"Unfassbare Sauerei" oder dumm gelaufen?

Von Florian Bogner
Dortmunds Subotic (l.) bekam den Ball in den Unterleib. Mainz spielte weiter und Sliskovic (r.) traf
© Getty

Borussia Dortmund lässt gegen den FSV Mainz 05 Punkte liegen. Insgesamt ein gerechtes Ergebnis, wäre da nicht die Szene direkt vor dem Mainzer 1:1 gewesen. Hätte der Schiedsrichter abpfeifen oder Mainz den Ball zumindest rausspielen müssen? Während sich Thomas Tuchel und Jürgen Klopp ein hitziges Streitgespräch liefern, wittert BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke Betrug.

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Es klingt vielleicht angesichts des sportlichen Stellenwerts der Partie etwas zynisch, aber am Ende war ein Ball in den Unterleib und die Folgen das Gesprächsthema Nummer eins. Eins vorneweg: Dem getroffenen BVB-Verteidiger Neven Subotic geht es wieder gut.

Was war passiert? Dortmund lag im Spitzenspiel der Bundesliga gegen Mainz eineinhalb Minuten vor Ende der regulären Spielzeit mit 1:0 in Führung, als Florian Heller dem bemitleidenswerten Subotic in der Nähe des Dortmunder Strafraums aus kurzer Distanz unabsichtlich, nun ja, in den Unterleib schoss.

Was folgte, war das, was den Dortmundern hinterher die Zornesröte ins Gesicht trieb und Jürgen Klopp am Seitenrand dazu veranlasste, einen Mainzer Betreuer rüde zu schubsen.

Regeltechnisch muss eine Verletzung vorliegen

Denn nachdem der Ball, von Subotic abgelenkt und von Zidan nicht richtig unter Kontrolle gebracht, wieder bei Mainz landete, spielten die Gäste einfach weiter. Marcel Risse setzte sich auf dem Flügel gegen zwei Dortmunder durch, flankte in die Mitte und dort, wo sonst Subotic steht, stand diesmal nur Petar Sliskovic und schoss zum 1:1 ein.

"Das ist saubitter", fasste Sven Bender die BVB-Gemütslage anschließend zusammen. "Wir haben den Schiedsrichter zehnmal darauf hingewiesen, dass Neven Subotic verletzt am Boden liegt. Er hat nicht abgepfiffen, das ist extrem ärgerlich."

Dem Regelbuch nach muss ein Schiedsrichter das Spiel aber nur unterbrechen, wenn eine ernsthafte Verletzung eines Spielers vorliegt. Das sah der Unparteiische Felix Brych anders: "Diese Meinung hatte ich nicht." Subotic konnte nach einer kurzen Verschnaufpause auch weiterspielen.

Risse: "Habe nichts mitbekommen"

Bleibt die Frage, ob Mainz den Ball aus Fairnessgründen hätte ins Aus schießen müssen. "Ich war im vollen Vorwärtsgang und habe überhaupt nicht mitbekommen, dass ein Dortmunder Spieler auf dem Boden lag. Ich habe auch keine Rufe gehört, nur mitgekriegt, dass die 80.000 Fans noch lauter wurden", beteuerte Risse hinterher.

"Ich werde mir die Szene aber noch einmal genau anschauen. Wenn es so ist, wie es jetzt gesagt wird, dann entschuldige ich mich natürlich."

BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sah das bei "Liga Total" natürlich anders. "Ich finde, das war eine unfassbare Sauerei", echauffierte sich Watzke. "Wenn wir umgekehrt jemals so etwas machen sollten, wäre ich entsetzt und würde das auch unseren Jungs deutlich sagen. Da tritt man das Fairplay mit den Füßen."

Watzke: "Kann Alibi-Ausrede-Gequatsche nicht mehr hören"

Indirekt bezichtigte er Risse damit der Lüge. "Ich kann dieses Alibi-Ausrede-Gequatsche nicht mehr hören", fuhr Watzke fort. "Es hat jeder gesehen. Wenn man meint, dass man das so machen muss, okay, aber dann spielen wir wieder Wilder Westen und brauchen keine Fairplay-Propaganda mehr. Das gehört sich nicht."

Darüber hinaus war sich Watzke sicher, dass der BVB anders reagiert hätte: "Ich bin mir absolut sicher, dass unsere Mannschaft das nicht so machen würde." Letztlich konnte man es drehen und wenden, wie man wollte: Die Szene bleibt kontrovers.

Das mussten auch die beiden Trainer Thomas Tuchel und Jürgen Klopp feststellen. Vor dem Spiel waren sich beide sehr herzlich begegnet (Tuchel: "Wenn wir uns öfter sehen würden, wären wir bestimmt gute Freunde"), hinterher entwickelte sich allerdings im "SKY"-Studio folgendes Streitgespräch:

Thomas Tuchel: (sieht die Szene) Dass wir den Spieler sehen und die Dortmunder nicht, ist eine Unterstellung. Dem möchte ich klar vorbeugen.

