"Man hört, da gibt's so viele Boxenluder..."

Von Red Bulletin
Weltmeister Sebastian Vettel trifft Formel-1-Legende Niki Lauda
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Red Bulletin: Gibt es noch Freundschaften, wie es seinerzeit angeblich der Fall war?

Vettel: Wir sind eine Gruppe von rund 25 Fahrern. Es ist wie eine Schulklasse. Es gibt welche, mit denen man sich von Haus aus gut versteht, die einem sympathisch sind. Dann gibt es welche, die einem gar nicht in den Kram passen, mit denen man dann eben weniger zu tun hat. Aber dass man sich jetzt abseits der Rennstrecke privat trifft, etwas unternimmt, vielleicht zusammen in den Urlaub fährt, wie es damals hie und da der Fall war, das gibt es heute nicht mehr. Man hat einfach keine Zeit dafür, hat schon zu wenig Zeit für sich selber. Man ist in seinem Team auf sich konzentriert und kriegt gar nicht viel anderes mit.

Red Bulletin: Niki, hattest du noch einen echten Freund in der Formel 1?

Lauda: Was ist ein Freund? Das muss man definieren. Es wird immer kritisiert, dass ich keine Freunde habe. Warum? Weil man eine Schutzmauer um sich herum aufbaut, weil man ununterbrochen in der Öffentlichkeit so quasi Semifreunde hat. Jeder will dein Freund sein. Dann ist man schon mal misstrauisch. Um das gleich einmal abzuschirmen, sage ich: "Ich habe keine Freunde", damit das sogenannte Freund-Spielen aufhört. Der Typ, der mir in meiner aktiven Zeit am nächsten war, war James Hunt. Er war richtig cool, mit dem konnte man es lustig haben und auch gern mal ein Bier trinken. Das muss ja nicht gleich in einen gemeinsamen Urlaub ausarten ...

Red Bulletin: ...wie wir es aus der Stewart-Ära schon noch gehört haben. Jackie, Jochen Rindt, Piers Courage, die trafen sich auch mal auf einer fernen Insel, und Bernie Ecclestone war auch gern dabei.

Lauda: Urlaub mit Bernie, klingt aufregend. Aber vielleicht sollten wir doch über die Zukunft reden, da kommt ja Schumacher gerade recht. Ich habe gelesen, dass Alonso sagt, am meisten fürchte er Michael, vorausgesetzt, das Auto passt. Wie kommt er auf solche Ideen? Vielleicht aus der Vergangenheit, aus dieser Konsequenz des Vorfahren-Wollens und -Könnens, bei entsprechendem Speed? Ich meine allerdings, dass Du das genauso draufhast.

Vettel: Das spielt natürlich mit rein, dieser Erfahrungsschatz des Michael und diese Sicherheit. Ich sehe das nur aus meiner Perspektive. Die Leute können reden, was sie wollen, wenn der Michael an den Start geht, muss er niemandem etwas beweisen. Er hat Spaß daran und den Biss, ganz vorne zu fahren und sich nicht von den anderen, egal ob jünger oder älter, in den Hintern treten zu lassen. Auch wenn die Luft dünn wird, ist er einer der wenigen mit der Statur eines Siegers.

Red Bulletin: Pflichtfrage: Wer ist für Dich der größte Gegner in diesem Jahr?

Vettel: Ich kann und mag keinen Namen nennen. Da sind zu viele Unsicherheiten auf der Strecke, von KERS über die neuen Reifen und wie gut es Ferrari gehen mag. Dass ich selber ganz gut drauf bin, hab ich ja schon gesagt.

Red Bulletin: Vettel und Red Bull, seid ihr "unzertrennlich", wie man es jetzt manchmal hört?

Vettel: Ich fühle mich sehr, sehr wohl bei Red Bull. Es ist ja mehr, als dass ich in diesem Formel-1-Team bin und das Auto fahren darf. Ich bin schon lange ein Teil der Red-Bull-Familie. Und es ist wirklich eine Familie, man fühlt sich wie zu Hause. Wenn das Ganze noch getoppt wird mit einem Auto, mit dem ich Rennen gewinnen und um die WM kämpfen kann, dann gibt es für mich keinen Grund, irgendetwas zu verändern.

