Erfolg oder Umbruch

Von Florian Bogner
Werder Bremen will die kommende Spielzeit erfolgreicher gestalten: Europa ist das Ziel
© Getty

In den Tagen vor dem Start der neuen Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs in einer Vorschau-Serie vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Werder Bremen.

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Nach einer ohnehin schon schwachen Spielzeit und zahlreichen Verletzungen im ersten Halbjahr bekamen sich nun auch noch die Verantwortlichen bei Werder Bremen in die Haare. Zumindest hatte es so den Anschein. Geschäftsführer Klaus Allofs und Thomas Schaaf hätten ein siechendes Team gerne noch weiter verstärkt, der Aufsichtsrat um den Ex-Manager Willi Lemke sagte simpel Nein.

Kein Geld für neue Transfers war angesichts eines Finanzlochs von angeblich 25 Millionen Euro die klare Ansage. Und dann kam mit Sokratis Papastathopoulos doch noch ein weiterer Neuzugang.

Mittlerweile haben sich alle wieder lieb. Einen Machtkampf hätte es ohnehin nie gegeben, betonte Schaaf. "Wir wissen, dass ohne internationales Geschäft eine Menge Kapital fehlt. Trotzdem ist es die Pflicht der sportlichen Leitung anzumerken, dass der gewünschte Fußball so nicht vollziehbar ist. Mehr ist nicht passiert. Man ist doch nicht mit Boxhandschuhen aufeinander losgegangen. Ich habe auch nichts gefordert, sondern nur Dinge aufgezeigt", sagte der Coach zur Auseinandersetzung.

Er und Allofs wollen dennoch bis auf weiteres nicht über eine Vertragsverlängerung über den kommenden Sommer hinaus reden. Es knatscht ein wenig an der Weser. Ob damit die perfekten Voraussetzungen für die Saison gegeben sind, sei einmal dahin gestellt. Zumal Werder wieder ins internationale Geschäft kommen muss, um Leistungsträger wie Tim Wiese, Per Mertesacker, Marko Marin oder Claudio Pizarro zu halten. Sonst steht ein gravierender Einschnitt an.

Das ist neu

Vor allem viel Zweckoptimismus angesichts der angespannten Lage. Allofs konnte den Kader entrümpeln, mit Torsten Frings ging gleichsam der Kapitän und der Spitzenverdiener von Bord.

Doch nur für die bereits zuvor ausgeliehenen Peter Niemeyer (Hertha BSC) und John Jairo Mosquera (Union Berlin) sowie den dritten Torwart Felix Wiedwald (zum MSV Duisburg) gab es einigermaßen erkleckliche Ablösesummen, die aber zusammengenommen gerade mal so an der Ein-Million-Grenze kratzen.

Der Rest verließ Werder ablösefrei, senkt damit aber zumindest das einst auf Champions-League-Fundament errichtete Personalkosten-Niveau. Der Personaletat wurde von 47 auf knapp 40 Millionen Euro eingedampft.

So hatte das Verpassen des internationalen Geschäfts zumindest etwas Gutes. "Es gibt einem die Chance, Neues aufzubauen. Vor zwölf Jahren hatten wir eine vergleichbare Situation. Damals mussten wir die Mannschaft verändern. In ähnlicher Form müssen wir das diesmal machen", sagte Allofs der "Sport-Bild". Zweckoptimismus eben.

Vor zwölf Jahren hatte Schaaf in seiner ersten Saison bewiesen, dass er eine Mannschaft umkrempeln kann. Mit Mehmet Ekici hat das Team wieder einen Spielmacher bekommen, der an der Weser schon mit Mesut Özil verglichen wird - auch wenn das keiner so gerne hört. Fünf Millionen Euro ließ Werder sich den Nachwuchsspieler des FC Bayern kosten. Schaaf lobt: "Er ist zwar noch ein junger Bursche, aber schon einen Tick weiter als meine anderen Spieler."

Weil es in den letzten Jahren vor allem an der Defensivarbeit krankte, legte Werder dort am meisten nach. Für die linke Abwehrseite kam mit Lukas Schmitz ein junger, aber schon bundesligaerprobter Mann aus Schalke. Da mit Per Mertesacker, Naldo und Sebastian Prödl gleich drei Innenverteidiger die Vorbereitung verpassten, holte man Andreas Wolf ablösefrei aus Nürnberg und Papastathopoulos (Allofs: "Er wird uns mit seiner Schnelligkeit, seiner Zweikampfstärke und Spieleröffnung sicher weiterhelfen") aus Italien. Fürs defensive Mittelfeld kam mit Tom Trybull ein Perspektivspieler.

In der Offensive durfte sich dagegen in der Vorbereitung Altbekanntes und der Nachwuchs präsentieren. Markus Rosenberg kam aus Spanien zurück, Marko Arnautovic gelobt für die kommende Saison Besserung: "Es ist viel über mich geschrieben worden. Ich habe im letzten Jahr die Geschichten dazu geliefert. Das ist eindeutig meine Schuld. Ich will mich ändern."

