Tage wie dieser...

Von Stefan Rommel
Bremen, Hoffenheim
© Getty

Die letzte große Pointe an einem völlig aberwitzigen Nachmittag gebührte den Bremer Anhängern. Die Fans labten sich rund ums Stadion an einheimischem Bier und Würstchen, als sich der Gäste-Bus unter Polizeigeleitschutz so langsam in Bewegung setzte. Die Werder-Fans legten ihre Würstchen zurück in den Senf, die Biere fanden Platz auf kleinen Stehtischchen - und dann applaudierten sie einfach.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Applaus für 1899 Hoffenheim. Jenes Hoffenheim, dessen Gönner Dietmar Hopp letztes Wochenende Ziel einer dummdreisten Schmiererei wurde.

Jenes Hoffenheim, das von der Großzahl gegnerischer Fans reichlich undifferenziert als schlechter Abklatsch des FC Chelsea gebrandmarkt wird.

Jenes Hoffenheim also wurde mit Beifall und Ovationen zurück ins Hotel begleitet. Im fernen Bremen, das erwiesenermaßen nicht im Kraichgau liegt und in dessen Weserstadion 1899 zuvor zu einem echten Bundesliga-Auswärtsspiel antreten musste.

Aber selbst der hart gesottenste Bremer Kuttenträger konnte an diesem denkwürdigen Nachmittag nicht anders und zollte Respekt. Respekt für ein famose Leistung, die weniger einen Aufsteiger, sondern vielmehr einen ambitionierten Bundesligisten in den blauen Trikots vermuten ließ.

Diego tief beeindruckt

"Hoffenheim gebührt mein tiefster Respekt. Ich habe ja vorher schon gehört, dass sie stark sind. Und heute waren sie richtig stark. Hoffenheim hat tolle Einzelspieler, eine sehr gute Mannschaft und einen sehr guten Trainer", sagte Bremens Spielmacher Diego nach dem Spiel zu SPOX.

Diego stand selbst nach dem Auslaufen noch sichtlich unter dem Eindruck der 90 besten Bundesligaminuten der Saison. Das 5:4 spiegelt anders als so oft in der Tat wider, was sich zwischen 15.30 Uhr und 17.19 Uhr im Bremer Weserstadion zugetragen hatte.

Schaaf flunkert ein wenig

"Die Zuschauer haben heute ein absolut verrücktes Spiel gesehen", meinte Bremens Trainer Thomas Schaaf. "Was Hoffenheim geleistet hat, war außergewöhnlich. So mutig nach vorne zu agieren, das haben hier wenige Mannschaften gezeigt. Sie haben gut mitgehalten."

Schaaf sagte es in der Gewissheit, drei Punkte auf dem Konto zu haben. Aber wenn er ganz ehrlich gewesen wäre, hätte er zugeben müssen, dass er damit mindestens zwei Punkte zu viel eingesackt hatte.

4:1 hatte Werder, der Titelaspirant, zu Hause gegen Hoffenheim, den Aufsteiger, schon geführt. "Aber irgendwie wussten wir, dass das noch nicht die Entscheidung war", gestand Diego.

Das mulmige Gefühl trügte den Brasilianer nicht. Die Gäste spielten Werder in der zweiten Halbzeit förmlich an die Wand, brannten ein Offensivfeuerwerk ab, wie es das Weserstadion eigentlich nur vom heimischen Team kennt und war nach 71 Minuten und Marvin Comppers 4:4 wieder voll im Spiel.

"Wir sind brutal enttäuscht"

Vielleicht ein wenig zu viel im Spiel. Hoffenheim hatte das Momentum und war am Drücker - und lief, offenbar doch noch nicht reif genug, in einen Konter.

"Wir sind brutal enttäuscht über das Ergebnis und es soll mir keiner sagen, wie toll das war, wie super sie gespielt haben. Wenn wir so zurückkommen, und am Ende in Überzahl spielen, darf es nicht 4:5 ausgehen", schimpfte Ralf Rangnick nach dem Spiel. "Das ist eine riesige Enttäuschung. Wir hätten das Spiel gewinnen können, wenn nicht sogar müssen."

Hoffenheim wollte alles und bekam am Ende nichts. "Sie sahen die drei Punkte und haben uns den Platz gelassen. So haben wir doch noch einmal zurück geschlagen, obwohl wir nach dem 4:1 drei Tore gefressen haben", meinte Bremens Torsten Frings.

Fantastisch in der Offensive - defensiv naiv

Frings formulierte damit unbewusst die Quintessenz des Spiels, die da hieß: Nach vorne alles, nach hinten nichts. So betörend das Spektakel in der Offensive für die Zuschauer auch war, so naiv und töricht verrichteten beide Mannschaften die nötige Defensivarbeit.

Die frühen Tore beerdigten bei beiden Teams offenbar jeglichen Drang, auch defensiv gründlich zu Werke zu gehen. Das Resultat war dann ein 90-minütiger Dauerfeuer, vollgepackt mit Torszenen, Chancen, Latten-, Pfostentreffern, Roten Karten und Elfmetern. Mit einfach allem, was der Statistikzettel so hergibt.

Die Fans des Catenaccio hatten sich eigentlich längst schon angewidert in die Ecke verkrümelt, als Schaaf nach Mertesackers Platzverweis doch auf Betonabwehr umschaltete - beinahe zu spät.

Und genau darin liegt der Erkenntnis zweiter Teil: Für 90 Minuten geht Bremens Hauruck-Fußball immer mal wieder gut. Auf Dauer aber ist das für einen Klub mit derart hohen Zielsetzungen nichtausreichend.

Denn Tage wie dieser, mit fünf eigenen Toren, einem Sieg in Unterzahl und am Ende mit dem nötigen Quäntchen Glück, kommen so schnell nicht wieder.

Alle Daten und Fakten zum Spiel