Klinsmanns Chef-Spion

Von Interview: Thomas Gaber
Michael Henke (51) arbeitete in Dortmund und München als Co-Trainer unter Ottmar Hitzfeld
© Getty

Wenn am Freitagabend das Highlight des 16. Spieltags der Bundesliga zwischen dem FC Bayern München und 1899 Hoffenheim angepfiffen wird (ab 20.15 Uhr im LIVE-TICKER und bei Premiere), kann Michael Henke nicht mehr viel tun.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Zwar sitzt der Chef-Analytiker der Bayern unter dem Dach der Arena und übermittelt den Co-Trainern über Funk seine Live-Beobachtungen, seine Hauptaufgabe hat Henke dann aber bereits erledigt.


Seit letzten Samstag beschäftigt sich Henke ausschließlich mit Hoffenheim, analysiert Laufwege des Dreigestirns Demba Ba, Chinedu Obasi, Vedad Ibisevic, Spieleröffnung, Passspiel, Ecken, Freistöße, Zweikampfverhalten.

Die Bayern haben noch nie gegen Hoffenheim gespielt, Lucio noch nie gegen Ibisevic, Mark van Bommel noch nie Carlos Eduardo, Bastian Schweinsteiger noch nie gegen Andreas Ibertsberger. Umso mehr hängt der Erfolg von Henkes Arbeit ab. Er ist im Vorfeld des Topspiels der wichtigste Mann von Trainer Jürgen Klinsmann.

Bei SPOX erklärt der langjährige Co-Trainer von Ottmar Hitzfeld seine Methoden.    

SPOX: Herr Henke, wie kamen Sie zu Ihrer neuen Aufgabe beim FC Bayern?

Michael Henke: Mein Kapitel beim FC Bayern war Ende Juni 2008 eigentlich beendet. Dann rief mich Jürgen Klinsmann an und bot mir den Job des Chef-Analytikers an. Dieses Angebot kam für mich sehr überraschend, zumal ich bereits mit anderen Vereinen in Kontakt stand, um eine andere Funktion zu übernehmen.

SPOX: Waren Sie für diese Idee gleich Feuer und Flamme?

Henke: Ich musste nicht lange überlegen. Der Reiz war von der ersten Sekunde da. Ich habe mir in meiner Zeit als Co-Trainer beim FC Bayern schon Einblick in die Materie verschafft. Die technische Dimension dieser Aufgabe auszuloten, war besonders reizvoll.

Jetzt bei mySPOX anmelden und auf den Sieger des Spitzenspiels wetten!

SPOX: Wer unterstützt Sie dabei?

Henke: Ich habe einen Assistenten, der zuvor beim Fernsehen gearbeitet hat. Michael Niemeyer kümmert sich um den gesamten technischen Bereich.

SPOX: Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Henke: Am Wochenende bin ich meistens unterwegs. Letzten Samstag habe ich Hoffenheim beobachtet und am Sonntag Stuttgart, unsere nächsten beiden Gegner. Am Anfang der Woche schreibe ich Berichte über meine Beobachtungen und sehe mir mit meinem Assistenten Videosequenzen an. Ecken, Freistößen, Spielaufbau, Spielzüge. Sämtliche Kategorien.  

SPOX: Wie oft stehen Sie mit Jürgen Klinsmann in Kontakt? Wer kommt auf wen zu?

Henke: Das läuft sehr unkompliziert ab. Mal ruft mich Jürgen Klinsmann an und verlangt nach einer bestimmten Videosequenz. Ein anderes Mal kommen Martin Vasquez oder Nick Theslof in mein Büro. Wir haben einen kurzen Draht und tauschen uns permanent aus.

SPOX: Werden Sie auch von Spielern kontaktiert? Hat sich beispielsweise Philipp Lahm erkundigt, wie er gegen Demba Ba spielen muss?

Henke: Nein, das wollen wir aber auch nicht. Wir haben eine klare, sinnvolle Aufgabenteilung. Ich versorge die Trainer mit Informationen und beliefere sie mit Material über Stärken und Schwächen des nächsten Gegners. Ich bin Dienstleister der Trainer. Wie die Trainer meine Informationen an die Mannschaft weitergeben, ist deren Sache.

SPOX: Analysieren sie auch Spiele des FC Bayern?

Henke: Wir arbeiten nach einem Drei-Säulen-Modell. Gegnerbeobachtung, Spielanalyse der eigenen Mannschaft und Trainingsbeobachtung. Trainingseinheiten werden gefilmt und auffällige Szenen zusammengeschnitten.  

SPOX: Wie viel Zeit nimmt eine Analyse des nächsten Gegners in Anspruch?

Henke: Das ist ein fortlaufender Prozess. Ich richte mich nach den Wünschen der Trainer. Wenn Jürgen Klinsmann einen Zusammenschnitt des letzten Spiels der Hoffenheimer möchte, setzten wir uns umgehend hin und fertigen eine DVD an.

SPOX: Welcher Hilfsmittel bedienen Sie sich dabei?

Henke: Wir sind dabei, eine eigene Datenbank aufzubauen, die es in diesem Umfang bei Bayern München noch nicht gab. Wir bedienen uns verschiedener Schnittsysteme und entsprechend frei zugänglicher Software. Wir befinden uns aber noch in der Entwicklungsphase.

SPOX: Kam die Videoanalyse in der Halbzeit eines Spiels schon mal zum Einsatz?

Henke: Bislang nur zu Testzwecken. Wir haben in der Allianz Arena ein Schnittstudio und können in der Pause Videosequenzen in die Kabine senden. Bei Tests hat das System einwandfrei funktioniert.

SPOX: Hätten Sie die Möglichkeiten als langjähriger Co-Trainer beim FC Bayern auch gehabt?

Henke: Videoanalysen gibt es natürlich schön länger. Die technischen Möglichkeiten haben sich aber in den letzten vier, fünf Jahren stark weiterentwickelt. Jürgen Klinsmann ist sehr innovativ und strebt ständig nach sinnvollen Neuerungen. Auch im technischen Bereich. Davon profitieren wir.

SPOX: Sind Sie auch für Spieler-Akquise zuständig?

Henke: Nein. Das ist die Aufgabe von Wolfgang Dremmler und seinem Team. Sie sind auf der Suche nach den neuen Messis und Riberys. Wir kümmern uns ausschließlich um die Analyse der Gegner.

SPOX: Der Trend in der Bundesliga geht zum Offensivfußball. In dieser Saison fallen so viele Tore wie lange nicht. Woher kommt dieser Trend?

Henke: Das liegt in erster Linie am Spielermaterial. Leverkusen hat im Angriff Stefan Kießling und Patrick Helmes. Wenn man Stürmer von dieser Qualität hat, muss man sie auch entsprechend in Szene setzen. Das gleiche gilt für Hoffenheim. Mittlerweile haben viele Bundesligisten eine gute Offensive und die Trainer bedienen sich dieser Qualität.

Ergebnisse, Tabelle, Torjäger: Alles zur Bundesliga