Huntelaar: "Ich musste böse werden"

Von Interview: Haruka Gruber
Klaas-Jan Huntelaar geht in seine zweite Saison beim FC Schalke 04
© Imago

Die Gerüchte um Manchester United sind vergessen: Klaas-Jan Huntelaar ist auf Schalke Ralf Rangnicks Nummer eins im Sturm. Ein Interview über seine Droge, seinen Freund Arjen Robben und das Leben bei den "Super-Bauern".

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SPOX: Wie oft haben Sie es bereut, Mario Gavranovic erzählt zu haben, dass Sie aus einer Region der Niederlande stammen, in der vor allem Bauern leben? Deswegen hat er Sie bei der legendären Pokalfeier doch als 'Bauer' vorgestellt, oder?

Klaas-Jan Huntelaar: Ach, so gebildet ist der Kleine nicht, dafür ist er zu jung und hat zu wenig Ahnung. (lacht) Nein, das ist natürlich ein Scherz, Mario und ich verstehen uns sehr gut. Ich glaube, das mit den Bauern hat Raul zu unserer Zeit bei Real Madrid irgendwann aufgeschnappt und einmal nebenbei in der Schalke-Kabine erwähnt. Mario hat das offenbar mit halbem Ohr gehört und versucht seitdem, mich damit aufzuziehen.

SPOX: Mit Erfolg?

Huntelaar: Überhaupt nicht. Er sagt zwar immer, dass ich ein Bauer sei, weil ich beim Kartenspielen immer verliere. Aber damit habe ich keine Probleme, weil ich ihn in Wahrheit immer abziehe. Daher sollte Mario lieber mal ruhig sein. (lacht)

SPOX: 'Bauer' hätte insofern auf Sie gepasst, weil Sie von De Graafschap ausgebildet wurden. Ein Klub, der in den Niederlanden auf den Spitznamen 'Die Super-Bauern' hört.

Huntelaar: Das stimmt, wobei 'Die Super-Bauern' nur positiv gemeint ist. De Graafschap ist ein kleiner Verein, bei dem es sehr gemütlich und familiär zugeht. Der perfekte Ort für einen Nachwuchsspieler wie mich damals, um sich in Ruhe zu entwickeln.

SPOX: Mit 16 wechselten Sie aus der Provinz zum PSV Eindhoven, bei dem Ihnen jedoch der Sprung zu den Profis verwehrt blieb. Warum?

Huntelaar: Es war nicht einfach: Ich bin erstmals aus meinem 2000-Einwohner-Dorf ausgezogen und stand auf einmal alleine da. Plötzlich hatte ich nicht mehr meine beiden Brüder um mich herum und lebte in einer größeren Stadt. Dazu kam die Konkurrenz: Damals spielte bei den Profis Mateja Kezman und erzielte ein Tor nach dem anderen. Dahinter hatte PSV mit Jan Vennegoor of Hesselink einen weiteren Topstürmer als Ersatz. Und dann kam ich: Ein Jugendspieler, der auf Erstliga-Niveau noch nie etwas gezeigt hatte.

SPOX: Deswegen ließen Sie sich in der Rückrunde 2002/03 zu Ihrem Heimatklub De Graafschap verleihen. Eine Fehlentscheidung?

Huntelaar: Es ging schlecht weiter. Die Mannschaft war damals Letzter und überhaupt nicht eingespielt. Außerdem passte die defensive Spielweise nicht zu mir, weil ich nur an eine nach vorne gerichtete Taktik gewöhnt war. Nach einem halben Jahr fiel das Fazit so aus: Ich habe nicht viel zeigen können, kam häufig nur als Einwechselspieler für die letzten 15 Minuten rein und De Graafschap stieg ab.

SPOX: Sie wurden 20 und warteten auf Ihren Durchbruch. Gab es Selbstzweifel?

Huntelaar: Selbstzweifel sind in einem solchen Moment normal. Ich hatte schon den Gedanken: Wenn das so weitergeht, werde ich nicht lange Spaß am Fußball haben.

SPOX: Doch dann kam der Wechsel zum wenig bekannten AGOVV Apeldoorn, dem damaligen Aufsteiger in die zweite Liga.

Huntelaar: Erstmals konnte ich zeigen, was ich draufhabe. Ohne diese eine Saison wären mir viele Türen verschlossen geblieben.

SPOX: Stimmt es, dass sogar eine Tribüne des Klub-Stadions nach Ihnen benannt wurde?

Huntelaar: Es war damals eine ganz besondere Saison: Apeldoorn spielte das erste Mal überhaupt in der zweiten Liga und dann wurde ich auch noch Torschützenkönig. Deswegen entschloss sich der Verein zu der Umbenennung. Eine große Ehre, vor allem weil ich schon nach einem Jahr weiterzog.

SPOX: Nach Heerenveen, wo Sie angeblich auch erstmals als 'The Hunter' bezeichnet wurden.

Huntelaar: Bei einem Heimspiel hatte ein Fan ein riesiges weißes Bettlaken ausgepackt und aufgehängt, auf dem stand eben 'The Hunter'. Seitdem habe ich meinen Spitznamen weg. Aber auch abgesehen davon war Heerenveen super. Der Verein ist ideal dafür, junge Spieler zu fördern: Ruud van Nistelrooy oder Jon Dahl Tomasson waren schon vor mir in Heerenveen.

SPOX: Van Nistelrooy sagte einmal, dass er abhängig ist von dem Geräusch, wenn ein Ball im Tornetz zappelt. Verstehen Sie, was er meint?

Huntelaar: Jeder Stürmer versteht es. Man sehnt sich die ganze Woche nach dem Gefühl des Toreschießens. Nach diesem Adrenalin-Kick. Es ist wie eine Droge. Es ist so wichtig wie Essen, es ist so etwas wie das Lebenselixier. Es gibt so viele Worte, um dieses Gefühl zu beschreiben. Das englische Wort 'Satisfaction' drückt es für mich am besten aus.

SPOX: Welchen Treffer haben Sie besonders in Erinnerung?

Huntelaar: Es sind zwei: Für Heerenveen gelang mir einmal gegen NAC Breda ein Traumtor nach einem Solo. Und ein Fallrückzieher für die niederländische U 21 gegen England.

Teil II: Huntelaar über Vorbild van Gaal, Robben und seine "Liebe" ManUtd