Kuranyi gnadenlos ausgepfiffen

Von Florian Bogner / Bastian Steegmüller
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© Getty

Der Hamburger SV ist an die Tabellenspitze der Bundesliga zurückgekehrt. Im Spitzenspiel des 8. Spieltags kam die Elf von Trainer Martin Jol gegen den FC Schalke 04 allerdings nicht über ein 1:1 (1:0) hinaus und hat so nur noch einen Punkt Vorsprung auf Überraschungsaufsteiger 1899 Hoffenheim.

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Das Spiel in der ausverkaufen HSH Nordbank Arena bestimmten zwei Protagonisten, die in der vergangenen Woche auch rund um das DFB-Team für Schlagzeilen gesorgt hatten: Kevin Kuranyi und Piotr Trochowski.

Kuranyi, der durch seinen unrühmlichen Abgang während des WM-Qualifikationsspiels gegen Russland seine Nationalmannschaftskarriere beendet hatte, wurde von Teilen der 57.000 Zuschauer bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen, brachte kein Bein auf den Boden und wurde nach 61 Minuten ausgewechselt.

Trochowski hingegen wirbelte vor allem in der ersten Halbzeit ähnlich stark wie im DFB-Dress und brachte den HSV auch mit einem sehenswerten Schuss in Führung (29.).

"Haben dumme Fehler gemacht"

Schalke erwies sich jedoch vor allem nach dem Seitenwechsel als ebenbürtig und kam durch den eingewechselten Benedikt Höwedes zum Ausgleich (47.). Mit dem Punktgewinn schob sich Schalke immerhin auf Platz sechs vor.

"Es wäre natürlich besser, wenn wir drei Punkte geholt hätten. Mit ein bisschen Glück hätten wir gewinnen können, aber ich kann mit dem Remis leben", meinte Jol. Torschütze Trochowski sagte: "Wir hätten früher 2:0 führen müssen. Wir haben in der zweiten Halbzeit zu wenig gemacht und einige dumme Fehler begangen."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Der HSV mit zwei Änderungen: Benjamin und Pitroipa sind für den verletzten de Jong und den angeschlagenen Petric dabei. Bei Schalke kehrt Ernst nach abgesessener Rot-Sperre zurück, Westermann spielt hinten links, Kobiaschwili ist krank nicht dabei.

1.: Kuranyi erstmals am Ball - und damit löst er ein gellendes Pfeifkonzert aus.

5.: Freistoß Trochowski von links. Olic verlängert mit der Schulter und Neuer lenkt den Ball mit einer Glanzparade an die Oberkante der Latte.

7.: Altintop zieht aus 20 Metern von halblinks ab und prüft Rost, der nach einer schönen Flugeinlage pariert.

9.: Pitroipa zieht aus ähnlicher Position für den HSV ab und erneut ist Neuer zur Stelle. Den Flachschuss fischt er aus dem rechten unteren Eck.

12.: Jones hat viel Raum und schießt mit links aus 20 Metern aufs Tor. Der Ball streicht knapp am rechten Eck vorbei.

29., 1:0, Trochowski: Fehler Engelaar und Jarolim bedient Trochowski. Der Nationalspieler versenkt aus 14 Metern von halbrechts den Ball exakt ins linke untere Eck.

48., 1:1, Höwedes: Nach einem unnötigen Foul im rechten Halbfeld zieht Farfan den Freistoß auf den eben eingewechselten Höwedes. Per Kopf trifft er aus zehn Metern genau ins rechte Eck. Unhaltbar für Rost.

49.: Pitroipa zieht von links nach innen, sein Schuss aus 20 Metern geht aber nur links ans Gestänge hinter dem Tor.

64.: Kaum ist Petric im Spiel, setzt er schon das erste Ausrufezeichen. Höwedes verpasst eine Olic-Flanke von links, Petric scheitert aus drei Meter am Pfosten.

88.: Trochowski läuft über das halbe Spielfeld und sucht nach Anspielstationen. Da er keine findet, zieht er aus 28 Metern aufs linke untere Eck ab. Neuer ist hellwach und pariert.

89.: Rafinha grätscht Olic humorlos an der Seitenlinie um, ist mit der Gelben Karte sehr gut bedient.

So lief das Spiel: Ein richtig flottes Spielchen von der ersten Sekunde an. Schalke etwas behäbig im Spielaufbau, dadurch mit mehr Ballbesitz. Der HSV insgesamt aber optisch überlegen. Kamen Trochowski oder Pitroipa an den Ball, ging es blitzschnell nach vorne. Neuer verhinderte zunächst das 0:1, war gegen Trochowskis präzisen Abschluss dann aber machtlos. Anschließend zog sich der HSV etwas zurück und ließ die einfallslosen Schalker erstmal aufspielen. Bis zur Pause flachte die Partie dadurch ab.

Der zweite Durchgang begann mit dem überraschenden Ausgleich - natürlich nach einer Standardsituation. Die Hausherren wirkten danach geschockt und konnten nur noch wenige Angriffe wirklich durchdacht vortragen. Einen davon hätte Petric allerdings kurz nach seiner Einwechslung beinahe versenkt. Nach rund einer Stunde wurde aus der bis dato starken eine mittelmäßige Partie mit vielen Ballverlusten und nur noch wenigen konstruktiven Beiträgen von beiden Seiten.

Der Star des Spiels: Piotr Trochowski. Bot vom Länderspiel-Siegtor beflügelt eine überragende erste Hälfte, war zweikampfstark, ballsicher und an fast allen Torschüssen unmittelbar beteiligt. Der Nationalspieler beschenkte sich selbst mit seinem zweiten Saisontor. Im zweiten Durchgang riss der Faden im HSV-Spiel, dennoch war Trochowski noch der einzige, der stets anspielbereit war und das Spiel zu machen versuchte.

Die Gurke des Spiels: Kevin Kuranyi. Natürlich: Nach dieser Vorgeschichte war es für den Schalker Stürmer kein Einfaches, in Hamburg aufzulaufen. Der 26-Jährige wirkte allerdings einmal mehr wie ein apathischer Fremdkörper in Königsblau, hatte nicht mal 20 Ballkontakte und gewann kaum einen Zweikampf. Die Pfiffe, die jeden seiner nicht gerade üppigen Ballkontakte begleiteten, gaben ihm offenbar den Rest. Wurde in der 61. Minute von Trainer Fred Rutten erlöst.

Die Lehren des Spiels: Hamburg bleibt trotz des Remis' ein ernstzunehmender Meisterschaftskandidat. Jol hat ein System gefunden, das passt und genügend Überraschungsmomente bereithält. Fällt Petric mal aus, rückt mit Pitroipa ein guter Ersatz nach.

Das Manko des Tabellenführers bleibt die Chancenverwertung und die Tatsache, dass der HSV insgesamt zu viele vermeidbare Gegentore kassiert. Einen ausgewiesenen Kopfballspezialisten wie Höwedes nämlich nach einem ruhenden Ball so sträflich frei zum Kopfball kommen zu lassen, ist schlichtweg dämlich.

Bei Schalke ist es das alte Lied: Zu wenige Impulse aus dem Mittelfeld - vor allem, wenn Westermann hinten links verteidigen muss - und zu statische Anspielstationen im Sturm. Kuranyi versagt sogar als Prellbock, die Außen rücken schlecht nach, Ernst und Jones sind mit der Spielgestaltung oftmals überfordert.

Die Gäste machten eine passable Partie, ließen aber nach wie vor einen echten spielerischen Plan vermissen. Letztendlich sorgte erneut ein ruhender Ball für den Schalker Punktgewinn.

Der 8. Spieltag im Überblick