Der erste Schritt war ein üblicher Reflex in der Bundesliga: Hoffenheim holt Stevens. Der zweite Schritt war ein Ausrufezeichen: Hoffenheim macht Nagelsmann zum Bundesligatrainer. Die Meldung kam offensichtlich so überraschend, dass die Nachrichtenagentur von einem gewissen "Nagelsheim" sprach.
Julian Nagelsmann wird am 1. Juli 2016 mit 28 Jahren zum jüngsten Bundesligatrainer der Geschichte. In welcher Liga er seinen Dienst antreten wird, ist noch offen. Aber die Chancen der TSG, mit Stevens die Klasse zu halten, stehen nicht schlecht. Stevens hat es mittlerweile zu seinem Hobby gemacht, hilfesuchende Mannschaften - vorzugsweise den VfB Stuttgart - in schwierigen Phasen kurzfristig aus dem Abgrund zu coachen.
1899 Hoffenheim hat mit dieser Entscheidung auf bemerkenswerte Weise zwei Klischees miteinander verschmolzen. Zum einen haben die Kraichgauer bewiesen, dass auch bei ihnen die klassischen Mechanismen des Geschäfts greifen und nach einer Trainerentlassung ein erfahrener Retter die Wende bringen soll. Mit Stevens haben sie auch den ältesten aller alten Fahrensmänner gefunden.
Zum anderen haben die Kraichgauer bewiesen, dass sie bei aller Anpassung an das Bundesligageschäft ihrer noch unter Ralf Rangnick und Bernhard Peters etablierten Philosophie treu bleiben wollen. Die Ausbildung im eigenen Klub ist dabei ein zentrales Thema der TSG. Das gilt nicht nur für Spieler, sondern auch für Trainer, die die Spielidee von Grund auf kennen und auch im Profibereich fortführen sollen.
Neu ist das Vorgehen nicht, immerhin hat die Beförderung von Trainern aus den eigenen Reihen in den letzten Jahren Hochkonjunktur. Die Besonderheit der Personalie speist sich aus Nagelsmanns Alter. Die rasche Berufung in eine Führungsposition ist ungewöhnlich. Denn neben der sportlichen Qualifikation spielen im Profigeschäft auch noch eine Vielzahl anderer Dinge eine gewichtige Rolle. Das reicht vom Spiel mit den Medien bis zum Umgang mit den Trainerkollegen. Auch die Mannschaft wird genau verfolgen, wie sich ihr noch nicht mal 30-jähriger Coach verhält, zumal mit Stevens ein ganz anderer Typ sein Vorgänger sein wird.
Die Entscheidung des Vereins zeugt von großem Mut und Vertrauen in das Talent des Trainers, ist unter Berücksichtigung der Hoffenheimer Philosophie aber auch ein konsequenter Schritt, der auch die Wahrnehmung des Klubs wieder verändert. Hoffenheim war in seiner Gesamtheit auf dem Weg, zur grauen Maus der Bundesliga zu verkommen. Die Verpflichtung Stevens passte in dieses Bild. Mit der Beförderung Nagelsmanns haben die Hoffenheimer aber den Fokus wieder verschoben. Hoffenheim und Nagelsmann, die Verbindung gehört in der kommenden Saison zu den spannendsten Projekten im deutschen Fußball.
Julian Nagelsmann im Steckbrief