Tete-a-tete mit Karl-Heinz Calmund

Von Oliver Kucharski
Der Grandseigneur der Fußball-Moderation: Dieter Kürten ist nach wie vor ganz nah dran!
© Getty

Leverkusen ignoriert weiterhin die Gesetze der Rückrunde, Arjen Robben sorgt für feuchte Höschen beim Boulevard, Dieter Kürten ist zurück auf der großen Bühne und Torsten Frings kann sogar von den Scorpions noch einiges lernen: Die Alternative Liste des 19. Spieltages.

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1. Bundesliga Finest: Zum Start: Gleich mal ein Lob an die DFL! Dafür, wie sie diesen an sich ja sehr phantastischen Spieltag im Einzelnen so angesetzt hat. Wenn man zum Beispiel am Samstagabend auf die beknackte Idee kam, sich mal bisschen die Sportschau reinzuziehen, dann sah man da also: Mainz - Hannover, Nürnberg - Frankfurt, Hertha - Gladbach, Bochum - Schalke. Die hässliche Fratze der Bundesliga, roh, unverfälscht, direkt hintereinander. Nur unterbrochen von den launigen Moderationen des Reinhold Beckmann und der gewitzten Werbung der Ergo-Versicherungsgruppe. Chapeau, DFL!

2. Schall und Rauch: Ganz stark auch: Dieter Kürten (sic!) bei Sky 90, dem Expertentalk. Keine Ahnung, wie Sky auf Dieter Kürten gekommen ist, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Erst sagte Dieter Kürten nämlich, er sei natürlich noch nicht weg vom Fenster, sondern im Gegenteil: nach wie vor ganz nah dran am Fußball, und dann sagte Dieter Kürten, dass er sich sehr wohl fühle, hier, in einer solchen Experten-Runde, zusammen mit Matthias Sammer und Karl-Heinz Calmund. Karl-Heinz Calmund. Hat er gesagt. Immer und immer wieder: Karl-Heinz Calmund.

3. Mieser als die Hertha: Bisschen verwirrt war am Freitag auch Torsten Hitzlsperger. Aber das ist verständlich. Erst Kapitän und immer auf dem Platz, dann plötzlich nicht mehr Kapitän und nur noch auf der Bank, und dann sagt Jörg Löw auch noch aus heiterem Himmel, dass er, Otto Hitzberg auf jeden Fall besser sei als dieser Frings, und da kann man schon mal bisschen durcheinander kommen, drum sei es ihm verziehen, dass Tim Hitzlsdings beim Field-Interview dann die völlig falsche Kassette einlegte und irgendwas von Freiburger Heimstärke faselte, auf die man sich gewissenhaft vorbereitet hätte usw. usf., dabei weiß doch jeder, dass Freiburg zuhause sogar noch mieser ist als die Hertha.

4. Mr. Perfect: Von seiner super sympathischen Seite zeigte sich mal wieder Jens Schmadtke: Dass man im Sommer Achim Bergmann geholt hat: komplett richtig gewesen. Dass man Ansgar Bergmann nun wieder vor die Tür gesetzt hat: ebenfalls: komplett richtig. Hat er so gesagt, der Sven Schmadtke. Und nun also Miro Slomka. Und klar, auch das: komplett richtig! Weil Bergmann ja zu soft war. Und man einen brauchte, der die Truppe mal ordentlich einnordet. D'accord: Slomka! Und das ist schon wirklich beruhigend, wenn man in der Vereinsführung einen hat, der a) so vieles so richtig macht und das b) auch so gern so öffentlich zugibt. Jetzt muss nur noch die Mannschaft endlich mal aufhören, immerzu alles falsch zu machen. Sonst steigt Hannover nämlich ab. Trotz Schmadtke.

5. Plan B: Ebenfalls alles richtig macht für gewöhnlich Wolfgang Hoeneß. Vor dem Spiel gegen Köln befahl er zum Beispiel: 1.) Ein Sieg muss her. 2.) Die Krise muss weg. So weit, so brillant. Blöd nur, dass so eine ausgewachsene Krise wie die der Wolfsburger sich selbst von solchen Respektspersonen wie Hoeneß herzlich wenig sagen lässt. Weshalb dieser nun also ungerührt Plan B aus der Schublade zauberte: Trainer raus! Und das - das hat die Geschichte der Bundesliga ja schon hundertfach bewiesen - ist ja immer die beste Maßnahme gegen die Krise. Man muss halt nur den Durchblick haben.

6. Abstiegskampf-Euphorie: Auf eine solche Kompetenz in der Führungsriege kann Michael Hecking in Nürnberg leider schon traditionell nicht zurückgreifen. Drum muss sich Hecking also selbst helfen, doch auch das: klappt ausgezeichnet. Vor dem Schocker gegen Frankfurt griff der Coach also mit verbundenen Augen ganz tief in die Psychokiste und mahnte seine Jungs an, doch bitte umgehend eine gewisse Abstiegskampf-Euphorie zu entwickeln. Und das zog, das traf den Nerv, das machte mobil - und zwar so gut, dass seine Buben die versehentliche Führung postwendend korrigierten und ausgerechnet Eintrachts Kleinsten, Horst Köhler, am langen Pfosten ganz allein zum Ausgleich einköpfen ließen. 19 Spiele, 13 Punkte, 13 Tore, Platz 17, fast so mies wie die Hertha - Nürnberg im Rausch!

