Serge Gnabry beim FC Bayern München außen vor: Eine Verletzung mit schwerwiegenden Folgen?

Von Tim Ursinus
Julian Nagelsmann
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Trainer Thomas Tuchel scheint in der entscheidenden Phase der Hinrunde seine Startelf gefunden zu haben. Derzeit kein Teil davon ist Serge Gnabry, bei dem immer deutlicher wird: Seine Zwangspause kam zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt und könnte sogar schwerwiegende Folgen haben.

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Es war symbolisch für die aktuelle Situation von Serge Gnabry: Als die Spieler des FC Bayern München nach dem 4:0-Sieg in Dortmund gemeinsam auf dem Platz jubelten und sich auf den Weg Richtung Auswärtsblock machten, war der 28-Jährige sichtlich niedergeschlagen. Trost fand er in den Armen von Leon Goretzka.

Gnabry hatte im wohl wichtigsten Spiel der Hinrunde 90 Minuten auf der Bank geschmort. Dass er hinterher ausgerechnet von Goretzka geherzt wurde, gab alldem nochmal einen bitteren Nachgeschmack.

Die beiden Nationalspieler teilen sich die Bürde, mit einer Schiene spielen zu müssen. Doch während Goretzka nur 13 Tage nach seiner Operation an der Hand (Mittelhandfraktur) schon wieder in der Startelf gebraucht wurde und auf allen Ebenen überzeugte, war für Gnabry mal wieder kein Platz. Dabei erhielt er längst die Freigabe, nach seinem Unterarmbruch wieder spielen zu dürfen. Schließlich ging er als einer der großen Verlierer des Spiels (und der vergangenen Wochen) hervor.

"Man hat bei Serge Gnabry gesehen, dass die Schiene teilweise auch einschränkend sein kann", sagte Tuchel vor der Partie in Dortmund dahingehend: "Leon hat die Schiene seit ein paar Tagen. Unabhängig von der großen Wichtigkeit des Spiels haben wir eine Verantwortung für die gesamte Saison. Wir müssen schlau sein und abwägen." Wer den Hang zu Spekulationen hat, könnte aus den Worten deuten, dass Gnabry derzeit schlichtweg weniger wichtig für die Mannschaft ist.

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Serge Gnabry im Pech: Kingsley Coman der große Profiteur

Zu allem Überfluss brach sich Gnabry seinen Arm auch noch in der wegen des Supercups nach hinten verlegten Erstrundenpartie im DFB-Pokal gegen Preußen Münster Ende September. Sein Comeback gab er dann - nach Einwechslung - drei Tage vor dem BVB-Spiel beim blamablen Pokal-Aus in Saarbrücken. Eindruck machte er allerdings nur als Streitschlichter. Eine Erkrankung hatte zuvor eine Rückkehr beim 8:0 gegen Darmstadt 98 verhindert. Inzwischen wird deutlich: Auch wenn bei einer Verletzung freilich nie von gutem Timing die Rede sein kann, kam Gnabrys Zwangspause zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Kingsley Coman avancierte in diesen Wochen zum großen Nutznießer. Nach einem eher schwachen Saisonstart war er in vier der fünf Bundesligaspiele ohne Gnabry jeweils mindestens einmal an einem Treffer beteiligt. Kein anderer Bayern-Spieler machte einen größeren Schritt. Dazu trug auch Thomas Tuchels Maßnahme bei, den Franzosen auf den rechten Flügel zu beordern. Zumal der nun links eingesetzte Leroy Sané gerade ohnehin überall zu funktionieren scheint.

Deshalb war es wenig überraschend, dass Coman am Mittwoch in der Champions League auch gegen Galatasaray Istanbul den Vorzug bekam. Gnabry betrat das Feld hingegen erst nach 87 Minuten. Ein weiterer Nackenschlag. Insbesondere mit dem Wissen, dass nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Jamal Musiala zunächst Thomas Müller (40.) und auch noch Jungspund Mathys Tel (72.) früher ins Spiel kamen.