Dazu zeigten mit Felix Kroos, Florian Trinks und Lennart Thy drei Jungspunde, was sie drauf haben. Schaaf tritt hier allerdings auf die Bremse: "Bei denen wird schnell groß berichtet, weil sie fünf Mal den Ball getroffen haben. Das ist nicht so meine Sache, Ich bin da vorsichtiger. Natürlich hat Lennart Thy zuletzt gezeigt, was in ihm steckt. Ihm hat die Vorbereitung richtig gut getan. Doch daran muss er jetzt auch festhalten."

Die Taktik

Die unter Schaaf erprobten Spielsysteme bleiben bestehen. Heißt: Favorisiert ist weiterhin ein 4-4-2 mit Raute, auch ein 4-4-2 mit Doppel-Sechs ist möglich.

Im Tor ist Tim Wiese eine Bank, trägt sich aber mit Abschiedsgedanken. "Es sieht danach aus, dass ich Werder im nächsten Jahr verlassen werde", sagt er bereits der "Bild". Der Grund: er ist zu teuer. "Es ist einfach traurig, dass dem Verein das Geld fehlt, um mit mir zu verlängern."

In der Innenverteidigung sind erstmals die Neuen Wolf und Papastathopoulos gesetzt, bis Mertesacker (Ferse) und Naldo (Knochenödem) wiederhergestellt sind. Der Brasilianer trainiert allerdings nach über einem Jahr Pause in ein bis zwei Wochen wieder voll mit, sagt: "Ich fühle mich sehr gut. Ich bin fit."

Links ist Schmitz gesetzt, rechts der designierte Kapitän Clemens Fritz. Viele Alternativen gibt es ohnehin nicht mehr - Prödl (Muskeleinriss an der linken Gesäßhälfte mit langem Riss an der Muskelsehnenplatte), Mikael Silvestre und Sebastian Boenisch (beide Knorpelschaden) stehen noch auf der Verletztenliste.

Auf der Frings-Position hat Philipp Bargfrede nach einem Durchhänger in der letzten Saison die Nase vorne. "Jetzt ist er wieder voll da, ist bissig, griffig und man sieht, dass er richtig Spaß hat", sagt Schaaf über seinen Sechser. Als Joker ist hier auch noch Aleksandar Ignjovski (1860 München) im Gespräch. Der absolvierte bereits im Juni den obligatorischen Medizincheck in Bremen, die Ablöseverhandlungen stockten dann aber.

Rechts streiten sich der Brasilianer Wesley und Tim Borowski um einen Platz. Wesley wäre auch die Zweitbesetzung auf der Doppel-Sechs. Links sind Marko Marin und Aaron Hunt die Konkurrenten um einen Stammplatz, sollte Marin nicht als Ekici-Ersatz hinter den Spitzen gebraucht werden. Der Neuzugang musste mit Leistenproblemen mit dem Training aussetzen, verspricht nun aber: "Ich bin fit, will angreifen und mit der Mannschaft eine starke Saison spielen."

Im Sturm ist überraschend Rosenberg als einziger gesetzt, solange Pizarro (Innenbandabriss) ausfällt. Daneben streiten sich mit Arnautovic, Thy und Sandro Wagner gleich drei Spieler um eine Position. Danni Avdic (Beckenprobleme) bleibt erstmal außen vor.

Von der Spielausrichtung her will Schaaf ein schnelleres, flüssigeres Spiel sehen. "Wir wollen wieder einen anderen Fußball bieten. Einen Fußball mit ganz anderer Qualität", sagte er dem "Kicker".

Der Spieler im Fokus

Mehmet Ekici. Der Neuzugang sorgte mit seinen Leistenproblemen in der Vorbereitung für Irritationen. Vor allem, als das Gerücht aufkam, er wäre in der vergangenen Saison bei Nürnberg mehrfach fit gespritzt worden. Der 21-Jährige dementierte das zwar mittlerweile, gibt aber zu: "Die Leiste ist meine Schwachstelle."

Dennoch setzt Schaaf große Hoffnungen in den Deutsch-Türken. Auf ihn soll das Werder-Spiel künftig zugeschnitten werden, er ist der Mann, der Schaafs Vision ("Insgesamt schwebt mir vor, dass wir schneller agieren, mehr kombinieren") in die Tat umsetzen soll.

Strikt positionsgebunden ist Ekici dabei freilich nicht. Egal ob Spielmacher, auf den Halbpositionen oder gar als offensiver Sechser, der 21-Jährige kann im Mittelfeld beinahe alle Positionen bekleiden: "Ich bin flexibel einsetzbar und nicht nur auf eine Position beschränkt." Bleibt für Werder nur zu hoffen, dass er fit genug bleibt, um das auch zu beweisen.

Die Prognose

"Es gibt in der Bundesliga zwei Möglichkeiten: Entweder man spielt gegen den Abstieg oder um Europa. Wir wollen Letzteres", sagt Allofs. Der Geschäftsführer weiß auch: ein zweites Jahr ohne internationale Einnahmen könnte Werder die Top-Spieler kosten. "Unser Team wäre dann einfach zu teuer", sagt der Geschäftsführer.

Angesichts der neu formierten Abwehr und dem sonst bis auf Ekici offensiv kaum verbesserten Team, wird der angepeilte Platz fünf schwer zu erreichen sein. Realistischer ist da schon ein Rang zwischen sieben und zehn.

Der Kader von Werder Bremen im Überblick

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