Die helfende Hand in Kreisliga C?

Die Kreisligen bilden den Unterbau des DFB und haben oft eigene Regeln und Gegebenheiten
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Hilfe ist schwer zu finden im Amateurbereich als Trainer. Betreuer und Assistenten sind selten. Ein Start-Up aus Deutschland will gemeinsam mit Jürgen Klopp die helfende Hand sein - eine Rezension.

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Ich habe mich immer für einen guten Trainer gehalten. Da wäre diese sensationelle Rückrunde nach Übernahme kurz vor der Winterpause mit nur einer Niederlage. Oder der Titelkampf in der vergangenen Saison, der leider am letzten Spieltag denkbar knapp scheiterte.

Seit einigen Wochen zweifele ich an meinem Können. Drei Siege, neun Punkte aus zwölf Spielen. Drittletzter. Unfassbare 43 Gegentore, dafür genauso viele Tore wie der Zweite. Immerhin. Hilft uns aber nichts, wenn jedes Spiel 4:5 ausgeht. Woran liegt's? Schwierig, gibt es doch in den unteren Klassen kaum Feedback.

Die Spieler sind unzufrieden mit den Ergebnissen, mit dem Training aber zufrieden. "Wir spielen viel, Coach", sagte einer mal. Das reicht ihm. Mir reicht es nicht, ich will gewinnen. Als Amateurtrainer kann man Hilfe gebrauchen, immer und überall. Die wird meist in Form von Büchern angeboten, in Form von Übungen und Spielformen.

Trainer aus Köln und Dortmund

Taktikr.com geht da mit seiner Trainerberatungsplattform, die man via Desktop oder mobil nutzen kann, einen anderen Weg. Natürlich findet man hier einen Übungspool, doch das Herausstellungsmerkmal des Tools ist die Funktion, Fragen zu stellen. Ein Start-Up-Unternehmen namens Bolzfabrik hat die Marktlücke entdeckt und niemand Geringeren als Jürgen Klopp als Unterstützer gewonnen.

Auch er erkennt an: "Manchmal bist du einfach überfragt, wie du ein bestimmtes Problem mit deiner Mannschaft lösen sollst." Während Klopp seine Assistenten hat, stehe ich alleine auf dem Platz. Kein Co-Trainer, keine Video-Analysten. Taktikr bietet Hilfe an durch "erfahrene, lizenzierte Trainer".

Ich bin also gespannt und freue mich auf die "individuellen Antworten und Lösungen" durch die Experten vom 1. FC Köln und Borussia Dortmund. Ein erster Blick auf die Seite bereitet nach dem Login Freude. Aufgeräumt und schlicht. Es finden sich zahlreiche Übungen zu verschiedenen Themenkomplexen.

Übungsdatenbank ist altbekannt

Eins gegen Eins, Ballhalten, Forechecking - das Muster des DFB ist eindeutig erkennbar. Eine Zeichnung, kurze Erklärungen zu Aufbau und Ablauf. Die Coachingpunkte werden genannt und erklärt, sind aber nur wenig ausführlich. Es gibt verschiedene Variationen sowie Empfehlungen zu Dauer und Spieleranzahl.

Ein guter Ideenpool, allerdings nichts Neues. Im Internet finden sich zahlreiche Datenbanken voller Übungen, wenngleich nicht in dieser einheitlichen Gestaltung und auch nicht immer in dieser Qualität. Auch die für Premium-User mit Kommentar ausgestatteten Videos sind da keine große Neuigkeit.

Fragen führt zur Spielform

Der Wissenspool grätscht hinein. Hier werden häufige Fragen beantwortet. "Sollte nach vorne oder hinten geworfen werden?" etwa, oder: "Wann macht eine Spielverlagerung Sinn?" Es muss dabei nicht immer um Taktik gehen. Technik, Taktik, Kondition und Psyche sind die vier Punkte, nach denen sortiert werden kann.

Die Antworten fallen unterschiedlich aus. Mal eine klare Antwort, mal ein Entweder-Oder-Szenario. Hier und da wird auch eine Übung präsentiert, die das Thema behandelt. "Wie kann man seine Mannschaft zum Angriffspressing heran führen?", bringt eine Spielform im sechs gegen vier in zwei Zonen hervor. Dazu gibt es Hinweise für das Abschlussspiel.

