Rutten am Boden: "Ich mache mir Sorgen"

Von Haruka Gruber / Christian Günthner
Alleine mit der Niederlage: Schalke-Coach Fred Rutten (l.)
© Getty

Mit einem 2:1 (2:0) über den FC Schalke 04 hat Bayer Leverkusen am 13. Spieltag die Tabellenführung der Bundesliga verteidigt. Vor 22.500 Zuschauern in der BayArena erzielten Stefan Kießling (30.) und Patrick Helmes (41.) die Tore für die Rheinländer, Kevin Kuranyi (85.) gelang der Anschlusstreffer.

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Mit dem fünften Sieg in den letzten sechs Spielen liegt Leverkusen (28 Punkte) auf Rang eins, Schalke rutscht auf den siebten Platz ab (20).

"Was heißt Momentaufnahme? Wir spielen die ganze Runde schon gut und stehen nicht zu Unecht ganz oben", sagte Leverkusens Helmes nach seinem zehnten Saisontor. "Uns gefällt der Platz da oben und den wollen wir so lange wie möglich halten."

Die pure Enttäuschung sprach hingegen aus Fred Rutten. "Wenn man so eine erste Halbzeit absolviert, dann hat man keinen Anspruch auf einen oder gar drei Punkte. Das hat mich sehr enttäuscht. Im Fußball ist es möglich, dass mal ein oder zwei Spieler nicht auf dem Platz sind, aber nicht, dass acht oder neun nicht da sind. Da gibt es keine Ausreden", sagte der Schalke-Trainer.

"Ich bin sehr sauer, dass wir so ein Spiel absolviert haben. Ich mache mir Sorgen. Wenn wir in so einer Art und Weise Fußball spielen, dann hat man keinen Anspruch. Auf Schalke gehört Arbeit - die habe ich heute nicht gesehen. Eine große Mannschaft darf die Punkte so nicht weggeben."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Bayer mit der gleichen Startelf wie beim 3:3 in Karlsruhe, Schalke mit einer Änderung zum 1:2 gegen die Bayern: Engelaar für Rakitic.

18.: Kuranyi steht allein vor dem leeren Tor, aber haut unbedrängt aus sechs Metern weit drüber. Altintop hat den Ball zuvor von rechts flach in die Mitte gespielt

22.: Gute Einzelleistung von Kuranyi. Erst lässt Friedrich und Rolfes stehen, dann zieht er aus 20 Metern mit rechts ab und verfehlt nur knapp.

28.: Vidal schlägt zwei Haken und schießt am rechten Strafraum-Eck mit rechts ins lange Eck. Aber Neuer mit einer klasse Pararade.

30., 1:0, Kießling: Kobiaschwili mit dem Ballverlust auf links. Renato Augusto schnappt sich den Ball und dribbelt an Kobiaschwili vorbei an die Grundlinie. Seine gelupfte Flanke verfehlt erst Barnetta, aber Kießling steht richtig und schiebt aus kurzer Distanz ein.

41., 2:0, Helmes: Augusto schießt aus 18 Metern. Der Ball wird von Westermann geblockt und fliegt Helmes vor die Füße. Der Nationalspieler fackelt nicht lange und schiebt aus elf Metern mit links flach in die linke Ecke ein.

52.: Schalke wechselt. Der defensive Ernst geht, für ihn kommt der noch defensivere Höwedes. Ungewöhnlich, wenn man 0:2 hinten liegt.

67.: Völlig unnötig. Castro sieht innerhalb von acht Minuten zweimal Gelb.

74.: Bordon tankt sich durchs Mittelfeld und legt links auf Pander raus. Der bringt eine lange Flanke und Westermann köpft aus kurzer Distanz am Tor vorbei.

76.: Dum hat die Entscheidung auf dem Fuß. Nach einem Konter geht der Einwechselspieler allein auf Neuer zu und will aus zehn Metern den Keeper tunneln. Aber Neuer klärt.

