Zermürbung statt Kunst

Von Thomas Gaber
Liegen mit dem FC Bayern auf Kurs: Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Mario Götze (v.l.)
© imago

Vor dem vorgezogenen Bundesliga-Spiel des 4. Spieltags beim SC Freiburg (18.30 Uhr im LIVE-TICKER) lässt sich feststellen: Noch fremdeln die Spieler des FC Bayern mit den Vorgaben von Trainer Pep Guardiola. Doch auch ohne die große Kunst fangen die Gegner bereits wieder an zu kapitulieren, - auch weil das Herz des Bayern-Spiels funktioniert.

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Am Ende waren es handelsübliche Spielformen, die dem FC Bayern drei Punkte im Derby gegen den 1. FC Nürnberg brachten. Franck Ribery traf per Kopf nach Flanke von Philipp Lahm zum 1:0, Arjen Robben schloss ein Solo zum 2:0 ab.

Zuvor hatten die Münchner 70 Minuten lang vergeblich versucht, die Zehn-Feldspieler-Mauer des FCN zu überwinden.

Torchancen gab es zwar, außer dem verschossenen Elfmeter von David Alaba nach einer halben Stunde aber keine erwähnenswerten. Bei ermittelten 81 Prozent Ballbesitz, eine neue Bestmarke passend zum 50. Geburtstag der Bundesliga, keine Ausbeute, die die Bayern und ihren Trainer zufriedenstellen kann.

"Die Schnelligkeit im Angriff haben wir ein bisschen vergessen", sagte Pep Guardiola und gab gleich die passende Begründung. "Wenn etwas nicht ganz so klappt, ist das wegen dem Trainer und nicht wegen dem Spieler. Der Trainer gibt manchmal sehr viele Informationen."

Relikt aus Heynckes-Zeit funktioniert

Für die Spieler sind es derzeit augenscheinlich noch zu viele: neues System, bevorzugt 4-1-4-1, Guardiolas Experimentierfreudigkeit mit Spielern auf ungewohnten Positionen, ständig wechselnde Formationen im Mittelfeld und eine neue Aufgabenverteilungen für Schlüsselspieler wie Bastian Schweinsteiger.

Noch fremdeln die Bayern mit den Vorgaben des Trainers; die Ausrichtung gibt manchmal mehr Rätsel auf, als sie Klarheit schafft. Am besten funktioniert ein Relikt aus Heynckes-Zeiten: das Flügelspiel über Ribery und Robben.

"Der Rest muss sich entwickeln, dafür brauchen wir aber Geduld", mahnt Schweinsteiger. Er ist der Auserwählte für Guardiolas hoch geschätzte Sechserposition. Und Schweinsteiger wird es bleiben, erst recht durch den wochenlangen Ausfall von Thiago.

Lahm spielt offensiver

Anders als unter Heynckes hat Schweinsteiger keinen Partner wie Javi Martinez, mit dem er sich die Aufgaben im zentralen Mittelfeld teilen kann. Zudem soll er die Position anders interpretieren als in der letzten Saison.

"Es ist ein Stück weit defensiver. Ich habe eine Position, wo ich versuche, der Abwehr beim Aufbau so zu helfen, dass wir flach rauszukommen und nicht immer mit langen Bällen spielen müssen, besonders wenn die Gegner früh Druck machen. Ich versuche für Stabilität und Ordnung zu sorgen", sagte Schweinsteiger nach dem Nürnberg-Spiel bei "Sky".

Unterstützt werden soll er dabei von Philipp Lahm. Der Rechtsverteidiger interpretiert seine Rolle offensiver und stößt von der Seite oft nach innen ins Mittelfeld, während David Alaba auf links konsequent den Flügel besetzt.

Schweinsteiger stand als einziger Mittelfeldspieler in jedem Bundesligaspiel in der Startelf. Gegen Gladbach agierten im Zentrum vor ihm Toni Kroos und Thomas Müller, in Frankfurt Kroos und Xherdan Shaqiri und gegen Nürnberg Thiago und Mario Götze.

Schweinsteiger unverzichtbar

Guardiola will allen Spielern so früh wie möglich Einsatzzeit geben, das Heranführen des drei Monate verletzten Götze stellt dabei die größte Herausforderung dar. "Er hat ein gutes erstes Spiel gemacht, aber er braucht noch mehr Zeit. Er wird gegen Freiburg im Kader sein, ob er spielt, weiß ich noch nicht", sagte Guardiola am Montag.

Schweinsteiger dagegen wird wieder spielen. Auf ihn kann Guardiola am wenigsten verzichten. Sportvorstand Matthias Sammer sieht in Schweinsteiger die "Lebensversicherung" des FC Bayern. "Er ist wichtig für unser Aufbauspiel, wichtig im Spiel gegen den Ball und wichtig in der gesamten Organisation. Kurzum: Er ist das Herz unseres Spiels."

Schweinsteiger ist Ausgangspunkt für die "legitime Zermürbungstaktik" (Freiburg-Coach Christian Streich) des Gegners. Neben 81 Prozent Ballbesitz spielten die Bayern gegen Nürnberg Über 700 Pässe. "Die Bayern machen das so lange, bis du irgendwann keine Lust mehr hast, hinterherzulaufen. Das wird dann irgendwann unerträglich", sagte Streich.

"Bayern ist eine Maschine"

Das Kunstvolle ist zwar noch überschaubar, doch bereits der Club musste erkennen, dass es trotz enormer Disziplin in der Defensivarbeit kein Mittel gibt, den Ballbesitzfußball der Bayern zu unterbrechen.

"Bayern ist eine Maschine. Sie haben uns nicht an die Wand gespielt, wie sie das letzte Saison mit fast allen Mannschaften gemacht haben. Aber sie machen kaum Fehler und dann haben sie eben noch ihre individuelle Klasse", sagte FCN-Trainer Michael Wiesinger.

Die Leichtigkeit fehlt zwar noch, ihre Dominanz erlangen die Bayern aber sukzessive zurück. "Es funktioniert von Spiel zu Spiel besser", sagte Thomas Müller. Gegen Freiburg sollte es ein weiterer Schritt nach vorne gelingen. Immerhin steht am Freitag die Revanche gegen den FC Chelsea an.

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