FC Bayern München: Die Offensivspieler im Vergleich

SpielerEinsätze (Minuten)ToreAssists
Harry Kane15 (1.258)197
Leroy Sané17 (1.384)95
Jamal Musiala14 (1.031)43
Kingsley Coman16 (1.135)43
Serge Gnabry8 (386)1-
Thomas Müller13 (424)25
Mathys Tel16 (451)62
Eric Maxim Choupo-Moting14 (327)2-
FC Bayern München
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FC Bayern München: Klare Hackordnung in der Offensive

Die Hackordnung in der Bayern-Offensive schien zuletzt klar zu sein: An Harry Kane und dem Trio aus Sané, Coman und Musiala führt kein Weg vorbei. Doch die Muskelverletzung von Letzterem - ein Ausfall von bis zu vier Wochen steht im Raum - wirbelt Tuchels Konstrukt wieder neu auf.

Die Frage ist nur, ob jetzt Gnabry zum Profiteur wird oder er den nächsten Rückschlag hinnehmen muss. Richtungsweisend wird bereits das Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim am Samstag, wenn Tuchel Musiala erstmals ersetzen muss.

Dabei bieten sich ihm drei Optionen. Am einfachsten wäre, wenn Tuchel wie schon gegen Galatasaray auf Müller setzt. Das bedarf keiner großen Umstellung, auch wenn der Routinier seine Rolle zweifellos komplett anders als Musiala interpretiert. Andernfalls könnte er Sané ins Zentrum ziehen und so Platz auf dem Flügel für Gnabry oder Tel, der nach Einwechslung häufiger auf den Außen zum Einsatz kam und durchaus zu überzeugen wusste, schaffen. Am unwahrscheinlichsten ist die Variante mit Eric Maxim Choupo-Moting als zweitem Stürmer neben Kane.

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© imago images

Thomas Tuchel droht ein Brandherd - hilft Julian Nagelsmann?

Um einen Brandherd wird Tuchel wohl nicht herumkommen, sollte er nicht die gesamte Offensive durchrotieren. Verzichtet er auf Müller, kann er sich womöglich auf die Diskussionen kurz nach seinem Amtsantritt einstellen. Ignoriert er Gnabry, steigt der Frust weiter. Es wäre jede Menge Aufbauarbeit vonnöten.

Jene könnte Tuchel in der anstehenden Länderspielpause nach dem Bundesliga-Wochenende immerhin vorerst auf seinen Vorgänger Julian Nagelsmann abwälzen. Beim zweiten Lehrgang des Bundestrainers warten die Türkei und Österreich auf die deutsche Nationalmannschaft. Gnabry zählt neben seinen Bayern-Kollegen Joshua Kimmich, Goretzka, Sané und Müller wieder zum Kader.

Gnabry hatte die ersten beiden Spiele unter Nagelsmann wegen seines Unterarmbruchs verpasst und musste sich von der heimischen Couch ansehen, wie der ehemalige Bayern-Coach das Flügelspiel (auf dem Papier) abschaffte und auf eine zentralorientierte 4-2-2-2-Grundordnung umstellte. In dieser agierte Sané als Freigeist neben Niclas Füllkrug in der Spitze, dahinter zauberten Musiala und Florian Wirtz.

Hätte sich Musiala nicht verletzt, hätte Nagelsmann keinen Grund gehabt, auch nur irgendetwas an seiner Formation im Angriff zu ändern. Nun könnte Gnabry als hängende Spitze neben Füllkrug wieder wichtige Spielpraxis sammeln und im besten Fall Selbstvertrauen tanken - und das hat er mit dem Blick auf seine Situation beim FC Bayern und der Heim-EM auch dringend nötig.

FC Bayern München: Die nächsten Spiele

DatumWettbewerbGegner
11. November, 15.30 UhrBundesliga1. FC Heidenheim (H)
24. November, 15.30 UhrBundesliga1. FC Köln (A)
29. November, 21 UhrChampions LeagueFC Kopenhagen (H)
02. Dezember, 15.30 UhrBundesliga1. FC Union Berlin (H)