85., 2:1, Kuranyi: Pander bringt einen Freistoß von rechts in den Fünfer. Kuranyi kommt zum Kopfball und trifft, dabei macht Adler beim Rauslaufen eine schlechte Figur. Das Tor zählt, obwohl Kuranyi im Abseits stand.

89.: Der Ball ist im Tor, aber der Treffer zählt nicht. Neuers langer Ball landet bei Kuranyi, der am Elfmeterpunkt kurz auf Asamoah ablegt. Aber Asamoah steht knapp im Abseits.

So lief das Spiel: Leverkusen war von Beginn an die bessere Mannschaft, doch Schalke profitierte immer wieder davon, dass Bayer die vielversprechenden Angriffe nicht konsequent zu Ende spielte und in der Verteidigung nicht konzentriert zu Werke ging. Die Hausherren agierten in den ersten 20 Minuten schlicht zu gefällig.

Mit zunehmender Spieldauer jedoch wurde der Klassenunterschied deutlicher. Leverkusen schaltete spielend leicht einen Gang höher, Schalke hingegen irrte orientierungslos umher. Besonders die sonst so stabile Defensive ließ die gewohnte Sicherheit vermissen.

Ähnliches Bild in der zweiten Hälfte, auch nach Castros Platzverweis. Schalke bemüht, aber ohne Struktur, Leverkusen lauerte auf Konter und hätte bei all den hochkarätigen Chancen mindestens das 3:0 nachlegen müssen. Erst nach dem Anschlusstreffer kam Schalke noch mal auf, aber die Schlussoffensive war zu wenig.

Der Star des Spiels: Stefan Kießling. Perfekte Mischung aus Fleiß und Effizienz. Rackerte wie gewohnt viel, sammelte unheimlich viele Kilometer und sorgte mit dem 1:0 für den Startschuss der Leverkusener Offensivherrlichkeit. Hätte nach Neuers Stellungsfehler fast ein zweites Tor nachgelegt.

Die Gurke des Spiels: Heiko Westermann in der ersten Hälfte. Stellvertretend für die kaum wiederzuerkennende Schalker Veteidigung. Sonst so verlässlich, erwischte Westermann eine rabenschwarze Halbzeit, stand bei Kießlings 0:1 falsch und leitete indirekt das 0:2 ein, als er Renato Augustos Schuss abfälschte. Ließ die nötige Portion Bissigkeit vermissen.

Immerhin: Der Nationalspieler wurde in der zweiten Hälfe ins Mittelfeld beordert und fühlte sich dort deutlich wohler. Brachte etwas Dynamik ins Schalker Offensivspiel und hätte das 1:2 machen müssen.

Die Lehren des Spiels: Vor dem Anpfiff wurde die Partie als das Duell der Fußball-Philosophien angekündigt. Offensiv-Maschinere (Leverkusen) vs. Defensiv-Bollwerk (Schalke). Ergebnis: K.o-Sieg für die Offensiv-Maschinerie.

Zwar mit einigen Schwächen in der Verteidigung, bestach Bayer erneut mit ihrer höchst ansehnlichen Spielkultur. Besonders im Mittelfeld um den starken Renato Augusto und Simon Rolfes greift ein Rädchen in das andere, garniert mit dem vielleicht besten Sturmduo der Bundesliga. Stefan Kießling arbeitet und macht ein Tor, Patrick Helmes lauert und macht ein Tor: Da kann sonst nur Hoffenheim mithalten.

Das Kontrastprogramm bei S04. Hinten mit ungewohnt vielen Fehlern, vorne gewohnt ideenlos. Chancen ergaben sich nur, wenn Bayer hinten patzte beziehungsweise als Schalke in den letzten zehn Minuten dank der Überzahl ein Powerplay aufzog.

Keine Neuigkeit, aber besonders eklatant: Die höchst unkreative Mittelfeld-Dreierreihe. Nur Kämpfen reicht eben nicht, um die Champions League zu erreichen.

Leverkusen - Schalke: Daten & Fakten