Stützpunkte des Vertrauens

Von Fatih Demireli
Granit Xhaka und Luuk de Jong sind die teuren Neuen, Thorben Marx (M.) ist gesetzt
© Getty

Borussia Mönchengladbach hat nach schwieriger Anfangsphase die Kurve bekommen und ordentlich die Hinrunde beendet. Nach den Abgängen von Reus, Dante und Neustädter sind aber nicht die teuren Neuzugänge, sondern Gladbacher Langzeitstützen in die Bresche gesprungen. Der Konkurrenzkampf entflammt jetzt wieder neu.

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Filip Daems war kurz irritiert. "Ich? Ein Holländer?", dachte sich der Belgier. Ein Unding.

Just als der Tross Borussia Mönchengladbachs im Trainingslager zu Dubai ankam und die erste Pressekonferenz einberufen wurde, stellte Karim Tarhouni, der dank seines Interviews mit Roman Weidenfeller ("We have a grandios Saison gespielt") bundesweite Berühmtheit erlangte, den "very famous" Niederländer Filip Daems vor.

Daems lächelte, ließ den Fauxpas Tarhounis schmunzelnd unkommentiert. Ein heiteres Missverständnis, das freilich folgenlos blieb. Da erlebte die Borussia schon ganz andere Winterpausen: Im Jahr zuvor musste der Klub in einem Atemzug die Weggänge von Marco Reus und Roman Neustädter verkünden. Folgenschwer.

"Wir haben unser Rückgrat verloren", so Lucien Favre über Reus, Neustädter und Dante. Um die Situation zu verdeutlichen, machte es Favre noch bildhafter: "Wir haben unseren Messi, Xavi und Pique verloren."

Abgänge Stars in der Champions League

"Schauen Sie doch, welche Führungsrolle sie nach diesen vier Monaten in ihren neuen Vereinen innehaben", sagte Sportdirektor Max Eberl jüngst in einem Interview. "Und das sind nicht irgendwelche Vereine, sondern die drei besten Teams Deutschlands, die ihre Champions-League-Gruppen alle gewonnen haben."

Damals versuchte die Borussia mit dem vermeintlichen Allheilmittel entgegenzuwirken: mit Transfers. Granit Xhaka, Luuk de Jong, Alvaro Dominguez und Peniel Mlapa kosteten gemeinsam 31 Millionen Euro. Mehr gab in der Bundesliga nur der FC Bayern aus, der sich alleine Javi Martinez 40 Millionen Euro kosten ließ.

Demut für Xhaka, Zeit für de Jong

Die Befürchtungen Favres, dass die Neuen nicht auf Anhieb einschlagen werden, sollten sich bewahrheiten. "Die Neuen kommen aus Holland oder der Schweiz, es ist ein großer Schritt in die Bundesliga. Wir müssen viel Geduld haben", sagte Favre im Juli. Die Geduld in Gladbach hält bis heute an, denn von den millionenschweren Neuen ist nur Dominguez - und dieser mit Abstrichen - angekommen.

"Granit musste lernen, ein bisschen Demut vor der Bundesliga zu zeigen und Luuk fiel zu einem Zeitpunkt aus, als er sich langsam zu akklimatisieren begann", versucht Eberl die Problematik zu erläutern.

Dass Gladbach trotz Verlust seiner wichtigsten Spieler und der noch andauernden Integrationsphase der Nachfolger sehr ordentliche 25 Punkte sammelte und in der Europa League überwintert, ist vor allem ein Verdienst der Arrivierten im Kader.

Erfolg mit Marx und Rupp

Eberl erklärt: "Wir haben eine Basis, die so gefestigt ist, dass die Neuen sich integrieren können. Das war immer unser Bestreben." Als Xhaka ob seiner Art und Weise, Fußball zu spielen, erst einmal keine verlässliche Größe darstellte, und auch Tolga Cigerci überfordert schien, brachte Favre Thorben Marx auf der Sechs.

Dieser steht seit dem 6. Spieltag ununterbrochen in der Startelf: Mit ihm holte Gladbach in dieser Phase 19 von insgesamt eingespielten 25 Zählern. Zu den Erfolgsgaranten zählt auch Lukas Rupp, der seit dem 7. Spieltag jedes Mal zum Einsatz kam. Der ehemalige Flügelflitzer Patrick Herrmann ist deswegen längst im offensiven Zentrum angesiedelt.