Besonders viel Wissen versuchen ausgewählte Texte zu vermitteln. Verschiedene Grundordnungen werden erklärt, Stärken und Schwächen angeführt. Für mein favorisiertes 4-3-3 gilt beispielsweise: "In der Offensive wird die Kompaktheit im Zentrum aufgegeben, um den Flügel doppelt zu besetzen."

Ist Taktik subjektiv oder objektiv?

Und gerade hier kommt mein größter Kritikpunkt zum Tragen: Ist Taktik subjektiv oder objektiv? Datenbanken und Sätze wie diese vermitteln eine Objektivität. Gibt es im Fußball wirklich eine richtige Lösung? Ich meine nicht, denn das Zentrum in meinem 4-3-3 bleibt stets besetzt, um direkt ins Gegenpressing gehen zu können.

Ein weiteres Beispiel? Die Basisaufgaben jedes Spielers werden definiert. Der defensive Mittelfeldspieler soll mit Ball den "Doppelpass mit ST suchen und zum Abschluss bringen". In meiner Definition lässt sich der DM im Vorwärtsgang in eine Dreierkette zurückfallen, um die Außenverteidiger höher einsetzen zu können.

Doch gerade deshalb ist Taktikr so interessant, geht es doch über den schlichten, unpersönlichen Text hinaus. Ich kann Fragen stellen. Bleibt nur die Frage, welche eigentlich. Zwei Punkte suche ich mir heraus, die mich in den letzten Spielen beschäftigt haben und die ich im allgemeinen Fragenpool nicht finden kann.

Der Selbstversuch

1. Meine Spieler bauen ungern durch die Mitte auf. In unserer derzeitigen Situation besteht Angst vor Fehlern, weshalb der Ball oft vom Außenverteidiger nach vorne geschlagen wird, obwohl einer unserer Sechser abgekippt ist und wir eine Überzahl ausspielen könnten. Wie kann ich ihnen das abgewöhnen?

2. Meine Mannschaft kann - trotz verheerender Gegentorbilanz - lange Phasen im Spiel haben, in denen der Gegner nicht einmal vor das Tor kommt. Dann kassieren wir den Gegentreffer und direkt im Anschluss setzt es den zweiten. Wie kann ich positiv auf das Team nach einem Gegentor einwirken?

Die Antwort kommt wenige Stunden später. "Hier geht es sicher um Mentalität, Einstellung und damit verbunden um Erfolgserlebnisse. Um besser auf diese Situationen eingehen zu können, kannst du's im Training simulieren. Jedes Trainingsspiel startet mit einem 2:0 für den Gegner- auch hier gehst du aktiv auf die Situation im Training ein und erklärst dein Vorgehen", heißt es zu Frage zwei.

Die erste wird mit zwei Dingen beantwortet. Einmal einer Spielform, die den Aufbau durch die Mitte erfordert und fördert und zugleich mit einem Taktiktipp: "Um Überzahl im Zentrum herzustellen, kannst du den 6er kommen lassen, zeitgleich deine beiden Außenverteidiger von der Breite ins Zentrum, sprich in die Halbräume positionieren. So baust du mit 3 Spielern auf und hast in der nächsten Ebene 3 Spieler fürs Aufbauspiel."

Coaching letztlich unersetzbar

Neben der Funktion im Browser bietet Taktikr auch die Möglichkeit per App oder WhatsApp, je nach abonniertem Paket, Hilfe zu erhalten. So oder so liefert das Tool eine gute Idee, die eine Marktlücke füllt. Inwiefern einem als Amateurtrainer eine derartige Hilfe zwischen fünf und zehn Euro monatlich wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Neben der bereits angesprochenen Problematik zwischen Subjektivität und Objektivität, ist dann eben doch vor allem eines entscheidend: Das Coaching auf dem Platz. Da helfen die besten Übungen und Ratschläge nichts, wenn der Trainer in keiner Einheit Korrekturen anbringt oder Ursachen einfach nicht erkennt.

Somit nimmt Taktikr durchaus Arbeit ab, das steht außer Frage, ist aber bei weitem keine Komplettlösung. Keine Fußballmannschaft ist wie die andere, womit das Prinzip der Seite eine Marktlücke treffen würde. Dennoch kann die Behandlung aus der Ferne nur bedingt behilflich sein.

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