Hoffenheim demontiert unterirdische Hamburger

Von Jochen Tittmar / Jan Wunder
Hoffenheims Ibisevic (r.) erzielte zwei Treffer - hier das Kopfballtor zum zwischenzeitlichen 2:0
© Getty

Der Hamburger SV hat am 32. Spieltag der Bundesliga mit 1:5 (0:3) bei 1899 Hoffenheim verloren und lieferte dabei eine grottenschlechte Leistung ab. Damit sind die Chancen auf eine Qualifikation für die Europa League so gut wie vertan.

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Vedad Ibisevic (2., 10.), Chinedu Obasi (31., 72.) und Sejad Salihovic (76.) trafen in der mit 22.000 Zuschauern gefüllten Rhein Neckar Arena für die Gastgeber. Robert Tesche gelang der Ehrentreffer für Hamburg (65.).

Damit gehen die Diskussionen um die Zukunft von HSV-Coach Bruno Labbadia in die nächste Runde.

"Das war eine desolate Leistung von uns. Ich bin sehr enttäuscht. Es ist ein bitterer Moment", sagte Labbadia ernüchtert, wehrte sich aber gegen Vorwürfe, die Mannschaft spiele gegen ihn: "Wenn die Mannschaft gegen den Trainer spielen würde, würde sie auch gegen sich selbst spielen. Das macht keinen Sinn."

Hamburger Medien berichten dagegen von einer Krisensitzung am späten Sonntag, in der Trainer und Vorstand über die unmittelbare Zukunft beraten. Wenn Labbadia dort nicht überzeugen kann, rechnet man mit einer Entlassung im Verlaufe des Montags.

"Zunächst einmal werden wir uns mit dem Trainer hinsetzen und diskutieren, was die richtigen Optionen sind. Dann werden wir die richtigen Maßnahmen einleiten, damit wir am Donnerstag das Spiel so gestalten, dass wir weiterkommen", sagte HSV-Boss Bernd Hoffmann und sagte auf die Frage, ob eine Option wäre, dass Labbadia nicht mehr Trainer ist: "Das werden wir alle mit dem Trainer diskutieren. Wir werden uns mit dem Trainer hinsetzen und danach entscheiden."

Auch die Hamburger Spieler waren nach Schlusspfiff konsterniert über ihre schwache Leistung: "Mir fehlen die Worte. Ich habe leider keine Erklärung für unser Spiel, denn ich verstehe uns selber nicht. Klar, in der aktuellen Situation fehlt uns natürlich das Selbstvertrauen, aber so dürfen wir uns nicht präsentieren", sagte Piotr Trochowski.

Mladen Petric stimmte ein: "Ich bin wirklich fassungslos. Wir hatten uns soviel vorgenommen, doch nach zwei Minuten war schon alles vorbei. Wenn man ohnehin gerade nicht so viel Selbstvertrauen hat, dann ist ein früher Gegentreffer natürlich absolutes Gift. Danach haben wir kein Mittel gefunden, um noch einmal zurückzukommen. Jetzt müssen wir alle Kräfte sammeln, um am Donnerstag gegen Fulham das Euro League-Finale zu erreichen - damit wir wenigstens dieses Ziel realisieren können."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Im Vergleich zur Nullnummer gegen Fulham nimmt HSV-Coach Bruno Labbadia vier Änderungen vor. Petric und Berg stürmen für van Nistelrooy (Hüftbeuger) und Guerrero (Sperre). Tesche kommt für Ze Roberto (Wade) in die Partie. Zudem verteidigt Rincon anstelle von Demel (Knie) hinten rechts.

Hoffenheim ändert seine Formation im Vergleich zur Partie in Dortmund auf drei Positionen: Haas ersetzt Hildebrand (Muskelfaserriss) zwischen den Pfosten. Eichner rückt für Ibertsberger (Gelbsperre) auf die Rechtsverteidigerposition. Im Sturm spielt Ibisevic für Tagoe.

2., 1:0, Ibisevic: Pitriopa spielt einen Rückpass zu Mathijsen. Der schläft bei der Ballannahme fast ein und vertändelt gegen Ibisevic. Der ist durch und drückt die Kugel an Rost vorbei ins Tor.

10., 2:0, Ibisevic: Wunderbare Spieleröffnung von Luiz Gustavo per Dropkick rechts raus auf Carlos Eduardo. Der legt zurück auf Beck, der in die Mitte flankt. Dort setzte sich Ibisevic gegen Boateng durch und nickt aus sieben Metern in die linke Ecke ein.

21.: Wilde Grätsche von hinten von Simunic an Petric in Höhe des Mittelkreises. Der Kroate sieht Gelb und ist damit sehr gut bedient, fieses Tackling.

31., 3:0, Obasi: Doppelpass zwischen Eichner und Salihovic auf der linken Außenbahn. Eichner zieht zum Tor und passt von der Grundlinie zurück auf Obasi, der aus sechs Metern problemlos einschiebt.