SKY-Experte Franz Beckenbauer: Es ist eine schwierige Situation. Da ist der Schiedsrichter gefordert. Er müsste mehr Einfluss nehmen und das bewerten. Den Mainzern kann man keinen Vorwurf machen. (unterbricht, weil Jürgen Klopp den Raum betritt) So, jetzt könnt Ihr weiter streiten.

Jürgen Klopp: Ach Franz. Das ist nicht witzig.

SKY-Moderator Sebastian Hellmann: (die Szene läuft erneut) Die Frage ist doch: Wer muss wie eingreifen?

Tuchel: Ich hatte das Gefühl, dass uns unterstellt wird, dass wir das absichtlich gemacht haben. Das ist nicht haltbar. Keinem meiner Spieler kann nachgewiesen werden, dass er wissentlich weiterspielt. Außerdem gab es in der ersten Halbzeit eine ähnliche Szene auf der anderen Seite, wo weitergespielt wurde, obwohl Noveski am Boden lag. (zu Klopp) Ihr habt vorher auch den Ball und schießt ihn nicht raus. Ich verstehe nicht, warum wir uns rechtfertigen müssen. Das müsste zur Grundlage haben, dass wir es gesehen haben und absichtlich weiter gespielt haben. Die Grundlage sehe ich aber nicht.

Klopp: Deine Außenspieler sehen ja, weil sie in die Mitte flanken, dass da ein Abwehrspieler von uns liegt. Das ist ein Riesenunterschied zu Zidan. Du willst doch nicht glauben, dass Zidan sieht, dass dort ein Abwehrspieler von uns liegt?

Tuchel: Ich glaube, dass Zidan sehr wohl sieht, was da in dieser Szene passiert ist.

Klopp: (lacht als er sieht, wohin Subotic den Ball bekommt) Normalerweise steht ein Abwehrspieler auf...

Tuchel: Aber wem unterstellst Du jetzt, dass er das sieht und absichtlich weiter spielt? Das verstehe ich nicht.

Klopp: Risse als letzter Mann auf jeden Fall.

Tuchel: Was hättest Du dann von ihm erwartet, in der letzten Minute?

Klopp: Es ist grenzwertig. Fangen wir vielleicht mit etwas anderem an: Das Ergebnis geht absolut in Ordnung. Wir haben uns das Ding selbst eingebrockt. Wir verschießen einen Elfmeter, haben zwei hundertprozentige Chancen gegen einen sehr gut spielenden Gegner. Aber wenn Du mir jetzt sagen willst, dass Du in der umgekehrten Situation nichts dazu sagen würdest und nicht das Gefühl hättest, dass der Gegner das nicht richtig gemacht hat...

Tuchel: Doch, doch.

Klopp: Na also! Mehr mache ich auch nicht. Für mich ist der ganze Jubel, und dass ihr draußen überhaupt nichts gesehen haben wollt, das Problem. Ihr habt Subotic liegen sehen, aber alle waren sie da und haben gejubelt und es war scheißegal, dass dort einer liegt. Ich, und das kann ich jetzt beschwören, wäre leicht beschämt gewesen in dieser Situation. Ganz bestimmt.

Tuchel: Ich finde es Quatsch, den Moralischen zu geben, wenn ein Spieler von Dir den Ball in den Unterleib bekommt. Das ist kein Foulspiel und es liegt keine gesundheitliche Gefährdung vor. Das ist dann eine Unterstellung und ich finde es nicht okay, dass Du sagst, wir müssen uns dafür schämen.

Klopp: Das habe ich nicht gesagt.

Tuchel: Du sagst, Du würdest Dich dafür schämen.

Klopp: Thomas, hör zu: Ich habe gesagt, ich wäre leicht beschämt gewesen. Anschließend wäre ich auch froh gewesen, einen Punkt mitzunehmen. Wenn Deine Spieler das nicht sehen - die Bank draußen hat alles gesehen und es war Euch scheißegal.

Tuchel: Ich sage Dir eins: Unser Torwarttrainer Stefan Kuhnert hat eine Minute danach noch nicht gewusst, wieso sich alle aufregen.

Klopp: Hast Du Subotic auch nicht liegen sehen?

Tuchel: Ich habe ihn später dort liegen sehen, aber da waren wir selbst schon im Dribbling.

Klopp: Dann ist doch alles in Ordnung.

Man konnte es aber auch so wie es der Mainzer Christian Fuchs zusammenfassen: "Unglücklich für Dortmund, gut für uns."

Dortmund - Mainz: Daten zum Spiel

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