Hecking: Es gibt kein Ultimatum

Von Interview: Stefan Moser
Seit dem 10. September 2006 ist Dieter Hecking Trainer von Hannover 96
© Getty

Exklusiv Neue Namen, neues Image, neue Ansprüche. Im Sommer ging Hannover 96 mit großen Zielen in die Saison. Nun stehen neun Niederlagen in zehn Auswärtsspielen zu Buche, nur noch drei Punkte trennen die Niedersachsen von den Abstiegsplätzen.

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Nach der neuerlichen Pleite in Gladbach am vergangenen Wochenende rückte vor allem Trainer Dieter Hecking, der bislang als Architekt des Aufschwungs galt, ins Zentrum der Kritik.

In einer Reihe von Interviews stärkte Klub-Chef Martin Kind dem 44-Jährigen zwar den Rücken, doch Hannovers Präsident erwartet am Samstag gegen Leverkusen (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER und bei Premiere) auch eine Reaktion seiner Angestellten.

Vor dem Spiel sprach SPOX mit Dieter Hecking über das vermeintliche Ultimatum, die Gründe für die Talfahrt, die Angst vor dem Scheitern und einen "Freundschaftsdienst" von Mirko Slomka.

SPOX: Herr Hecking, Präsident Martin Kind hat Ihnen im Laufe der Woche das Vertrauen ausgesprochen, allerdings jeweils mit dem Nachsatz: "Aber Mannschaft und Trainer müssen gegen Leverkusen das Vertrauen zurückzahlen." Dieses "aber" wurde bereits als "Ultimatum" interpretiert. Gibt es tatsächlich eine Frist?

Hecking: Nein, es gibt keine Fristen.

SPOX: Und wie können Sie das Vertrauen zurückzahlen: Woran will Ihr Präsident Sie und Ihre Mannschaft messen?

Hecking: Es gibt auch keine Messlatten. Die brauche ich nicht und auch nicht die Mannschaft. Wir haben doch alle einen eigenen Anspruch an unsere Leistung. Wir müssen noch konzentrierter spielen, dann bringen wir auch wieder die nötigen Ergebnisse. Das weiß ich, das weiß auch der Präsident.

SPOX: Aber das Programm der nächsten Wochen heißt: Leverkusen, Bayern, Dortmund, Hoffenheim, Berlin, Bremen, Hamburg. Gut möglich, dass Sie danach auf einem Abstiegsplatz stehen...

Hecking: Natürlich können wir gegen solche Teams verlieren, das wäre zumindest nach der aktuellen Tabellensituation völlig verständlich. Aber: Die Hinrunde hat auch bewiesen, dass wir gerade gegen diese Teams wie Bayern, HSV, Bremen, Dortmund erfolgreich spielen. Und daran werden wir anknüpfen.

SPOX: Also sind Sie sicher, dass Sie auch in vier Wochen noch Trainer von Hannover 96 sind?

Hecking: Sicher sein kann man sich als Trainer in dieser Branche nie, ich denke, es wäre naiv, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber der Präsident und ich haben langfristige Pläne und Ziele. Und die werden wir gemeinsam umsetzen bzw. erreichen. Da habe ich keine Zweifel.

SPOX: Dennoch werden bereits potentielle Nachfolger gehandelt - unter anderem Mirko Slomka. Der saß beim Heimspiel gegen Schalke auf der Tribüne und inszenierte den Besuch auch in den Medien. Nicht eben ein Freundschaftsdienst, oder?

Hecking: Das ist doch ein reines Medienspektakel, das weder auf meine Arbeit noch auf mein freundschaftliches Verhältnis zu Mirko Slomka irgendwelche Auswirkungen hat.

SPOX: Und welche Auswirkungen hatte die Trennung von Sportdirektor Christian Hochstätter im Winter - Sie standen immerhin als Duo symbolisch für den Aufschwung in Hannover...

Hecking: Christian Hochstätter und ich haben Hannover 96 gemeinsam über fast zwei Jahre vorangebracht. Er hat dann eine eigene Entscheidung getroffen, unabhängig von meiner Tätigkeit. Er fühlte offensichtlich fehlendes Vertrauen vom Präsidium was seinen Arbeitsbereich anging. Und er hatte primär andere Aufgaben zu erfüllen als ich.    

SPOX:  Also kein Vertrauensentzug für Ihre eigene Arbeit?

Hecking: Martin Kind und ich, aber auch Christian Hochstätter in seiner Zeit bei 96, stehen für eine neue Philosophie in Hannover. Da bleiben wir zusammen, auch in solch einer Zeit. Rückschläge in der Entwicklung hatten wir immer eingeplant, wenn auch gerade in dieser Saison so nicht erwartet. Schade, dass Christian nicht mehr dabei ist. Aber das war seine Entscheidung. Herr Kind wollte ihn auch halten.   

