Ancelotti wackelt wohl - steht Tuchel bereit?

SID
Carlo Ancelotti ist nach den zuletzt gezeigten Leistungen in München nicht mehr unumstritten
© getty

Bayern Münchens Trainer Carlo Ancelotti steht nach der Lehrstunde gegen Paris St. Germain gehörig unter Druck. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge fordert unverhohlen Konsequenzen.

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Karl-Heinz Rummenigge konnte seinen ganzen Frust und seine Wut über die Schmach von Paris kaum verbergen.

"Es war eine ganz bittere Niederlage, eine Niederlage, die es zu analysieren gilt, nach der wir auch Klartext reden und Konsequenzen ziehen müssen. Denn das, was wir gesehen haben, war nicht Bayern München", sagte der Vorstandschef des deutschen Rekordmeisters nach dem demütigenden 0:3 (0:2) bei Paris St. Germain mit schneidender Stimme bei seiner kurzen Bankettrede im noblen L'Hotel du Collectionneur.

Trainer Carlo Ancelotti saß zu mitternächtlicher Stunde am Vorstandstisch direkt daneben, kaute mit betretener Miene auf einem Stück Brot herum und nippte kurz an seinem Wein.

Der 58 Jahre alte Italiener dürfte sich nach der Vorführung durch die überragenden Millionen-Stars Neymar und Kylian Mbappe angesprochen gefühlt haben, nachdem er sich mit seiner "Harakiri"-Aufstellung völlig verzockt hatte. Der FC Bayern habe einen "historischen Schlag auf den Hintern" eingesteckt, schrieb Le Parisien.

Erst Sagnol, dann Tuchel?

Ancelotti steht ein heißer Herbst bevor - sofern er ihn überhaupt als Trainer des FC Bayern erleben darf. Wie die SportBild berichtet, sollte es noch am Donnerstag nach der Rückkehr aus Paris eine Krisensitzung beim deutschen Rekordmeister geben.

Thema: Ancelottis Zukunft. Im Falle einer vorzeitigen Entlassung stünde Assistent Willy Sagnol als Übergangslösung bereit. Darüber hinaus gibt es Gerüchte, dass Thomas Tuchel eine Alternative wäre.

Sollte Ancelotti vorerst bleiben dürfen, wäre er zum Siegen verdammt nicht nur in der Champions League. Das machte Rummenigge vor rund 400 Edelfans deutlich. Es sei wichtig, betonte er vor der Partie bei Hertha BSC am Sonntag (15.30 Uhr), "dass wir schnell wieder die Kurve kriegen und uns als Bayern München präsentieren und dann eben auch zeigen, dass wir eine Mannschaft sind, die in Europa, aber auch national für Furore gesorgt hat".

Ribery: "Ich muss erst darüber nachdenken"

Die Zeit, in der Ancelotti von den Bayern-Bossen in Schutz genommen wurde, scheint vorbei zu sein. Zu eklatant waren die Unterschiede im "Kampf der Kulturen", wie Rummenigge das Duell gegen das mit Scheich-Milliarden finanzierte PSG genannt hatte.

Umso tiefer saß der Stachel, dass ausgerechnet der neureiche französische Vizemeister, der neue Münchner Lieblingsfeind, den Bayern derart deutlich vor Augen geführt hatte, dass Europas Fußball-Thron derzeit unerreichbar scheint.

Anstatt mit runderneuter Mannschaft und neuem 4-3-2-1-System Paroli bieten zu können, wurden den überforderten Bayern schonungslos die Grenzen aufgezeigt. Gegen Neymar und Mbappe sahen Arturo Vidal, Niklas Süle oder David Alaba wie Schulbuben aus.

Mats Hummels, Franck Ribery und Arjen Robben (bis zur 68. Minute) saßen derweil auf der Bank, Jerome Boatang sogar nur auf der Tribüne. Die Spieler bissen sich anschließend auf die Zunge, hielten sich mit offener Kritik an Ancelotti zurück. "Es ist besser, wenn ich dazu nichts sage. Ich muss erst darüber nachdenken", sagte Ribery am Donnerstag.

In München brodelt es

Es brodelt bei den Münchnern, doch noch gab es keine Explosion. "Das Wichtigste ist, dass wir jetzt als Mannschaft zusammenhalten. Wir brauchen Ruhe. Jeder, der jetzt seine Unzufriedenheit nach außen trägt, hilft der Mannschaft nicht", meinte Robben.

Auch Kapitän Thomas Müller zog es vor, auf kritische Worte in Richtung Ancelotti zu verzichten. "Wir als Mannschaft müssen auf dem Platz alles in die Waagschale werfen. Deshalb stehen wir in der Verantwortung", betonte er.

Nur Joshua Kimmich deutete nach einem "gebrauchten Tag" an, dass die überraschenden Entscheidungen nicht jedem gefallen haben. Ribery und Robben seien Spieler, "an denen man sich orientieren kann", sagte der Nationalspieler, um gleich pflichtgemäß anzufügen: "Bei uns hat jeder den Anspruch, in so großen Spielen zu spielen. Diesem Anspruch sind wir nicht gerecht geworden. Das ging in die Hose."

Ancelotti bedauert nichts

Die Gründe für das Debakel waren schnell gefunden. Vor allem das frühe 0:1 durch Dani Alves (2.) habe den PSG-Weltklassespielern in die Karten gespielt, meinte Robben. Müller vermisste "Mut".

Kimmich sprach von fehlender Körperspannung, die Edinson Cavani (31.) und Neymar (63.) zu weiteren Treffern nutzten. Dass seine Aufstellung zu riskant gewesen sei, schloss Ancelotti aus. Er "bedauere nichts".

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