"Man sieht, dass sie gut sind. Und sie bringen der Mannschaft etwas, deshalb spielen sie", sagt Favre über Marx und Rupp. Besonders für Marx eine veränderte Situation, war er lange doch nur Nebendarsteller in Mönchengladbach und in der überragenden Gladbacher Saison 2011/2012 nur eine Randnotiz.

Jetzt geht er mit einem Bonus in die Rückrunde - und mit der Aussicht auf einen neuen Vertrag, zumal der aktuelle Kontrakt im Sommer endet. "Es wäre schön, wenn's hier für mich weitergeht", sagt der Routinier. Auch Gladbach denkt ähnlich, so dass es möglicherweise nicht mehr lange dauert, bis ein neuer Vertrag unterzeichnet wird.

Neuer Vertrag auch für Hanke

Ähnlich stellt sich die Situation bei Mike Hanke dar. Der Ex-Nationalspieler, dessen Vertrag ebenfalls ausläuft, erlebte in der Vorrunde eine Berg- und Talfahrt, nachdem er in der Vorsaison noch maßgeblicher Faktor am Erfolg war. Hanke sagt aber: "Bei Thorben war es am Anfang noch extremer." Man habe sich gegenseitig geholfen: "Wenn du einen Freund in der Mannschaft hast, dann ist es einfacher."

Während Marx irgendwann seinen Platz fand, musste Hanke geduldig auf längere Einsatzzeiten warten. "In der ersten Zeit der Saison lief es nicht gut. Es ist aber klar, dass ein Trainer auch mal ein wenig rotieren muss. Er muss probieren, eine Mannschaft mit neuen Stützpunkten zu formen."

Auch wenn sich Hanke noch nicht als Stammkraft sehen kann, hat er doch Anteil an der Wende, zumal er das auf Ballsicherheit und schnelle Pässe angelegte Gladbacher-Spiel verkörpert, das die Borussia zurück auf die Erfolgsspur führte. Ein Stützpunkt eben. Daher stehen auch bei Hanke die Zeichen auf Vertragsverlängerung.

Xhaka und Co. greifen wieder an

"Ich beschäftige mich nicht mit anderen Angeboten, weil ich einfach sehr gerne bleiben möchte. Meine Familie und ich fühlen uns hier sehr wohl", sagt Hanke, der in der Winterpause seine langjährige Freundin Jennifer geheiratet hat.

Für die Spieler, die noch in der Integrationsphase stecken und im Trainingslager um den Anschluss kämpfen, ist die Situation nicht einfacher geworden, zumal Favre keinen Grund hat, an seiner Basiself etwas zu verändern. Rotiert hat der Schweizer zuletzt ohnehin nur noch selten.

Xhaka und Co. geben sich aber angriffslustig. "Ich laufe nicht weg. Ich habe mich schon bei Basel durchgesetzt und ich will mich auch hier durchsetzen. Ich weiß, dass ich das kann. Ich war nie jemand, der vor Problemen wegläuft und ich bin nicht nach Mönchengladbach gekommen, nur um ein halbes Jahr hier zu spielen", sagt Xhaka.

Auch de Jong, der in der Endphase der Hinrunde nach langwieriger Verletzung sein Comeback gab, ist guten Mutes: "Es ist hier schneller und körperbetonter als in Holland. Ich musste mich erst anpassen. Doch jetzt weiß ich, dass die Bundesliga und Gladbach für mich perfekt sind."

De Jong muss sich anpassen

Inwiefern das wirklich zutreffend ist, bleibt abzuwarten. Gladbach spielt konstruktiver, aus der Deckung heraus, ohne wirklich selbst das Spiel zu machen. Genau das wäre aber das Spiel des Niederländers, der zudem gerne mit Flanken gefüttert werden will. De Jong muss sich anpassen, nicht umgekehrt.

Ein anderer vermeintlicher Holländer würde gerne Tipps geben. Aber Filip Daems hat selbst gegen Oscar Wendt einen Platz zurückzuerobern und inzwischen weiß auch Karim Tarhouni, dass Daems aus Belgien kommt.

Borussia Mönchengladbachs Kader