"Auch SPOX unterschätzt uns"

Von Interview: Haruka Gruber
Tobias Weis (l.) wechselte im Sommer 2007 von Stuttgart nach Hoffenheim
© Imago

Er will nicht mit Mark van Bommel verglichen werden. Er will nicht Herbstmeister werden. Er will sich nicht dem Nutella-Fluch beugen. Nationalspieler Tobias Weis kehrte nach drei Monaten Verletzungspause zurück und war beim turbulenten 1:2 gegen Dortmund bereits einer der besten Hoffenheimer. Der 24-Jährige über die Schattenseiten des Ruhms, den besten Spieler der Bundesliga und seine Zukunft bei 1899.

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SPOX: Vor einem Jahr nahmen Sie einen Werbespot für "Nutella" auf - und werden seitdem wie viele deutsche Nationalspieler vor Ihnen vom Pech verfolgt. Wie fühlt man sich als Opfer des berüchtigten Nutella-Fluchs?

Tobias Weis: Dass ich zuletzt  länger ausfiel, hat mehr mit Zufall zu tun und weniger mit dem angeblichen Nutella-Fluch. Verletzungen gehören nun mal zum Job des Fußball-Profis. Ich gehe davon aus, dass ich wieder an die Leistungen von vor einem Jahr anknüpfe und noch etwas oben drauf packe. Der Fluch kriegt mich nicht klein (lacht).

SPOX: Dennoch erstaunt es, dass Sie nach Ihrer Knie-OP erst jetzt wieder einsatzfähig sind. Ursprünglich wurde Ende September als Comeback-Termin angedacht. Was lief schief?

Weis: Ich bin endlich über den Berg. In den vergangenen Wochen hatte es überall gezwickt, zudem zog ich mir noch einen kleinen Muskelfaserriss zu. Ich habe mir zu viel zugemutet und zu früh wieder angefangen. Ich war einfach zu verbissen. Jetzt gehen wir kein Risiko ein. Bis zum Ende der Hinrunde will ich so oft wie möglich eingewechselt werden, in der Winterpause werde ich dann weiter an mir arbeiten und in der Rückrunde voll angreifen.

SPOX: Verlief der Höhenflug in der vergangenen Hinrunde im Nachhinein zu schnell?

Weis: Eigentlich kann es im Fußball nie zu schnell gehen. Es gibt doch nichts Besseres, als in kurzer Zeit zeigen zu können, was man kann. Aber natürlich habe ich sehr viel aus der letzten Saison gelernt. Dass es in vier Monaten steil bergauf, aber in genauso schneller Zeit steil bergab gehen kann.

SPOX: Stimmt der Eindruck, dass Sie Ihre innere Mitte - auch im Privatleben - wieder gefunden haben? Die "Bild" berichtete zuletzt über Ihr Liebescomeback mit der Ex-Freundin.

Weis: Es war nie so, als ob ich den Fußball aus den Augen verloren hätte. Aber ich muss zugeben: Vieles war neu - und dadurch wurde ich vielleicht etwas überrollt, auch wenn ich es zunächst gar nicht so realisiert habe. Dass die Presse auf einmal dieses und jenes von einem will. Dass man nirgendwo mehr hingehen kann, ohne beobachtet zu werden. Jetzt gehe ich besser mit all den Dingen um und im Privatleben stimmt auch wieder alles. Ich bin sehr glücklich.

SPOX: Ist nicht nur bei Ihnen, sondern auch im gesamten Verein wieder Normalität eingekehrt, nachdem das letzte Jahr in jeder Hinsicht extrem war?

Weis: So kann man es formulieren. Die Aufmerksamkeit fokussierte sich sehr auf uns, und plötzlich standen wir als Aufsteiger, der die Herbstmeisterschaft gewann, unter enormem Druck. Damit kamen wir nicht so klar, weil es für viele die erste Bundesliga-Saison überhaupt war. Mittlerweile haben wir uns jedoch etabliert und es deutet nichts daraufhin, dass wir in der Rückrunde erneut an Boden verlieren.

SPOX: Dennoch zählt Hoffenheim nicht zu den Titelfavoriten.

Weis: Es ist in den Köpfen verankert, dass für einen Aufsteiger das zweite Jahr noch schwieriger wird als das erste. Die Medien unterschätzen uns daher - auch SPOX. Wenn ich auf SPOX gehe und die Votings sehe, wer denn Meister werden würde, sind wir in der Regel nicht dabei. Aber das ist ein Vorteil für uns.

SPOX: Warum?

Weis: Diese Außenseiterrolle liegt uns richtig gut. Ich persönlich will zum Beispiel gar nicht Herbstmeister werden. Wenn wir mit zwei, drei Punkten Rückstand hinter dem Ersten die Vorrunde beenden, wäre es die ideale Position, um aus dem Windschatten heraus anzugreifen.

SPOX: Warum bricht Hoffenheim nicht erneut in der Rückrunde ein?

Weis: Weil wir nicht noch einmal soviel Verletzungspech haben werden und weil wir aus unseren Fehlern gelernt haben.

SPOX: Was konkret hat die Mannschaft gelernt?