Halbzeit-Fazit: Hochverdiente Hoffenheimer Führung gegen einen HSV, der wie ein Absteiger auftritt und nichts, aber auch gar nichts auf die Kette bringt, was auch nur annähernd mit Bundesligafußball zu tun hat.

52.: Beck schnappt sich auf rechts die Kugel von Pitroipa und spielt nach innen. Dort verstolpert Rozehnal gegen Ibisevic, der aus der Drehung schießt - an den rechten Pfosten.

55.: Ibisevic vernascht Boateng und Mathijsen rechts im Strafraum per Körpertäuschung und schlenzt aufs lange Eck - knapp daneben.

64.: Petric luchst Simunic 30 Meter vor dem Tor den Ball ab und läuft auf Haas zu. Simunic sprintet hinterher und grätscht gerade noch dazwischen.

65., 3:1, Tesche: Nach einem Einwurf auf der rechten Seite fasst sich Tesche aus 32 Metern ein Herz. Haas steht etwas zu weit vor dem Kasten. Das Ding schlägt mit Hilfe der Latte über ihm ein.

72., 4:1, Obasi: Rincon verliert den Ball kurz hinter der Mittellinie. Salihovic schickt Obasi. Der läuft allein aufs Tor zu, macht's allein und tunnelt Rost.

76., 5:1, Salihovic: Nach einer geklärten Ecke für Hamburg wird Ibisevic von Weis geschickt. Vom Bosnier landet der Ball bei Salihovc, der den Ball links unten ins Tor schiebt.

88.: Platzverweis für Arslan. Arslan springt im Kopfballduell einfach nur hoch und sieht dann direkt Rot. Sehr harte Entscheidung.

Fazit: Siehe Halbzeit-Fazit...

Der Star des Spiels: Vedad Ibisevic. Der Bosnier schraubte mit seinem schnellen Doppelpack sein Torekonto auf zwölf Buden hoch und erzielte dadurch nun sechs der letzten zwölf Hoffenheimer Treffer. War stets anspielbar, viel unterwegs und behauptete sich gut im Zweikampf. Das reichte, um immer wieder für Verwirrung in der konfusen HSV-Defensive zu sorgen.

Die Gurke des Spiels: Der Hamburger SV. Was die Gäste über die gesamte Spielzeit ihren 2000 mitgereisten Fans anboten, ist kaum in Worte zu fassen. Eine solche Nichtleistung lässt natürlich diverse Deutungsmöglichkeiten zu. Letztlich wird jedoch nicht zu klären sein, ob die Mannschaft nun gegen den Trainer spielte oder nur höchst effizient ihre Kräfte für das Europa-League-Rückspiel beim FC Fulham schonte.

Die Pfeife des Spiels: Manuel Gräfe. Hatte die Partie im Griff und fiel kaum auf - so wünscht man sich einen Schiedsrichter. Zwei Ausnahmen trübten seine gute Leistung: Bei Simunic' Tackling gegen Petric hätte man allerdings auch über Rot diskutieren können. Die zeigte er dann Arslan, was reichlich überzogen war.

Die Lehren des Spiels: Der HSV lieferte 90 Minuten lang eine Vorstellung ab, die an Arbeitsverweigerung grenzte. Nach den beiden frühen Gegentoren, die ohne jegliche Hamburger Gegenwehr zustande kamen, agierten die Rothosen unglaublich inspirationslos im Mittelfeld, schlugen haufenweise planlos lange Bälle in die Spitze und zeigten keinerlei Aufbäumen oder positive Körpersprache. Trochowski war in der für ihn neuen "Schweinsteiger-Rolle" im Zentrum fast unsichtbar.

Hoffenheim agierte zu Beginn wie zuletzt leicht zurückgezogen und versuchte, schnell umzuschalten, um in die Spitze zu kommen. Das führte gegen schnarchende Hamburger direkt zu zwei Treffern. Besonders die schnellen Flügelwechsel über Beck (rechts) und Eichner (links) bereiteten dem HSV in der Rückwärtsbewegung arge Probleme.

Im zweiten Durchgang wechselte Labbadia defensiv und bemühte sich so um Schadensbegrenzung. Dies gelang nicht, da seine Spieler trotz des sehenswerten Ehrentreffers nahtlos an die unterirdische Leistung der ersten 45 Minuten anknüpften. Die Partie verkam bei entsprechenden Temperaturen zu einem lauen Sommerkick.

Hamburg wird sich nun mit voller Kraft auf das EL-Rückspiel im Londoner Westen am kommenden Donnerstag konzentrieren, um sein letztes verbleibendes Ziel zu erreichen und eine enttäuschende Saison vernünftig ausklingen zu lassen. Mit einer Leistung wie in Sinsheim ist dieses Unterfangen allerdings aussichtslos.

Hoffenheim - Hamburg: Daten zum Spiel