SPOX: Dann haben Sie keine Angst, dass Ihr Traum vom "Projekt Hannover" in die Brüche geht?

Hecking: Nein, das habe ich nicht: Wir glauben, dass unser Projekt Hannover, wie Sie es nennen, solche Rückschläge vertragen muss und kann. Wir werden alle gestärkt aus dieser Saison hervorgehen.

SPOX: Dafür müssen nun aber die Ergebnisse kommen. Vor allem die verheerende Auswärtsbilanz von nur einem einzigen Punkt muss sich ändern. Mit welchen Mitteln?

Hecking: Wenn es für dieses Problem ein Mittel gäbe, hätten wir es mit Sicherheit schon längst angewandt. So gilt leider: Uns fehlt auswärts ein selbstbewusstes Auftreten - das können wir uns in erster Linie nur durch Siege oder mindestens Punkte holen. Das ist uns bisher nicht gelungen. Allerdings sollte jede Seuche auch irgendwann wieder vorbei sein. Das gibt mir Hoffnung.

SPOX: Sie konnten in der Hinrunde auch ein Zwischenfazit ziehen. Woran liegt es, dass die Saison so anders verlaufen ist als geplant?

Hecking: Auch wenn ich mich in den Augen mancher Kritiker wiederhole: Es gibt Gründe, die man schnell erkennt, wenn man sich einer Analyse stellt. Wir haben einen starken Kader, aus dem ich wegen dauernd neuer verletzter Spieler bisher noch keine eingespielte Mannschaft formen konnte. Solch eine Verletztenliste, wie wir sie hatten und eigentlich immer noch haben, war nicht vorhersehbar. Dass das Auf- und Ab, das sich daraus ergeben hat, keine richtige Sicherheit schafft, ist aus meiner Sicht verständlich. Das gilt für Team und Trainer.    

SPOX: Haben Sie persönlich Fehler gemacht? Oder haben Sie in der Vorbereitung auf die Rückrunde wesentliche Dinge bereits verändert?

Hecking: Zur Rückrunde habe ich jetzt versucht, einer Stamm-Formation auch nach schwächeren Auftritten das Vertrauen zu geben, um so mehr Sicherheit bei den Spielern zu erzeugen. Leider zahlt sich das bisher noch nicht durch Erfolge aus. Aber ich bereue keine meiner Entscheidungen aus der Hinrunde. Genau wie in den vorherigen Spielzeiten haben wir täglich konzentriert gearbeitet und die Mannschaft optimal für die jeweiligen Aufgaben vorbereitet.  

SPOX: Eine These: Mit den Neuzugängen hat sich das Selbstverständnis im Verein geändert, was zunächst dazu führte, dass sich die Mannschaft nur auf die spielerische Qualität verlassen hat; und inzwischen erhöht sich unter den neuen Ansprüchen der Druck und die Spieler verkrampfen noch mehr...

Hecking: Beide Thesen sind sicher zum Teil nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber wir haben schon erkannt, dass wir jetzt alle Kraft darauf verwenden müssen, schnell den Klassenerhalt zu sichern. Alles andere zählt nicht mehr. Das schaffen wir und darüber entwickeln wir dann auch neues Selbstbewusstsein.  

SPOX: Festzuhalten bleibt, dass die Neuzugänge bislang nicht wie erhofft funktioniert haben. Woran liegt es im Einzelnen?

Hecking: Ich denke schon, dass es einfacher ist, neue Spieler in eine Mannschaft zu integrieren, die auch die nötigen Erfolge hat. Die sind aber aus den schon genannten und bekannten Gründen in der Konstanz letztlich ausgeblieben. Die Neuzugänge haben aber immer wieder auch schon gezeigt, welche Klasse sie haben und wozu sie in der Lage sind.      

SPOX: Aber hätten Sie nicht auch erwartet, dass die Neuen mehr Verantwortung übernehmen? Als Sie im Winter den Mannschaftsrat wieder neu installiert haben, waren nur "alte" Spieler im Gremium...

Hecking: Es ist schwer, für einen neuen Spieler, gleich Verantwortung zu übernehmen.Da sind meine Erwartungen keineswegs enttäuscht. So etwas entwickelt sich langsam. Und mit Robert Enke, Michael Tarnat, Altin Lala kommen jetzt die erfahrenen Spieler auch aktiv auf den Platz zurück.

Das hat schon seine Wirkung gezeigt. An ihrer Seite werden sich jetzt neue Führungsspieler entwickeln. Im Übrigen sind auch schon neue Spieler an den Mannschaftsrat herangerückt.

Dieter Hecking im Steckbrief