Weis: Jeder nimmt sich etwas zurück. Wir haben uns in den letzten Wochen häufiger mannschaftsintern getroffen und ganz klar angesprochen, dass trotz der Erfolge von jedem Einzelnen - auch in den Nationalmannschaften - nicht das Individuum, sondern die Mannschaft im Vordergrund stehen muss. Der Einzelne zählt nichts. Wir wollen etwas Besonderes in der Bundesliga sein, indem sich unser Teamgeist von dem der anderen Teams abhebt.

SPOX: Dennoch scheint das gewisse Etwas zu fehlen - oder warum gewinnt Hoffenheim nur gegen die vermeintlich kleinen Gegner?

Weis: Das habe ich mich auch schon gefragt. Es hängt offensichtlich von der Konzentration ab. In Wolfsburg haben wir 45 Minuten klasse gespielt, dann war nach der Pause plötzlich alles weg. Gegen Dortmund war es umgekehrt. Wenn wir unser Spiel mal 80 Minuten durchziehen, bezwingen wir jeden Verein - egal ob er FC Bayern, Leverkusen oder Bremen heißt. Das hängt alles vom Reifeprozess ab.

SPOX: Geht Hoffenheim womöglich Ihre Bissigkeit ab?

Weis: Die Spieler, die normal neben mir spielen wie Andreas Beck oder Luiz Gustavo, sagen zu mir: "Tobi, wir brauchen dich." So ein schönes Kompliment motiviert natürlich. Ich stehe dafür, immer Vollgas zu geben. Vielleicht kann ich so dem Team helfen.

SPOX: In Anlehnung an Bayerns Mark van Bommel werden Sie von Trainer Ralf Rangnick immerhin als sein "aggressive leader" bezeichnet.

Weis: Na ja, ob ich in die Fußstapfen von van Bommel trete, möchte ich mal dahingestellt sein lassen (lacht). Er ist ein anderer Spielertyp. Ich will van Bommel nicht kritisieren, aber ich spiele schon fairer. Daher möchte ich mich nicht unbedingt mit ihm vergleichen.

SPOX: Obwohl Sie zu Rangnicks Zöglingen gehören, äußerte er sich zurückhaltend über eine mögliche Verlängerung des im Sommer auslaufenden Vertrags von Ihnen. Beleidigt?

Weis: Ich weiß definitiv, dass Hoffenheim sehr daran interessiert ist, mit mir zu verlängern. Vor einem dreiviertel Jahr gab es bereits Gespräche und der Verein weiß, dass ich bleiben will. Mein Berater Uli Ferber ist in Kontakt mit Hoffenheims Manager Jan Schindelmeiser. Schauen wir mal, was rauskommt.

SPOX: Wie ist Ihr Verhältnis zu Franco Zuculini, der verpflichtet wurde, um Druck auf Sie auszuüben?

Weis: Wir sind normale Konkurrenten und verstehen uns sehr gut. Franco ist ein witziger Kerl und ich habe größten Respekt davor, dass er sich mit 19 Jahren getraut hat, in ein fremdes Land zu ziehen. Ohne Sprachkenntnisse und ohne die Eltern. Es passt zwischen uns.

SPOX: Weil sie sich ähneln?

Weis: Das könnte sein. Wir sind uns nicht nur von der Statur, sondern auch vom Spielertyp her ähnlich. Wir haben die Schnelligkeit und die Aggressivität, um den Gegenspielern weh zu tun.

SPOX: Dennoch: Wie schwer ist es, auf der Tribüne zu sitzen und Konkurrenten wie Zuculini und Carlos Eduardo zusehen zu müssen, die auf Ihrer Position eingesetzt werden?

Weis: Ich neige dazu, mir vielleicht zu viele Gedanken zu machen. Man sitzt blöd rum, während die anderen ihren Spaß haben. Andererseits weiß ich genau, was ich kann - zumal beispielsweise Carlos ja auch links oder als Zehner eingesetzt wird. Ich werde genügend Gelegenheiten bekommen, noch oft zu spielen.

SPOX: Egal auf welcher Position: Eduardo liefert eine herausragende Saison ab. Ihre Erklärung?

Weis: Letztes Jahr hatte er seine Nerven nicht unter Kontrolle. Daraus hat er seine Lehren gezogen. Er hat sich menschlich, fußballerisch, aber auch körperlich weiterentwickelt, um mit den ständigen Fouls besser zurechtzukommen. Mittlerweile zeigt er ein tadelloses Benehmen und ist auch in der Defensivarbeit wertvoll.

SPOX: Ist Eduardo der beste Spieler der Bundesliga?

Weis: Mir fällt sonst keiner ein, der besser sein soll als Carlos. Wer ist auf seiner Position denn derart torgefährlich, trickreich und wertvoll wie er? Daher: ja, Carlos ist derzeit der beste Spieler der Bundesliga.

SPOX: Die Hoffenheim-Verantwortlichen erwarten den Weggang von Leistungsträgern wie Eduardo, sollte der Verein den internationalen Wettbewerb verpassen. Haben Sie ähnliche Befürchtungen?

Weis: Klar ist: Viele Spieler haben bei uns das Zeug, jetzt schon international zu spielen. Dennoch glaube ich, dass die meisten von Ihnen bevorzugen würden, mit Hoffenheim die Entwicklung mitzumachen und gemeinsam zu wachsen. Das leichteste wäre daher, wenn wir einfach Fünfter werden. Dann haben sich alle Diskussionen erledigt.

Stuttgart, Hoffenheim, DFB-Team: Tobias Weis im Steckbrief