"Vom Leben um die Eintracht gefesselt"

Von Daniel Reimann
Torsten Lieberknecht führte die Eintracht von der 3. Liga in die Bundesliga
© getty
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SPOX: Fühlten Sie sich denn nach den ersten sieben Bundesligaspielen in Ihrer romantischen Idee desillusioniert?

Lieberknecht: Uns hat die volle Wucht der ersten Liga getroffen. Trotzdem wollen wir unseren Weg genauso weitergehen, wie wir das vergangene Saison getan haben. Wir haben auch nach dem Aufstieg nicht etwa plötzlich viel Geld ausgegeben, sondern schenken auch weiterhin der Mannschaft das Vertrauen, die den Aufstieg geschafft hat. Das ist vielleicht ein bisschen romantisch und birgt Risiken, aber es zeichnet uns auch aus. Dem wollen wir treu bleiben.

SPOX: War es eine Genugtuung, ausgerechnet gegen den VfL Wolfsburg den ersten Saisonsieg zu holen? Der Lokalrivale stellte in den letzten Jahren eher das Gegenstück zum "romantischen Weg" der Eintracht dar.

Lieberknecht: Das war nicht unser Primärziel. Es war der Lohn für eine - positiv gemeint - verrückte Woche. Zuvor hatten wir einige Spiele dabei, die wir hätten gewinnen müssen, gegen Nürnberg oder Bremen zum Beispiel. Der Sieg in Wolfsburg war eine Bestätigung dafür, dass wir die Spiele zuvor gut analysiert haben. Unabhängig davon, wie der Gegner heißt.

SPOX: Nach einem dieser Spiele sorgten Sie mit einer "Wutrede" für Aufsehen. Waren Sie überrascht von der lauten Reaktion auf ihre Worte nach dem HSV-Spiel?

Lieberknecht: Nein, überrascht war ich nicht. Ich bin seit Jahren im Profigeschäft und weiß, wie bestimmte Dinge aufgenommen und ausgeschlachtet werden. Ich wollte einfach meine Gemütslage ausdrücken. Hinzu kam eine bestimmte Einstiegsfrage, die mich emotional ins Rollen gebracht hat. Meine Wortwahl war vielleicht für den einen oder anderen ungewöhnlich, aber keineswegs despektierlich.

SPOX: Haben Sie denn manchmal das Gefühl, dass es auf diesem professionellen Niveau nicht mehr ausreichend Platz für Emotionen gibt?

Lieberknecht: Doch, den gibt es immer noch. Man kann Emotionen ausleben. Es gibt genügend Spielraum, in dem man sein persönliches Befinden kundtun kann, solange man bestimmte Grenzen beachtet. Ich finde das sehr wichtig, denn es ist auch eine Art Selbstschutz, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Das ist gesund. Und weitaus besser, als die Dinge in sich reinzufressen.

SPOX: Einerseits sind Sie emotional, andererseits werden Sie oft als Kumpeltyp charakterisiert. Zurecht?

Lieberknecht: Meine Mannschaftsführung basiert zum großen Teil auf Vertrauen, das ist richtig. Das hängt aber damit zusammen, dass ich mit vielen Spielern hier schon sehr lange zusammenarbeite. Ich schätze meine Spieler als Menschen sehr und versuche, ihnen das auch so zu vermitteln. Der Erfolg gibt uns Recht. Aber jeder Spieler weiß auch, dass er bestimmte Grenzen nicht überschreiten darf. Ich werde sehr ärgerlich, wenn mein Vertrauen missbraucht wird, das wissen meine Spieler aus der Vergangenheit.

SPOX: Wird nicht ohnehin ein gewisses Maß an Autorität von Seiten des Trainers entbehrlich, wenn in der Mannschaft ein entsprechend starker Teamgeist herrscht?

Lieberknecht: Durchaus. Aber man muss da differenzieren. Es gibt einerseits eine bestimmte Art der Mannschaftsführung. Ich vermittele den Spielern Disziplin, behalte mir aber einen gewissen Spielraum, manche Dinge auch vertrauensvoll rüberzubringen. Wie man mit den Spielern umgeht, ist also das eine. Aber über allem steht die fachliche Kompetenz. Wenn du den Jungs nicht vermitteln kannst, was du willst, nützt alle Autorität nichts.

SPOX: Viele junge Trainer der neuen Generation verzichten auf übermäßiges Autoritätsgebaren. Stattdessen werden Sie oft als "Konzepttrainer" bezeichnet. Stimmt es, dass Sie den Begriff nicht leiden können? Und weshalb?

Lieberknecht: Ja, richtig. Ich finde es unangebracht, zwischen Trainern so sehr zu differenzieren und sie in Kategorien einzuordnen. Jeder Trainer hat ein Konzept, einen Plan und führt seine Mannschaft gemäß seiner Idee. Wenn man junge Trainer als Konzepttrainer bezeichnet, ist das despektierlich gegenüber vielen älteren Trainern, die seit Jahren erfolgreich arbeiten. Das stört mich. Ein Jupp Heynckes war doch nicht konzeptfrei! Er musste eine enorme Qualifikation als Trainer mitbringen, um die Erfolge zu feiern, die er erreicht hat. Stattdessen bezeichnet man manche Trainer als Konzepttrainer, die trotz super vorhandenen Konzepts keinen Erfolg hatten.

SPOX: Und wenn man Sie kategorisieren müsste? In welcher Schublade würden Sie landen?

Lieberknecht: Ich bin einfach nur Fußballtrainer.

Torsten Lieberknecht im Steckbrief