Schlag mich!

Von Stefan Moser
frankfurt, schalke, kuranyi
© Imago

München - Totale Dominanz war gestern. Heute fühlt sich der FC Schalke 04 am wohlsten, wenn er so richtig gequält wird. Wenn die Mannschaft am Boden liegt, unterworfen, geschlagen und getreten - dann blüht Königsblau so richtig auf.

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Was Schalke dagegen nicht kann, ist einen Gegner beherrschen und das Spiel selbst gestalten. Davon konnte sich Mirko Slomka beim 2:2 seiner Mannschaft in Frankfurt erneut überzeugen.

"Das war heute alles andere als prickelnd. Wir reisen mit einem sehr glücklichen Punkt zurück nach Gelsenkirchen", sagte der Trainer, nachdem zweimal Heiko Westermann eine Führung der Eintracht ausgleichen konnte. Der schmeichelhafte 2:2-Endstand gelang dem Außenverteidiger erst in der 90. Minute.

Vorher rieben sich die Schalker über fast die komplette Spielzeit in mehr oder weniger nickeligen Zweikämpfen auf, im Spiel nach vorne aber fehlte es durchwegs an klaren Aktionen, an Druck, an Laufbereitschaft, an Torgefahr und ganz entschieden auch am Konzept.

Mosaik mit Lücken

Einmal mehr wirkte die Schalker Offensive stattdessen wie ein ziemlich wahllos hingeworfenes und völlig zerklüftetes Mosaik aus Befreiungsschlägen, Zufallsprodukten, unnötigen Zweikämpfen und höchstens noch ein paar gefährlichen Standards. Für ein harmonisches Bild fehlt es den Angriffsbemühungen jedoch merklich an Struktur.

In der eigenen Hälfte immerhin verschiebt das Mittelfeld noch einigermaßen kompakt. Jenseits der Mittellinie aber stehen die Schalker Spieler derart weit auseinander, dass praktisch jedes Zuspiel in die Spitze von Vorneherein zum Himmelfahrtskommando wird: Langer Ball auf Kevin Kuranyi, beste Grüße und viel Glück.

Für klare Linien im Spielaufbau aber rückt das Mittelfeld zu spät nach. Die jungen Ivan Rakitic und Mesut Özil - die Außenbahnen in Slomkas 4-4-2-Formation - konnten sich gegen bissige Frankfurter nie entscheidend durchsetzen.

Jones als Opferlamm

Und in der Zentrale gefiel sich vor allem Jermaine Jones in der Rolle des Opfers. Der 26-Jährige wechselte im Sommer im Unfrieden von der Eintracht nach Gelsenkirchen und wurde bei seiner Rückkehr nach Frankfurt schon vor dem Spiel mit einem gehässigen Pfeifkonzert empfangen.

Nach nur acht Minuten holte Jones dann  seinen Ex-Kollegen Christoph Spycher ziemlich rüde von den Beinen, was seine Beliebtheit im Stadion nicht steigerte. Fortan tobten und pfiffen die Zuschauer jedes Mal, wenn der Ball auch nur in seine Nähe kam. Jones stellte daraufhin das Fußballspielen ein.

Anstatt die Bälle schnell weiterzuspielen, wartete er bei jedem Kontakt nur darauf, dass irgendein Frankfurter ihm endlich einen Tritt verpasste. In der Regel ließ sich für diesen Job ziemlich schnell auch jemand finden - und das Publikum grölte.

Masochismus als Methode

Nach und nach folgten dann auch die restlichen Schalker Jones' Beispiel. Auf diese Weise verging die komplette erste Halbzeit mit Treten, Zerren und Schubsen - zur Pause stand es 0:0.

Viel bedenklicher als das ziemlich unansehnliche Gestocher ist aus Schalker Sicht aber die Tatsache, dass dieser Masochismus innerhalb der ganzen Mannschaft schon Methode hat.

Denn wie gegen Frankfurt, als die Slomka-Elf erst nach dem 0:1 durch Faton Toski aus der Lethargie erwachte, braucht Schalke offenbar immer erst einen ordentlichen Tritt in den Allerwertesten, ehe man mit Leidenschaft dagegen hält.

Es wirkt fast so, als kämen die Knappen erst dann wirklich auf Touren, wenn sich das gesamte Stadion gegen sie stellt und die Mannschaft auch noch im Rückstand liegt. Oder aber, wenn sie - wie gegen Chelsea - von Vorneherein als vermeintlich chancenloser Underdog ins Spiel geht.

Lieber Opfer als Täter

Gegen schwächer eingeschätzte Gegner aber tut sich Königsblau regelmäßig schwer: 0:0 gegen zehn formschwache Mann in Valencia, 0:1 in Cottbus, 0:2 gegen Karlsruhe. Ganz offensichtlich ist Schalke lieber Opfer als Täter. (Mal abgesehen von Carlos Grossmüller, der während der Rudelbildung in Frankfurt fünf Minuten vor Schluss in die Täterrolle schlüpfte, von der Ersatzbank aufs Feld sprang, Michael Thurk an den Hals ging und dafür glatt Rot sah.)

Das gilt bedauerlicherweise nicht zuletzt auch für die Stürmer: Keine andere Mannschaft lässt so viele hochkarätige Torchancen aus.

Am Dienstag nun kommt Rosenborg Trondheim zum Endspiel der Champions-League-Gruppenphase in die Arena auf Schalke. Die Norweger haben seit Wochen schon Winterpause in der Liga, präsentierten sich zuletzt in entsprechend schwacher Form und sind auf dem Papier ohnehin schwächer einzuschätzen. Zum Weiterkommen reicht ihnen ein Unentschieden.

Perfekte Voraussetzungen mithin für Rosenborg. Solange sie nicht früh in Führung gehen oder einem Gegenspieler alle Knochen brechen, sind die Norweger automatisch in der Opferrolle. Die Schalker dagegen müssen gewinnen. Und beweisen, dass sie das Zeug zum Täter haben.

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