Alles im Fluss mit Cruyff und Voetbal total

Von SPOX/Andreas Renner
Johan Cruyff im WM-Vorrundenspiel 1974 gegen Uruguay, das die Niederlande mit 2:0 gewannen
© Imago
Cookie-Einstellungen
Zu einem erfolgreichen Pressing gehört eine Abseitsfalle. Das Konzept beruht darauf, dass man versucht, die Räume für die Gegner eng zu machen und deshalb den Platz auf dem Feld reduziert.

Sicher gibt es die Möglichkeit, eine weit aufgerückte Abwehr zu überlupfen oder mit einem Pass in die Tiefe zu überwinden. Aber das funktioniert nur, wenn der ballführende Spieler Zeit hat. Und genau die wird ihm durch das frühe Attackieren im Pressing genommen. Eine aggressiv aufrückende Abwehr und Pressing, das sind zwei taktische Mittel, die unbedingt zusammen gehören.

Bei gegnerischem Ballbesitz versuchten die Holländer also, das Spielfeld so klein wie möglich zu machen, bei eigenem Ballbesitz dagegen rückte man möglichst weit auseinander, um sich selbst Raum zu geben. Dieses "Ziehharmonikaprinzip" benutzt heute jedes Profiteam.

Offensive als Defensive

Und noch ein anderes taktisches Prinzip patentierten die Holländer damals: Die Offensive als beste Defensive. Frei nach dem Motto: 'Wenn wir den Ball haben, schießen die anderen keine Tore', setzte Ajax auf Ballstafetten im Mittelfeld, am besten in der gegnerischen Hälfte. Wie das spanische Nationalteam bei der letzten EM.

Als Ajax 1973 im Finale des Europapokals der Landesmeister gegen Juventus Turin nach vier Minuten in Führung gegangen war, entnervte man die Italiener anschließend, in dem man den Ball schlicht in den eigenen Reihen hielt und das Ergebnis so über die Zeit brachte. (siehe Grafik)

1966 konnte Europa die neue Spielstärke der Holländer nicht länger ignorieren. In der zweiten Europacuprunde fertigte Ajax den FC Liverpool daheim mit 5:1 ab. Im Rückspiel in Anfield gab es ein 2:2 und die Engländer waren draußen. Johan Cruyff hatte insgesamt drei Tore erzielt.

Der Dirigent

Trotz seiner jungen Jahre war Cruyff der wichtigste Mann auf dem Platz. Denn der Ajax-Fußball war nicht leicht zu spielen. Schließlich mussten die Spieler immer einhundertprozentig aufmerksam sein und nicht nur auf einen Gegenspieler, sondern auf das komplette Spielgeschehen reagieren. Und Cruyff wusste, wie es funktionierte. Permanent dirigierte er die Mitspieler und zeigte ihnen die korrekten Laufwege an.

Dass er sich damit nicht nur Freunde machte, ist kaum verwunderlich. Er selbst hat es einmal (im unverwechselbaren Cruyff-Stil, wie üblich in der zweiten Person) so gesagt: "Das Schlimmste ist, dass Du es immer besser wusstest. Es bedeutete, dass Du immer geredet, immer korrigiert hast."

Und von Michels wurde genau das gefördert und gefordert. Er sagte zu Cruyff: "Wenn ein Mitspieler einen Fehler macht, dann hättest Du ihn verhindern müssen."

Mit Cruyff geht der Erfolg

Und so war Ajax' bester Spieler so etwas wie ein Trainer auf dem Platz. Frank Rijkard, der selbst noch mit Cruyff zusammen gespielt hat, verglich ihn mit dem argentinischen Superstar Diego Maradona und kam zum Ergebnis, dass Maradona ein Spiel im Alleingang gewinnen konnte.

Doch er hatte, sagt Rijkaard, nicht Cruyffs Fähigkeit, die Taktik seiner Mannschaft so zu verändern, dass sein Team das Spiel gewann. Ajax funktionierte auch noch ohne Rinus Michels, der von dem Rumänen Stefan Kovacs abgelöst wurde. Mit ihm holte Amsterdam zwei Meisterschaften, einen Pokalsieg und zwei Europapokale in zwei Jahren.

Doch als Cruyff von seinen Mitspielern, die vermutlich die ständigen Belehrungen leid waren, als Mannschaftskapitän abgewählt wurde, war er dermaßen empört, dass er seine Zelte in der Heimat sofort abbrach und zum FC Barcelona wechselte. Und die erste große Zeit von Ajax war schlagartig vorbei.

Voetbal total - noch immer top aktuell