7. Alles Beschiss: Bei der Hertha indes scheint das alles nur ein ganz großer Beschiss zu sein mit der Abstiegskampf-Euphorie. Klar, nach außen hin wird gefeiert: Aufholjäger-Shirts hier, Nichtabstiegs-Songs da - aber intern weht ein anderer Wind. Denn da reagiert der pure Pragmatismus. Wie die B.Z. (und der ist bedingungslos zu glauben!) herausgefunden hat, sollen im Falle einer Niederlage gegen Bochum am kommenden Wochenende nämlich Andreas Friedrich, Dings Raffael und Zlatko Kacar verkauft werden. Und zwar sofort. Weil bei einer Niederlage gegen Bochum der Abstieg quasi feststeht. Und man da lieber jetzt noch bisschen abkassieren will. Es ist doch wirklich niemandem mehr zu trauen!

8. Feuchte Höschen: Die Nachricht des Tages lieferten wie immer die Bayern. Ludwig van Gaal! Gestürzt! Über sein eigenes Zitat! Wahnsinn! Arnold Robben hatte die Trainer-Direktive mit dem Angstmachen ja ganz eindeutig zu wörtlich genommen - erst hatte er im Training Philipp Lahm eine gezimmert, und nun stürmte er also mit mächtig Dampf auf den Coach zu. Und der bekam es verständlicherweise mit der Angst zu tun, rannte um sein Leben - und stürzte. Eine Schlagzeile, die beim Boulevard für feuchte Höschen sorgte. Die wichtigste Nachricht für die Bayern-Fans bleibt freilich: Weder beim Sprint, noch beim Sprung, noch bei der Landung, noch später beim Duschen hat sich Arjen Robben verletzt. Einsatz gegen Mainz bislang nicht gefährdet!

9. Angstmacher: Apropos Robben: Ganz bayernlike sagte der Holländer hinterher, dass man "bei allem Respekt vor Werder!" auch locker zehn Tore hätte schießen können - ja: müssen! - und dass er allein an diesem Spieltag eigentlich auch locker an Tim Kießling hätte vorbeiziehen können, wenn er seine Chancen denn nur ein bisschen besser verwandelt hätte, und so machte Robben also auch nach dem Spiel munter weiter mit dem Angstmachen - wovon sich aber die Leverkusener in keinster Weise Angst machen ließen. Auch am 19. Spieltag trotzten sie den Gesetzen der Rückrunde - und fegten die überforderten Hoffenheimer mit angezogener Handbremse aus deren Stadion. Das macht langsam Angst!

10. Top-Quote: Allerdings: Mit der Torjägerkrone wird das nichts. Weder für Arne Robben, noch für Christian Kießling. Denn der HSV hat Ruud van Nistelrooy geholt, und den kennt sogar Dieter Kürten. Der war in den letzten eineinhalb Jahren zwar häufiger verletzt als Rib & Rob zusammen, davor aber, da war er WELTKLASSE, ein unfassbarer Knipser, und in dieser Saison hat er zwar nur zwölf Minuten gespielt, dabei aber immerhin ein Tor und einen Assist gemacht, und wenn man das mal auf die drei Spiele hochrechnet, die van Nistelrooy für den HSV ja sicherlich zusammenkriegen wird, dann sind das 22,5 Tore und 22,5 Assists, und das sollte aber mal ganz locker für die Krone reichen. Daher: Willkommen in der Bundesliga, Ruud van Nistelrooy, und: Willkommen in der Alternativen Liste!

11. Walkin' On The Edge: Zum Schluss noch: Eine Nachricht aus der Musik: Die Scorpions wollen aufhören. Letzte Platte, letzte Tour, dann ist Schluss. Weil: Die sind jetzt alt und wollen nicht, dass es unwürdig wird, und dass die Leute sagen, dass sie jetzt aufhören sollen, weil sie eben schon so alt sind und es nicht mehr bringen, daher hören sie jetzt lieber von alleine auf, bevor da irgendwer lacht und sie von der Bühne buht. Und obwohl diese Erkenntnis auch bei den Scorpions gute 15 Jahre zu spät kommt, so ist sie doch immerhin und wenigstens: überhaupt gekommen, und das ist uneingeschränkt zu loben, denn es gibt ja auch andere Beispiele, wo so eine Erkenntnis bis zum Schluss nicht kommt, bei Thomas Frings zum Beispiel, da kommt erkenntnistechnisch ja rein gar nichts, und das ist schon lange bisschen unwürdig, und das wiederum bringt dann auch die AL endlich mal zu einer Erkenntnis, nämlich dass es tatsächlich Leute gibt, die in Sachen Selbsterkenntnis sogar von den Scorpions noch was lernen können, und das ist zwar eine extra-bittere Erkenntnis, aber es ist immerhin eine Erkenntnis, und wenn man schon mal eine hat, dann ist das in der Tat der perfekte Zeitpunkt, um aufzuhören.