Diegos große Liebe

Von Andreas Lehner
Maradona über den Superclasico gegen River Plate: "Als würde man mit Julia Roberts schlafen!"
© Imago

Die Boca Juniors sind zusammen mit Milan der erfolgreichste Verein der Welt. Der Beste aller Zeiten spielte für die Argentinier und beendete dort auch seine Karriere - und dem großen Pele kam es vor, als würde die Erde des Stadions beben. Ein Porträt.

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Es heißt schon viel, wenn ein Brasilianer den Argentiniern seinen Respekt zollt. Geht es um Fußball und kommt das Lob aus dem Munde Peles, ist die Würdigung kaum zu überbieten.

"Ich habe in allen Stadien der Welt gespielt. Aber nur in diesem Stadion war mir, als würde die Erde beben", sagte die brasilianische Legende einmal über das Estadio Alberto J. Armando, besser bekannt als La Bombonera. Die Pralinenschachtel ist die Heimstätte des Club Atletico Boca Juniors.

Kultstätte für Fans

Für die Fans ist La Bombonera mehr als ein Stadion, es ist eine Heiligtum. Für gegnerische Teams ist sie eine fast unbezwingbare Festung, trotz des eher bescheidenen Fassungsvermögens von nur 57.395 Zuschauern. Durch die Nähe der Tribünen zum Spielfeld und die steil ansteigenden Ränge kommen in diesem Stadion der Enthusiasmus und der Fanatismus der Boca-Anhänger wie Donnerhall zum Tragen.

Dazu kommen die architektonischen Eigenheiten der Bombonera. Aus Platzgründen und Besitzansprüchen konnten nur drei Seiten mit gewöhnlichen Tribünen bestückt werden, an der vierten geht es senkrecht nach oben. Daran sind balkonähnliche Boxen übereinander geschachtelt angebracht.

Wenn die Fans ihre rhythmischen Sprünge aufführen, beginnt diese Seite des Stadions sogar leicht zu schwanken und man kann - wie schon Pele - das Gefühl haben, als würde die Erde beben.

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Erinnerung an Ursprünge

Der Lärm, den die Bombonera ausspuckt, ist im ganzen Stadtviertel La Boca zu hören. Seiner Verortung in diesem Teil von Buenos Aires verdankt der Klub auch seinen Namen. Der Zusatz Juniors resultiert aus der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Südamerika verbreiteten Mode, sich mit englischen Beinamen wie Juniors, Old Boys oder Racing zu schmücken, um an die Ursprünge des Fußballs in Großbritannien zu erinnern.

Die Boca Juniors wurden 1905 von fünf jungen Italienern aus Genua gegründet. Bis heute hält sich die Reminiszenz an die Gründer auf dem charakteristisch blau-gelben Trikot. Auf der Rückseite prangt der Schriftzug "Xeneize", da in der Mundart Liguriens Genua "Zeneize" heißt.

Entscheidungsspiel um Trikotfarben

Aber nicht immer waren die Vereinsfarben von Boca blau und gelb. Zu Beginn trugen die Spieler rosa, danach schwarz-weiß gestreift. Der Legende nach kam es 1906 zu einem Duell mit einer anderen Mannschaft mit den gleichen Trikots, um zu entscheiden, wer die schwarz-weißen Streifen behalten darf.

Boca verlor und entschied sich daraufhin die Farben zu wählen, die das erste Schiff trägt, das im Hafen von La Boca einläuft. Schließlich war ein schwedischer Frachter für die Gestaltung der Trikots verantwortlich.

Eine Bühne lebensgefährlicher Ekstase

Auf einer Europa-Tournee 1925 wurde dann der "Spieler Nummer 12" entdeckt. Es war ein Millionärssohn, der als einziger Fan über den Atlantik mitreisen durfte. Heute drängt sich das Publikum, der zwölfte Mann, tausendfach auf der Pesci-Tribüne der Bombonera, die nach der Boca-Legende Natalio Pesci benannt und eine Bühne lebensgefährlicher Ekstase ist.

Neben seinem Namen ist dem Stadtteil auch die soziokulturelle Verwurzelung und die daraus resultierende Rivalität zu River Plate geschuldet. Während La Boca ein ärmliches Arbeiter- und Emigrantenviertel ist, behergt die River-Fans der Stadtteil Nunez, das Viertel der Mittel- und Oberschicht.

Beethoven und Kolumbus: Boca-Fans?

Die Derbys beider Mannschaften gehören zu den brisantesten der Welt. Die seriöse englische Tageszeitung "The Observer" zählt die Superclasicos, wie Spiele von Boca gegen River Plate genannt werden, sogar zu jenen 50 Sportereignissen, die man vor seinem Tod gesehen haben sollte und stellt es über die Duelle Celtic gegen Rangers und Barca gegen Real.

"Die Fans von Boca benützen nicht ihren Verstand, sondern ihr Herz", sagt Schauspieler Carlos Andres Calvo. In einem Film über den Klub wurden in argentinischer Bescheidenheit auch Ludwig van Beethoven und Christoph Kolumbus zu Boca-Anhängern erklärt.

Maradona in der Ruhmeshalle

Bocas größte Berühmtheit ist und bleibt aber Diego Armando Maradona, auch wenn er insgesamt nur drei Jahre dort spielte.

Boca ist seine große Liebe, schon seit Kindheit an. 1981 kam er als himmlisches Talent, um im Jahr darauf zum FC Barcelona zu wechseln. 1995 kehrte er als gefallener Engel zurück. Später erwarb er eine Ehrenloge und zog in die vereinseigene Ruhmeshalle ein.

Dort findet sich auch eine ganze Ansammlung an Trophäen wieder. Zusammen mit dem AC Milan ist Boca mit 18 internationalen Titeln die erfolgreichste Mannschaft der Welt. Allein sechs Mal holten sie die Copa Libertadores, das Pendant zur Champions League - zuletzt 2007. Dazu kommen 23 nationale Meisterschaften in Apertura und Clausura.

Wo die Erde zu beben scheint

Heute sind Juan Roman Riquelme und Martin Palermo die Stars der Mannschaft. Auch sie versuchten ihr Glück in Europa, auch des Geldes wegen. Die Liebe zu Boca verloren sie aber nie.

Denn irgendwann kehren sie alle wieder in La Bombonera zurück. Dorthin, wo die Erde zu beben scheint.

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