"Nennt mich ruhig Beckham"

Von Interview: Haruka Gruber
Onos von Verletzungen überschattete Bilanz in 18 Monaten Bochum: 20 Spiele, drei Vorlagen
© Imago

Mit 13 galt er als Wunderkind, mit 18 war er bei der WM - und dann kamen die Verletzungen. Zuletzt erlitt Shinji Ono im April einen Innenbandriss, der ihn für den Rest der Saison außer Gefecht setzte. Trotz seiner unzähligen Ausfälle ist der 29-jährige Japaner ein Superstar in Asien und einer der besten Fußballer, den Bochum je verpflichten konnte. Ono über Essorgien, Monster, Genies und David Beckham.

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SPOX: Der Laie staunt, der Ernährungswissenschaftler schaudert: Die VfL-Bochum-Homepage offenbart, dass Ihnen zum Frühstück eine Banane genügt, um ein Training durchzustehen. Wie machen Sie das?

Shinji Ono: Nicht immer, aber häufig reicht mir morgens eine Banane, dann bin ich schon satt. Jeder Ernährungswissenschaftler würde wahrscheinlich einen Schreck kriegen, aber mehr geht nicht. Immerhin gibt es an manchen Tagen, wenn ich richtig Hunger habe, auch ein Brot und Kaffee.

SPOX: Erstaunlich, wenn man bedenkt, das Sie als Kind bis zu sieben Mal am Tag eine warme Mahlzeit gegessen haben sollen.

Ono: Weil ich jeden Tag drei, vier Stunden hart trainiert habe, brauchte ich Energie. Aber nichtsdestotrotz war es komisch. Ich konnte mir soviel reinstopfen, wie ich wollte, dennoch wurde ich nicht dick. Wahrscheinlich liegt es an meinen Genen oder weil ich so jung war. Wenn ich heute noch so viel essen würde, wäre ich wohl richtig fett (lacht).

SPOX: Trotz des ausgeprägten Appetits standen Sie bereits mit 13 in der japanischen U-16-Nationalmannschaft. Wie ist es, als Wunderkind aufzuwachsen?

Ono: Eine schwer zu beantwortende Frage - weil sich kaum jemand in meine damalige Lage hineinversetzen kann. Die meisten sehen nur die Schlagzeilen, aber jedes fußballbegeisterte Kind - egal wie gut man ist - denkt in so einem Alter nur an den Fußball. Daher habe ich die Aufregung um mich erst realisiert, als ich ins Profigeschäft einstieg und mir die Verantwortung bewusst wurde, dass Leute Geld bezahlen, um mich Fußball spielen zu sehen.

SPOX: Sie nahmen bereits als 18-Jähriger bei einer WM teil, wechselten 2001 für eine Rekordablöse von 12,5 Millionen Euro zu Feyenoord Rotterdam und wurden 2002 zu Asiens Fußballer des Jahres gewählt. Hätten Sie ohne die Verletzungen eine Weltkarriere hingelegt?

Ono: Ich weiß, dass das alles Theorie ist, dennoch geht mir nach jeder Verletzung durch den Kopf, was gewesen wäre, wenn ich mir nicht schon wieder wehgetan hätte. Wenn ich fit durch eine Saison kommen könnte. Wenn ich mich normal entwickelt hätte. Wäre ich bei einem europäischen Top-Klub gelandet? Solche Gedanken habe ich natürlich.

SPOX: Fühlen Sie sich angesichts des Verletzungspechs machtlos?

Ono: Wenn es ein Kopfproblem wäre, könnte ich wenigstens daran arbeiten. Aber ich muss mich damit abfinden, dass die vielen Verletzungen ihre Spuren hinterlassen haben.

SPOX: Umso erstaunlicher, dass Sie trotz all der Ausfälle zu einem der größten Stars Asiens aufgestiegen sind - und das Privileg genießen, zwei weit verbreitete Spitznamen zu haben.

Ono: Die da wären?

SPOX: "Tensai", das japanische Wort für Genie, und "Monster".

Ono: Stimmt, davon habe ich gelesen -  aber so wirklich verstehe ich die Spitznamen nicht. Ich bin ja wohl kein Monster, weder auf dem Platz noch in Interviews. Oder sehe ich etwa aus wie eine Bestie?

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SPOX: Nicht wirklich. Und was ist mit Tensai?

Ono: Das mit dem Tensai stört mich sogar ein bisschen, weil es so klingt, als ob mir mein Talent zugeflogen kommt. Die Mühen und die vielen Trainingsstunden seit der Kindheit werden nicht entsprechend gewürdigt.

SPOX: Ein anderer Fußball-Star beklagt, ähnlich missverstanden zu werden: David Beckham. Sie beide sind Offensivspieler, sie beide tragen die Nummer 23 und wohl nicht zufällig werden Sie als "Beckham Asiens" bezeichnet...

Ono: Das mit der Nummer ist reiner Zufall. Ich trage am liebsten die "8", aber als ich zu Bochum kam, trug sie der damalige Kapitän Thomas Zdebel, und die "23" war die einzig freie Nummer.

SPOX: Dennoch die Nachfrage: Stört Sie der Vergleich mit Beckham?

Ono: Die Journalisten und Fans können mich ruhig so nennen, damit habe ich keine Probleme. Das einzig Peinliche ist für mich nur, dass mich David Beckham wahrscheinlich gar nicht kennt und sich vielleicht wundert, wer dieser japanische Typ ist (lacht).

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