Geeignet für die Macken der Braut

Von Thomas Gaber
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© Getty

München - Sie strahlten um die Wette, als hätte einer von Ihnen gerade einen Spitzenwitz gerissen. Dabei war der Anlass der Zusammenkunft nicht gerade als Schenkelklopfer gedacht. HSV-Trainer Huub Stevens verkündete am Montag seinen Abschied zum Saisonende, aus Liebe und Respekt zu seiner kranken Ehefrau.

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Doch Stevens, Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer und Vorstandsboss Bernd Hoffmann ließen sich ihre gute Laune nicht nehmen. Hoffmann offenbarte gar lyrische Qualitäten. "Wir stehen auf Rang drei und sind somit eine hübschere Braut, als wenn wir auf Platz 17 stehen würden." 

Zu einer hübschen Braut gehört aber ein geeigneter Bräutigam. Hübsch muss er nicht sein, eher verständnisvoll für die Macken der Braut. Ein Typ wie Stevens, der nach bester Klinsmann-Manier jeden Stein beim HSV umgedreht und aus einer als Sauhaufen verschrienen Mannschaft ein titelreifes Ensemble gebildet hat.

Kein Schnellschuss 

Für den HSV spricht auf der Suche nach einem geeigneten Stevens-Nachfolger etwas in diesem Geschäft außergewöhnliches: Zeit. Der neue Trainer darf kein Schnellschuss sein, sondern ein wohl überlegter Schachzug. Diesen Ansprüchen müssen sich Beiersdorfer und Hoffmann stellen.

Eine Verpflichtung von Thomas von Heesen erscheint zu offensichtlich. Der HSV ist von Heesens große Liebe, 368 Mal lief der 46-Jährige mit der Raute auf der Brust in der Bundesliga auf. Von Heesen wohnt in Alsternähe und als Thomas Doll beim HSV ins Schleudern geriet, war sein Name im Umfeld des HSV allgegenwärtig.

Anfang Februar warf von Heesen die Brocken bei Arminia Bielefeld hin, lehnte später Angebote vom VfL Wolfsburg und Borussia Dortmund ab, erteilte dem HSV aber aufgrund freundschaftlicher Verbundenheit zu Doll ebenfalls eine Absage.

Fragezeichen hinter Klopp  

Gegen die Variante "Hamburger Jung" spricht der freie Fall des HSV unter Doll. Dolls kumpelhafte Strategie und seine nach oben offene Beliebtheitsskala bei den Fans kosteten den HSV jede Menge Punkte. Hoffmann und Beiersdorfer zogen im letzten Moment die Reißleine.

Somit dürfte wohl auch "Give-me-Five"-Kandidat Jürgen Klopp nicht in Frage kommen. Klopps Vertrag in Mainz läuft am Saisonende aus, 05-Manager Christian Heidel würde aber lieber heute als morgen Klopps Unterschrift unter einem neuen Arbeitspapier trocken pusten.

Wahrscheinlicher ist der Aufstieg von Stevens' Assistent Markus Schupp zum Chef. Als sich Stevens' Ehefrau im März einer Not-Operation unterziehen musste, weilte der Niederländer wochenlang an ihrer Seite. Schupp übernahm die Mannschaft und saß bei einigen Spielen als verantwortlicher Coach auf der Bank.

Der HSV wird Stevens bei der Nachfolger-Fahndung um Rat fragen, alles andere wäre töricht. Und da dürfte der Name Schupp, dem Stevens blind vertraut, eine Rolle spielen.

Stevens' Landsleute

Plausibel klingt die Verpflichtung eines weiteren Niederländers. Mit Rafael van der Vaart, Joris Mathijsen, Nigel de Jong und Romeo Castelen stehen vier Niederländer im Kader des HSV. Stevens hat de Jong mannschaftsdienliche Disziplin eingeprügelt und van der Vaart nach dem gescheiterten Wechsel zum FC Valencia an seine Pflichten in Hamburg erinnert.  Mathijsen spielt unter Stevens deutlich stabiler als unter Doll.

Ein Kandidat wäre Co Adriaanse, nach gescheitertem Engagement beim FC Porto derzeit bei Metalurg Donezk in der Ukraine tätig. Adriaanse genießt durch seine erfolgreiche Arbeit bei AZ Alkmaar (UEFA-Cup-Halbfinale 2005) europaweit einen guten Ruf.

Alkmaars aktueller Trainer Louis van Gaal gilt wie Stevens als Disziplin-Fanatiker und führte Adriaanses Erfolge in Alkmaar mit Platz zwei (Saison 2005/06) und drei (2006/07) fort. Für van Gaal spricht die internationale Erfahrung aus vier Jahren FC Barcelona und zwei Jahren als Bondscoach der Niederlande.

Hiddink kein Kandidat 

Guus Hiddink dürfte dagegen nicht zu bekommen sein. Seine Verweildauer als russischer Nationaltrainer steht trotz der vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2010 in Anbetracht des wahrscheinlichen Scheiterns der Sbornaja in der EM-Qualifikation in Frage. Doch im Sommer 2008 wird nicht nur beim HSV der Trainerposten frei. Chelsea-Boss Roman Abramowitsch schätzt Hiddink sehr und zog bereits bei Hiddinks Russland-Deal die Fäden.

Vielleicht fährt der HSV aber auch die unberechenbare Strategie, eine in letzter Zeit sehr beliebte, wenn es um die Neubesetzung von Trainerämtern ging. Der VfB Stuttgart holte Armin Veh, Schalke inthronisierte Mirko Slomka, Cottbus setzte Bojan Prasnikar auf die Bank, der FC Augsburg verzichtete auf Klaus Augenthaler und gab Ralf Loose eine Chance.

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