer auch eine Sache der Fokussierung, tun ihr übriges.

"Wir müssen konzentrierter arbeiten und weniger Fehler machen", fasste Keller nach dem 3:3 gegen den HSV daher nüchtern zusammen. Damit sich dies schon in Wolfsburg ändert, nahm der Trainer in Innenverteidigung und auf der Doppelsechs jeweils eine Änderung vor und hoffte, durch diese Maßnahmen besonders die Kreise von Diego einzuengen.

Kellers Dreh an den Stellschrauben schien im ersten Durchgang zu fruchten, die Gelsenkirchener zeigten in diesen 45 Minuten defensivtaktisch ihre bisher beste Saisonleistung. Die konzentrierte Arbeit im Verbund ging zwar ein wenig zu Lasten des Spielwitzes in der Offensive, dennoch fand S04 schnell Zugang zu den direkten Duellen und verschob mit allen Mannschaftsteilen ordentlich. "Im ersten Durchgang standen wir defensiv insgesamt sehr sicher und haben konzentriert gegen den Ball agiert", befand auch Keller.

Vier Gegentore schon nach Standards

Dass am Ende dennoch ein ernüchterndes 0:4 stand und in den zweiten 45 Minuten die Gegentore Nummer vier bis sieben fielen, schien einem regelrechten Domino-Effekt geschuldet zu sein. Nach dem durchaus auch etwas unglücklich zustande gekommenen Abstauber-0:1 fiel die Schalker Defensive wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Zwar stimmte die unmittelbare Reaktion nach dem Rückstand, doch Königsblau ließ im Moment des Ballverlustes unerklärlicherweise die Bissigkeit im Umkehrspiel vermissen und rannte fortan nur noch hinterher. Wolfsburg brachte Passgenauigkeit sowie Breite ins Spiel und riss damit immer größere Löcher in den Schalker Defensivverbund, der wiederum mit zunehmender Spielzeit nach und nach gelockert wurde.

Losgelöst von dieser Problematik ist die Schlafmützigkeit bei Standardsituationen zu betrachten. Vier der bislang sieben Gegentreffer fielen so, drei davon nach Eckbällen, die allesamt mit einer höheren Konzentration nicht schwer zu verteidigen gewesen wären.

"Wenn der eine oder andere Spieler jeweils eine Sekunde pennt, wird es schwer, erfolgreich zu verteidigen. Das muss man leider so sagen", meint Keller über die Probleme nach ruhenden Bällen.

Personell wenig Aufschlussreiches

Wolfsburg, das eine gute, aber auch keine herausragende Leistung zeigte, hatte so im zweiten Abschnitt viel zu leichtes Spiel gegen kopflose Gäste. "Die Tore, die wir bekommen haben, fallen zu einfach. Da hat das gesamte Defensivverhalten nicht gepasst", sagte S04-Kapitän Benedikt Höwedes.

Unter dem Strich steht personell wenig Aufschlussreiches, was Keller mit in die Analyse nehmen kann. Felipe Santana erwischte wie schon Joel Matip in der Vorwoche einen rabenschwarzen Tag, Nebenmann Höwedes spielte ähnlich katastrophal, Atsuto Uchida legte das 0:2 auf, Jermaine Jones schenkte reihenweise Bälle her - und Klaas-Jan Huntelaar droht verletzt auszufallen.

Huub Stevens, unter dem auf Schalke immer zunächst die Null stehen musste, wird als S04-Fan nach dem Auftritt in der Volkswagen-Arena die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben. Doch er könnte sich die Hände auch gerieben haben. Kommende Woche trifft Stevens mit PAOK Saloniki gegen seinen Ex-Klub an - zum optimalen Zeitpunkt, muss man derzeit aus Schalker Sicht leider konstatieren.

Wolfsburg - Schalke: Daten zum Spiel