Verliert McLaren die WM im Urlaub?

Von Alexander Mey
Lewis Hamilton schied auf dem Hungaroring schon nach 24 Runden aus
© Getty

Zwangsurlaub in der Formel 1. Was eigentlich eine wertvolle Erholungspause für Teams und Fahrer sein sollte, ist vor allem für McLaren ein großes Ärgernis. Lewis Hamilton sieht seine Felle im Titelkampf schnell davonschwimmen.

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Seit dem Kanada-GP war Lewis Hamilton Führender in der Fahrer-WM. Gerade hatte er das zweite Rennen in Folge gewonnen, Jenson Button hatte für den zweiten McLaren-Doppelsieg in Serie gesorgt. Das englische Nationalteam war ganz oben.

Sechs Wochen später hat sich die Situation vollkommen gedreht. Hamilton hatte im Qualifying in Ungarn 1,7 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit von Sebastian Vettel. Im Rennen schied er mit Getriebeproblemen aus. Die WM-Führung ist futsch, sowohl bei den Fahrern als auch bei den Teams.

"Werden genauso hinterherfahren wie in Budapest"

Und das ausgerechnet vor der Sommerpause. Die ist vorgeschrieben, obwohl sie eigentlich kaum jemand so richtig haben will. Nicht, weil niemand Lust auf Urlaub hat. Problem ist, dass die Fabriken zwei Wochen lang geschlossen bleiben müssen. Vor dem 16. August rührt sich bei allen Teams rein gar nichts. Entwicklungsstopp.

Natürlich auch in Woking bei McLaren nicht, obwohl die mit Sicherheit am liebsten von allen Tag und Nacht am Auto schrauben würden.

Denn: "Red Bull und Ferrari sind uns im Weiterentwicklungsprogramm derzeit um Längen voraus", zitiert das Fachmagazin "Motorsport aktuell" das Wehklagen von Hamilton. Seine Befürchtung: "Ihr könnt Euch ja vorstellen, was das für die ersten zwei, drei Rennen nach der Sommerpause bedeutet. Wir werden dort genauso hinterherfahren wie in Budapest."

McLaren hat Entwicklung am Frontflügel verschlafen

Hamiltons Problem ist nicht, dass er in der Fahrerwertung vier Punkte Rückstand auf den Führenden Mark Webber hat. Dieser Abstand ist lächerlich. Seine Sorge ist, dass er kein Rennen mehr aus eigener Kraft gewinnen kann.

McLaren, zu Saisonbeginn mit der Einführung des F-Schacht-Systems noch ganz weit vorne, hat die Weiterentwicklung des Frontflügels offensichtlich verschlafen. Vor allem Red Bull, in abgeschwächter Form aber auch Ferrari, nutzen einen Flügel, der sich bei hohen Geschwindigkeiten nach unten verbiegt und so die Aerodynamik deutlich verbessert.

McLarens Version steht stattdessen brav hoch und steif im Wind. Ein Ärgernis. "Bin ich der Meinung, dass es richtig ist, dass sich Flügel in der Formel 1 so stark verbiegen? Nein", sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh, der der Meinung ist, dass die so genannten Flexi-Wings bis zu einer Sekunde an Zeitgewinn bringen.

FIA testet Red-Bull-Flügel noch ein drittes Mal

Offiziellen Protest gegen die vermeintlich illegalen Frontflügel hat das Team nicht eingelegt, wohl aber dezent darauf gedrängt, dass die FIA die Exemplare noch einmal genauer unter die Lupe nimmt. Oder gerne auch dreimal.

Den ersten FIA-Test, demzufolge sich die Flügel unter einem Gewicht von 50 Kilogramm nicht mehr als 10 Millimeter verbiegen dürfen, haben Red Bull und Ferrari schon in Hockenheim bestanden. In Ungarn wurde der Red Bull einem veränderten Test unterzogen und hat wieder bestanden.

Alles legal, sollte man meinen. Doch jetzt will die FIA ihren Test für das nächste Rennen noch einmal abändern und den Red-Bull-Flügel noch ein drittes Mal testen. Diesmal mit 100 Kilogramm Gewicht, unter dem sich die Flügel um nicht mehr als 20 Millimeter verbiegen dürfen. So lange testen, bis man etwas findet, scheint die Devise zu lauten.

Red Bull von ständigen Anschuldigungen genervt

Das ärgert die Red-Bull-Verantwortlichen maßlos. "In dieser Woche regt man sich über den Frontflügel auf, in der nächsten Woche dann über den Heckflügel. Es gab schon Gerüchte über aktive Aufhängungen, den Diffusor, andere Aufhängungsteile", zählte Teamchef Christian Horner genervt auf.

Mark Webber reagierte in Ungarn mit Sarkasmus auf die immer wiederkehrenden Anschuldigungen: "Der Flügel bringt mindestens eine Sekunde, nein, er bringt zwei! Das ist wie mit der verstellbaren Bodenfreiheit, die bringt auch zwei Sekunden. Genauso wie alles andere."

Webber: Keine Bestrafung für geniale Ideen

Er hält sein Team für ungerecht behandelt: "Unsere Ingenieure reißen sich den Hintern auf, um ein Auto im Sinne des Reglements bestmöglich zu designen. Und wir bestehen jeden FIA-Test. Wenn die Leute nicht mögen, was sie auf der Stoppuhr sehen, dann müssen sie die Rechtfertigung dafür manchmal bei anderen Teams suchen."

Gerade von McLaren hätte Webber derartige Kritik nicht erwartet, denn: "Sie fahren doch eine tolle Saison. Sie haben den F-Schacht eingeführt, was eine tolle Idee war. Man sollte weder geniale Ideen noch die Leute, die eine großartige Arbeit abliefern, bestrafen."

Spa und Monza sollten McLaren besser liegen

Webber ist der Mann, dem Hamilton ab jetzt in der WM-Wertung hinterher jagen muss. Eine hoffnungslose Jagd? So weit ist Hamilton noch nicht. "Ich bin mir sicher, dass unsere Ingenieure ihre Notizbücher am Strand dabei haben werden. Ich hoffe, sie finden heraus, was an unserem Auto nicht stimmt", sagte er dem "Telegraph".

Bis zur Abreise zum nächsten Rennen in Spa bleibt ihnen dafür ungefähr eine Woche. Eigentlich zu wenig, um 1,7 Sekunden aufzuholen.

Aber eine gute Nachricht für Hamilton und Co. bleibt: Die nächsten Strecken in Spa und Monza haben lange Geraden und sollten damit dem McLaren deutlich besser liegen als der Hungaroring. Denn den guten alten Vorteil durch den F-Schacht haben McLarens Gegner immer noch nicht komplett aufgeholt.

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