Keine Lust auf Santa Claus

Von Jonas Schützeneder
Zuversichtlich in den Abstiegskampf: "Gandalf" Verbeek glaubt fest an den Klassenerhalt
© imago

Trotz einer Winterpause im Tabellenkeller und einer Hinrunde ohne Sieg bewahrt der 1. FC Nürnberg nach wie vor Ruhe. Großen Anteil daran hat Trainer Gertjan Verbeek. Mit einem haarigen Versprechen will er die Mannschaft zum Rückrunden-Start gegen Hoffenheim (Sa., 15.30 Uhr im LIVE-TICKER) anstacheln. Die letzten Resultate lassen auf Besserung hoffen.

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Gandalf oder Albus Dumbledore? Gertjan Verbeek hatte zuletzt gleich zweimal die Wahl zwischen den beiden Magiern aus der Fantasy-Welt von "Herr der Ringe" und "Harry Potter". Zuerst sollte er quasi als Zauberer eine schnelle Wende beim abstiegsbedrohten 1. FC Nürnberg hinlegen. Dann versprach der Niederländer, seinen Bart erst nach einem Sieg abzurasieren. Sollte der Club auch in der Rückrunde sieglos bleiben, könnte seine Bartmähne die Ausmaße beider Filmhelden annehmen.

"Ja, auch wenn ich weiß, dass das böse enden kann. Dann sehe ich nächstes Jahr aus wie Santa Claus", sagte Verbeek Ende der Hinrunde im "Kicker" auf die Frage, ob er sein Bart-Versprechen weiter halten werde. Auf Santa Claus hat er scheinbar aber keine Lust.

Starke Testspiele

Selbstbewusst und fast schon trotzig gibt sich Verbeek kurz vor dem Start in die Rückrunde. "Ich bin sehr zufrieden", meint der 51-Jährige mit Blick auf die Vorbereitung der Franken, die sportlich verheißungsvoll verlief. In drei Testspielen gegen Steaua Bukarest (5:1), den FC Luzern (2:1) und Grashopper Zürich (1:0) gelangen drei Siege - ein zuletzt selten gewordenes Gefühl für den FCN.

"Drei Vorbereitungsspiele, drei Siege, ein großartiges Gefühl", schrieb Abwehrspieler Per Nilsson via "Twitter". Viele Siege wird der Pokalsieger von 2007 auch in der Rückrunde brauchen. Dafür testete Verbeek im spanischen Trainingslager weitere taktische Varianten.

Trainings-Beobachter wollten gar eine Testform mit Libero gesehen haben, Verbeek wiegelte sofort ab. Eine Dreierkette mit tiefem defensivem Mittelfeldspieler sei das gewesen, belehrte er die Reporter und verwies auf verschiedene Möglichkeiten seiner Truppe: "Wir haben zwei Systeme und wir haben die Spieler für diese zwei Systeme. Wenn sich einer verletzt, dann habe ich wieder eine neue Idee."

Pogatetz und Hasebe fehlen

Das wird auch zum Start in die Rückrunde unumgänglich. Mit Abwehrmann Emanuel Pogatetz (Außenbandanriss im Knie) und Makoto Hasebe (Riss im Außenmeniskus) fehlen gleich zwei Stammspieler für mehrere Wochen. Umso erstaunlicher, dass der Traditionsverein weitere Transfers ablehnt. "Unwahrscheinlich", meint Sportdirektor Martin Bader. Aus Prag kam lediglich Mittelfeldspieler Ondrej Petrak, Alexander Esswein verließ den Klub in Richtung Augsburg.

"Wir können die Ausfälle mit unserem eigenen Kader auffangen", so Verbeek. Seine Ruhe und Souveränität haben dem Umfeld am Dutzendteich gut getan. Zum Trainingsauftakt am 4. Januar feierten über 1000 Fans die Manschaft - trotz Platz 17 und keinem einzigen Hinrunden-Sieg.

"Wechsel auf die Überholspur"

Sie alle setzen auf eine starke Aufholjagd in der Rückrunde. Passend zur Metaphorik lieferten sich Verbeeks Trainer-Team und die Mannschaft auf einer Kart-Bahn ein Rennen. Daniel Ginczek hat den Wink jedenfalls verstanden. "Wenn der Knoten in der Liga mal platzt, wechseln wir auf die Überholspur und ziehen an der Konkurrenz vorbei", kündigt der Angreifer an.

Mit entscheidend dafür dürfte auch seine eigene Form sein. Mit lediglich 17 Toren zählt Nürnberg zu den harmlosesten Teams der Liga. Gerade von Ginzcek hatte man mehr erwartet. Mit der Empfehlung von 18 Treffern in der 2. Bundesliga war der frühere Dortmunder im Sommer zu den Franken gekommen. In der Hinrunde reichte es allerdings nur für zwei Tore in 14 Einsätzen.

Besonders auffällig: Unter Verbeek präsentierte sich das Team keineswegs wie ein Kellerkind. Über weite Strecken waren erfrischende Offensive und viel Engagement zu sehen. Die Kehrseite: Kein einziges Mal reichte es zum Sieg, fast fassungslos mussten die Fans mitansehen, wie trotz größter Überlegenheit gegen Hannover, Schalke und Mainz nur Remis heraussprangen.

Verbeek verbietet das Remis

Den Tiefpunkt erlebten die Franken bereits Anfang November nach der peinlichen Heimpleite gegen Freiburg. Wütende Anhänger forderten die Mannschaft zurück in die Fankurve. Weil Kapitän Raphael Schäfer ungehalten reagierte und danach seine Binde wegwarf, war kurzzeitig auch sein Rücktritt als Kapitän diskutiert worden. Mittlerweile hat sich die Beziehung zwischen Anhang und Team trotz der Winterpause im Tabellenkeller wieder verbessert.

Mit elf Unentschieden ist der Club zumindest in dieser Rangliste Bundesliga-Spitze. Grund zur Freude sieht Verbeek deshalb natürlich nicht. Der Niederländer hat mittlerweile das Remis abgeschafft, Trainingsspiele pfeift er erst ab, wenn ein Sieger feststeht. "Wir wollen Systeme lernen, mit denen man auch ab der 75. Minute voll auf Sieg spielt. Wir haben jetzt 17 Finalspiele vor uns", kündigt der Trainer an.

Freiburg und Frankfurt in Schlagdistanz

Dabei helfen sollen auch zwei "interne Neuzugänge". Hanno Balitsch und Timo Gebhart, beide in der Hinrunde aus dem Profikader getrichen, erhalten eine neue Chance. Balitsch kam in den Testspielen zum Einsatz, Gebhart muss nach lang anhaltenden Leistenproblemen erst noch seinen Fitnessrückstand aufholen.

"Wir können uns sehen lassen", findet Verbeek daher mit Blick auf seinen Kader. Nicht nur die zuletzt deutlich besseren Leistungen unter seiner Regie, auch der Blick auf die Tabelle machen Hoffnung: Trotz der Negativ-Serie hat der FCN nur drei Zähler Rückstand auf den Relegationsplatz, auf Platz 15 sind es vier.

Zumindest öffentlich zweifelt Verbeek keine Sekunde am Klassenerhalt. Die Frage, ob sein Vertrag für die 2. Liga gelte, fasste er gar als Beleidigung auf. Er wolle zusammen erfolgreich arbeiten, attraktiv spielen und weg von den unteren Regionen der Tabelle. Für Gandalf, Dumbledore und Santa Claus hat er dabei keine Zeit.

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