Fußball paradox: Das Phänomen Hannover

Von Stefan Moser
Mirko Slomka (2.v.r.) und Hannover 96 haben momentan viel zu feiern
© Getty
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4. Die Außenverteidiger:

Typisch für Hannover sind auch die wenigen Ballkontakte der Innenverteidiger: Die meisten Gegner hatten in der laufenden Saison mindestens doppelt so viele im Abwehrzentrum. Auch das ein Beleg dafür, dass die Mannschaft fast nie in der eigenen Hälfte langsam aufbaut.

Anders als im Spiel nach vorne hat Hannover entsprechend wenig Ballverluste in der eigenen Hälfte, echtes Pressing ist gegen 96 kaum möglich. Nach Ballgewinn in der eigenen Abwehr geht der erste Ball meistens auf die Außenverteidiger, die dann, deutlich höher postiert, das Spiel schnell eröffnen und sich gegebenenfalls in die Offensive mit einschalten. "Die Außenverteidiger-Position genießt oft keine große Wertschätzung", sagt Slomka, "für mich ist das aber eine sehr bedeutende Rolle. Und unsere Außenverteidiger spielen dort sehr intelligent." Christian Schulz und Steven Cherundulo sind entsprechend auch die Spieler mit den meisten Ballkontakten bei Hannover.

5. Die Fitness:

Slomka setzte schon auf Schalke neue Maßstäbe in der Trainingsmethodik. Auch in Hannover holte er sich bei seinem Amtsantritt Fitness-Experten wie Prof. Dr. Jürgen Freiwald von der Uni Wuppertal, ins Boot.

"Wir achten beim Training sehr gezielt auf unterschiedliche Formen: Übungen mit dem Ball, Trainingsspiele mit taktischen Inhalten, aber auch Arbeiten im Kraftraum. Wir achten sehr drauf, dass alle Spieler körperlich fit sind. Das schafft eine Grundsicherheit. Darauf können die Spieler sich auch spielerisch und technisch entwickeln", so Slomka. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Tatsächlich ist Hannover in der Lage, ein sehr aufwändiges und laufintensives Pressing auch über 90 Minuten durchzuziehen.

6. Die Stimmung:

"Die ersten Siege haben uns wichtiges Selbstvertrauen gebracht. Und alle haben intensiv und konzentriert gearbeitet, dann kamen die Erfolge auch gegen Mannschaften, die vor der Saison ganz andere Ziele hatten. Es ist eine Art positive Spirale, in der wir uns befinden, die wir aber intensiv aktiv gestalten", sagt Slomka. Auch er weiß, dass die Mannschaft in der Tabelle im Augenblick wohl über ihren Verhältnissen lebt und in einigen Spielen auch etwas Glück brauchte: "Ich glaube nicht, dass wir uns am Ende auf einem Champions-League-Platz halten können."

Doch tatsächlich hat sich nach dem Abgang der Leitwölfe Hanno Balitsch und Arnold Bruggink in Hannover eine neue Hierarchie entwickelt - und nicht zuletzt durch die Erfolgserlebnisse auch einer neuer Teamgeist: "Was die Stimmung im Kader auszeichnet, ist zum einen, dass jeder die Chance sieht zu spielen. Zum anderen ist jeder einzelne in seiner persönlichen Art im Team akzeptiert und als Spieler auf dem Platz respektiert. Das führt dazu, dass wir eine sehr eingeschworene Truppe geworden sind, die von außen kaum beeinflusst wird."

Bei vielen Spielern hat Slomka offenbar auch den richtigen Ton gefunden. Nach dem Erstrunden-Aus im Pokal gegen den Viertligisten Elversberg etwa nahm sich der Trainer gezielt Konstantin Rausch und Jan Schlaudraff - auch öffentlich - zur Brust. Rausch zeigte Reaktion und überraschte gleich zum Bundesligastart mit starken Leistungen und Toren. Schlaudraff dagegen flog aus dem Kader.

Dass Slomka aber nicht nur konsequent im Umgang mit seinen Spielern ist, sondern auch fair, zeigte sich, als er Schlaudraff nach sieben Spieltagen Pause wieder eine Chance gab. Mittlerweile gehört auch der 27-Jährige wieder zu den Leistungsträgern und stand zuletzt vier Spiele in Folge in der Startelf.

Nicht zuletzt fügten sich auch die Neuzugänge Mohammed Abdellaoue, Emanuel Pogatetz, Lars Stindl, Moritz Stoppelkamp und Markus Miller nicht nur fußballerisch, sondern auch menschlich gut in das Puzzle der 96er. Auch Sportdirektor Jörg Schmadtke hat also selbst mit schmalem Budget wieder sein gutes Näschen bewiesen.

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