Red Bulletin: Meine Herren, ich danke ganz herzlich, dass ich Euch zuhören durfte ...

Vettel: ...halt, halt! Ich hätte da noch eine Frage an den Niki. Man hört doch öfter, da gibt's so viele Boxenluder in der Formel 1, da geht die Post ab. Ich glaube, das trifft doch eher auf die frühere Zeit zu. Aber die Früchte hängen immer noch am Baum und werden teilweise noch immer geerntet - diese Sprüche gibt es ja. Die müssen ja irgendwoher stammen. Stimmt es, dass die Fahrer früher zum Teil wirklich so wilde Hunde waren, wie man sagt?

Lauda: Ich könnte Dir die Wahrheit sagen, weil sie ist eh schon einmal gesagt worden. Wir haben natürlich durch die Risikobereitschaft, auf die wir uns grundsätzlich eingestellt haben, unser Leben gelebt, bei dem wir nicht immer alles so genau genommen haben. Man ist auch mit dem Stress anders umgegangen, und da wollte man die fixen Partnerinnen ja nicht unbedingt mit hineinziehen. Das beste Beispiel, das mir einfällt, liegt lang genug zurück.

Red Bulletin: Na dann mal los...

Lauda: 1984 war das, Grand Prix von Portugal, entscheidend für die WM zwischen Prost und mir. Mein Fitness-Guru Willi Dungl sagte zu mir, weil der hat schon gewusst, worauf ich aus war: "Du, da unten rennt eine herum, eine blonde Italienerin, die sucht dich dauernd." Dann kam noch der Piquet zu mir, der hat auch immer geschaut, wo es was Neues gibt, und sagte: "Du, die sucht dich." Sie war unten, hübsch. Ich ging gleich hin und fragte, wie es ihr geht. Gut. Ich habe sie dann am Freitag zum Abendessen geführt, weil ich ein höflicher Mensch bin. Dann hat sie mich gefragt, ob sie am Samstag wieder mit mir essen gehen kann. Da habe ich ihr gesagt, dass sie nicht mit mir essen gehen kann, aber sie kann von acht bis zehn am Abend zu mir ins Zimmer kommen.

Red Bulletin: Wieso?

Lauda: Ich hab gesagt, dass ich um zehn schlafen muss, weil ich am Tag darauf Weltmeister werden will. Sie hat okay gesagt, kam aufs Zimmer und ist um zehn Minuten vor zehn verschwunden. Ich hab geschlafen wie ein Gott, aber beim Aufwachen in der Früh hab ich mir gesagt, wenn es da oben einen lieben Gott gibt, habe ich die WM heute Nacht verloren. Ich hatte das schlechteste Gewissen, das du dir vorstellen kannst. Mein lieber Kollege Prost, der immer Nägel gebissen hat und immer sehr nervös war, stand in der Früh in der Box und grinste vor sich hin. Ich fragte ihn, warum grinst du so blöd? Er sagte, stell dir vor, gestern Abend habe ich die Stephanie von Monaco erwischt. Ich war unglaublich erleichtert, jetzt steht es 1:1 vor dem lieben Gott, so geht's jetzt ins Rennen.

Red Bulletin: Der Rest ist Geschichte....

Lauda: Stimmt. Ein paar Stunden später war ich zum dritten Mal Weltmeister. Zur Verteidigung der alten Garde kann ich sagen, dass die Formel 1 mittlerweile viel mehr zu einem Familiensport geworden ist. Jetzt kommen die Frauen und Kinder mit, weil ja wirklich zum Glück weniger oder nichts passiert, damit hat sich auch die ganze Formel 1 etwas mehr zum normalen Leben zurückreduziert. Heute ist es mit der Moral vielleicht besser. Aber ich kann es nicht so beurteilen...

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